KASSEL. Sie enttäuschten nicht, zogen aber dennoch den Kürzeren. Die MT Melsungen unterlag trotz starker Leistung vor 4.300 Zuschauern in der restlos ausverkauften Kasseler Rothenbach-Halle dem THW Kiel mit 25:29 (14:16).
Nur für zwischenzeitliche vier Minuten Mitte der ersten Hälfte führten die Nordhessen, sonst lag der THW meist mit zwei oder drei Treffern vorn. Der herausragende Mann auf dem Feld trug dabei ein rot-weißes Trikot: Lasse Mikkelsen bestätigte seine kürzliche Vertragsverlängerung bei der MT mit einer Klassepartie und acht Toren. Die jedoch zum Coup gegen den Rekordmeister nicht reichten. Kiel hatte seinen erfolgreichsten Schützen über weite Strecken auf der Bank sitzen. Marko Vujin erzielte alle seine fünf Tore per Siebenmeter.
Der Start in die Partie war ganz nach dem Geschmack der Gastgeber. Mit Nebojsa Simic, der den Vorzug gegenüber dem Ex-Kieler Johan Sjöstrand bekam, und seiner ersten Glanztat. Unglücklich dagegen, dass das Resultat kein Ballbesitz war, sondern ein Siebenmeter für die Gäste, den Marko Vujin sicher verwandelte. Ebenso wie beim darauffolgenden Angriff der Zebras nach Yves Kunkels Ausgleich. Auch da war Simic zur Stelle, den dennoch zugesprochenen Siebenmeter verwertete Vujin zum 1:2 (5.). Die erste strittige Szene auf der Gegenseite führte nicht zum Strafwurf für die Hausherren, wohl aber der dritte eigentlich erfolglose Angriff der Kieler. Diesmal war es Weinhold, der den Strafwurf zog. Vujin zum Dritten, diesmal gegen den eingewechselten Sjöstrand, und der THW führte mit 4:2 (7.).
Von derlei Unbillen ließ sich die MT nicht einschüchtern. Im Gegenteil waren die Angriffe gegen Kiels sonst gefürchtete 3:2:1-Deckung kurz, knackig – und erfolgreich. Weil Lasse Mikkelsen gewohnt ideenreich Regie führte, Simon Birkefeldt traf und Yves Kunkel in der Rückwärtsbewegung aufpasste, sofort zurück in den Angriffsmodus ging und den eroberten Ball zum 4:5 ins Netz beförderte. Kurz darauf tat es ihm sein Pendant auf der rechten Seite gleich: Tobias Reichmann glich die Partie zum 5:5 wieder aus (9.). Es war viel Tempo im Spiel und trotz der unerwartet vielen frühen Tore kamen auch die Torhüter nicht zu kurz. Nebojsa