Liederjan in der Kulturscheune
FRITZLAR. Sie haben schon in den 70er Jahren freche Lieder gesungen und das auf Deutsch, als die Welt sicher war, dass moderne Musik auf Englisch gesungen wird. Sie waren Ausdruck einer politischen Jugend und textlich sowie musikalisch auf der Höhe, als einige von denen, die sie am Wochenende nach Fritzlar eingeladen hatten, noch gar keine Musik gehört haben…
Von der Ursprungsformation ist nur noch Jörg Ermisch übriggeblieben, der steht dafür schon im 44. Jahr mit Liederjan auf der Bühne. Als Gegengewicht zu den Waders, Degenhards und Biermanns der Post-68er Ära waren die Barden mit einem unnachahmlichen Hang zum Multiinstrumentalismus anfangs noch den eher „ungehörten“ Deutschen Volksliedern zugetan. Ein Hauch von Mittelalter zierte die Plattenhüllen. Es war durchaus politisch, das zu singen, was das Volk schon vor vielen Generationen zum Thema von Liedern gemacht hat. Es gesellte sich aber auch schon mal ein Text von Heinrich Heine zu Kompositionen von Liederjan. Heute singen sie (fast) nur noch eigene Stücke. Die sind humorvoll, satirisch, frech, unerhört, tiefsinnig und die drei politisieren gerne.
Mit Posaunen auf die Bühne
Das Konzert in der engen Kulturscheune war ausverkauft, entsprechend „gemütlich“ war die Atmosphäre. Mit fast biblischer Symbolik bahnten sich Jörg Ermisch, Hanne Balzer und Philip Omlor mit Posaunen den Weg durch das Publikum auf die Bühne. Nur fast biblisch, denn rot, gelb und blau sind die Posaunen in der Offenbarung sicher nicht. Dafür bot der Abend eine Menge Offenbarungen…
Der Weg nach Fritzlar führte über Konzerte in Jugendhäusern, Knästen, Kneipen und auf den Norddeutschen Inseln bis in die Kulturscheune. Norddeutsch klar und unverschnörkelt erobern sie schnell Bühne und Publikum: Lauter „stockende“ Nordhessen. Die kommen bei „Ernsthaft locker bleiben“, dem Titellied der Aktuellen CD, dann gemeinsam in Bewegung. Mitmachen ist angesagt und wenn’s nicht hilft, dann in Pause einfach mal Kleingruppen bilden, Sprecher wählen und dann das Ergebnis präsentieren…
Seebestattung und Götter mit Humor
Der Abend soll lustig anfangen, als mit einem Dramalett: Die Seebestattung erzählt von einer fehlgeleiteten Urne. Es folgt, die „Götter ham Humor“, ob Jahve, Allah, Shiva, Zeus und Thor. Das möchte man doch hoffen, dass es im Paradies spaßig zugeht. Vor den drei aktuellen Göttern der monotheistischen Religionen haben sich die alten Götter nichts geschenkt. Die drei Protagonisten schenken sich auch nichts, arbeiten sich durch Gitarren, Ukulelen oder Flöten bis zu Tuba und singender Säge. Ob sie auch Musik für Kräuterspiralen spielen. Wollte wohl mal jemand wissen.
Am Ende steht immer das hochaktuelle Resümee: „Es muss ja…“ Ein kurzweiliger Abend voller Abwechslung und ein paar kleinen Überraschungen. (rs)
Die nächsten Termine in der Kulturscheune
6. April – Hafennacht e.V. – Maritime Lieder, Seemannsgarn und Weisheiten, die aus Seenot retten…
12. April – Scheunenkino – Eine Schwarze Komödie, die den schmalen Grat zeigt zwischen Zivilisation und Barberei…
30. April – Kollektives Tanzen mit Night Cruise