Bürgermeister Frank Grunewald im Gespräch
NIEDENSTEIN. Frank Grunewald hat rund die Hälfte seiner (ersten) Amtsperiode hinter sich und in dieser Zeit viel angepackt. Aber auch noch viel vor sich. Über die Geschichte, die Gegenwart und die Zukunft von Niedenstein sprach Rainer Sander mit dem Bürgermeister der nördlichsten Gemeinde im Schwalm-Eder-Kreis.
nh24: Kommen Ihnen die dreieinhalb Jahre als Bürgermeister noch neu und aufregend vor oder fühlt es sich schon wie eine Ewigkeit an?
Frank Grunewald: In der Rhetorik haben sich Routine und Gelassenheit eingestellt, aber ich will ja noch viel bewegen. Der Phase des Kennenlernens im ersten Jahr, folgt jetzt plötzlich ein Zustand, in dem es auch Grenzen gibt, weil nicht alles so geht, wie ich mir das vorstelle…
nh24: Eigene oder bestehende Grenzen?
Frank Grunewald: Zu 80 Prozent entstehen sie aus der Aufgabenstellung. Bei rund 20 Prozent erreicht man schon einmal eine innere Grenze.
nh24: Sie hatten aber vorher schon Erfahrung in der Kommunalpolitik?
Frank Grunewald: Ich war schon als Jugendlicher sehr interessiert, an den politischen Themen der damaligen Zeit. Ich war dann mehr im Sport aktiv aber das Interesse ist nie gewichen. Nach dem Ausscheiden aus dem Vorstand der SG Chattengau, bin ich in die Lokalpolitik eingestiegen, wollte aber in keine Partei. Ich habe die Freien Wähler kennengelernt, bin aber auch dort nicht Mitglied geworden.
Mit allen zu sprechen ist wichtig
nh24: Ist das heute noch durchzuhalten?
Frank Grunewald: Ich habe von Beginn an immer mit allen Fraktionen gesprochen. Das ist anstrengender, als wenn man klare Mehrheiten hat, manchmal erfordert es unbequeme Kompromisse, aber es ist gut für Niedenstein!
nh24: Was überwiegt: die Routine, die Innovation, das Gestaltende oder etwas ganz anderes?
Frank Grunewald: 70 Prozent Innovation, aufgrund der Entwicklung, die wir hier begonnen haben. Wir konnten zum Beispiel in Wichdorf ein großes Baugebiet erschließen. Damit ziehen auch Menschen hierher, die nicht aus Niedenstein kommen.
nh24: Warum ist das so?
Frank Grunewald: In Nachbarkommunen – wie Baunatal – gibt es immer weniger Bauplätze und die Grundstücke sind dort teurer. Ein Niedenstein im Grünen, mit einer positiven Entwicklung und aktuell noch freien Kindergartenplätzen bei zusätzlichem Erweiterungsspielraum, wird gewinnen. Wir haben jede Stunde eine direkte Anbindung nach Baunatal oder Kassel und am Ende entscheiden nicht mehr ein paar Minuten Zeit, sondern Lebensqualität.
Aufwertung des neuen Zentrums
nh24: Was tut sich im neuen Zentrum?
Frank Grunewald: Hinter dem Rewe-Areal entsteht ein Edeka-Markt mit 2100-Quadratmetern Warenfläche. Die alten Gebäude werden abgerissen, dort entsteht ein Parkplatz. Der jetzige Edeka-Markt wird zur Hälfte Getränkemarkt und wir sind zusammen mit Edeka zuversichtlich, für die restlichen 600 Quadratmeter, eine gute Lösung zu finden, ob Fitness-Center oder Einzelhandel oder etwas anderes. Die Kreissparkasse wird auf 1.000 Quadratmetern Grünfläche eine neue Filiale errichten und dort hinziehen. Das wertet das neue Zentrum zusätzlich auf.
nh24: Reicht das schon, um attraktiv zu sein?
Frank Grunewald: Nein! Wir arbeiten parallel an einer Aufwertung des Freizeitbereiches. Wir entwickeln ein neues Konzept für das Hallenbad, mit attraktivem Außen-Saunabereich. Der angrenzende Außenbereich in Richtung Goddelbusch wird aktuell auf eine zukünftige Nutzung als Freizeitgelände untersucht. Auch Attraktionen, wie Rutschen vom Hessenturm, sind im Gespräch. Ein weiterer Wunsch ist eine Belebung von der Altenburg ausgehend mit einer Achse durch den alten Ortskern über den Hessenturm zum neuen Zentrum. Über Vorstellungen und Wünsche dazu sprechen wir mit Bürgern und den Fraktionen. Was wir uns leisten können, werden wir auch umsetzen, um Familienfreundlichkeit und Freizeitwert für Niedensteiner und Gäste in der Gemeinde zu erhöhen. Auch Ökologie und Umweltschutz sind im Fokus.
nh24: Niedenstein geht es sonnig, wolkig oder ungemütlich?
Frank Grunewald: Heiter bis wolkig angesichts einer Gesamtsituation mit einer schuldenfreien Gemeindekasse und guten Perspektiven für die nächsten ein bis zwei Jahre. Ein paar Wolken gibt es, weil Bereiche wie Kindergärten jetzt schon unterfinanziert sind und wir nicht wissen, was über den Zeitraum hinaus, den wir jetzt planen können, passiert.
Finanzbedarf für die Pläne ist groß
nh24: Was sind die größten Herausforderungen für Niedenstein 2019?
Frank Grunewald: Wenn die Bauentwicklung weitergeht, gehen uns irgendwann auch die Flächen aus. Daran müssen wir arbeiten. Die Flächen, die wir bebauen könnten, gehören nicht der Gemeinde. Ich möchte die Haushaltskonsolidierung weiterführen, denn die Hürden über die Hessenkasse und der Bedarf für unsere Pläne sind groß. Das setzt solide Finanzen voraus.
nh24: Was ist besonders gut in Niedenstein?
Frank Grunewald: Die vielseitigen Angebote für die Bürgerinnen und Bürger, die sich hier zuhause fühlen. Dazu gehören auch städtische Extras, die wir uns leisten können, wie gesponserte Schwimmkurse für Kinder, die das Schwimmen erlernen und unsere Vereinsunterstützung. Auch kleine Schritte tragen zu einer stetigen Entwicklung bei.
nh24: Wie viel Gewicht wird das Thema „Interkommunale Zusammenarbeit“ bekommen?
Frank Grunewald: Das Thema muss gewinnen, sonst schaffen wir in den Rathäusern die steigenden Anforderungen nicht. Wir suchen nach gleichen Softwarelösungen und prüfen im Chattengau oder mit Bad Emstal gemeinsame Möglichkeiten weitere Synergien zu schaffen, die zum Beispiel auch im Bereich der Finanz- oder Bauverwaltung liegen könnten. Wer in einer Gemeinde Bebauungspläne erstellt, kann das auch für eine andere Kommune. Es entstehen auch in den Kommunalverwaltungen Lücken durch ausscheidende Mitarbeiter. Wir müssen gemeinsam attraktive Arbeitsplätze mit Verantwortung und gutem Einkommen schaffen, sonst suchen sich gute Mitarbeiter andere Jobs.
Die Geschichte wird neu entdeckt
nh24: Niedenstein ist mit der Altenburg vielleicht eine der ältesten Städte Deutschlands. Kassels alter Landrat Dr. Schlitzberger sagt immer wieder, Zierenberg, Helmarshausen und Niedenstein haben den Grundriss eines alten Römerlagers. Wie sehr spielt die Geschichte in der Gegenwart eine stärkere Rolle?
Frank Grunewald: Die Phillips Universität Marburg erforscht derzeit erneut die Altenburg bei Niedenstein. Dabei wurde bereits die Erkenntnis gewonnen, dass die Anlage doppelt so groß ist, wie einst angenommen. In der erwähnten Achsenbildung gehört die Ideenentwicklung rund um die Altenburg dazu und wir möchten die jungen Menschen für die Geschichte begeistern.
nh24: Das Jahr ist schon über zwei Monate alt aber trotzdem: Was sind die wichtigsten Wünsche für 2019?
Frank Grunewald: Dass wir den Schulterschluss in den Fraktionen aufrechterhalten, dass wir uns gemeinsam mit den Entscheidungen identifizieren können, um die Ziele zu erreichen, weil ich spüre, dass noch einige neue Herausforderungen auftauchen werden, die gemeinsame Kraftanstrengungen erfordern.
nh24: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview wurde auch in der aktuellen Ausgabe der Zeitung der Chatte veröffentlicht. (rs)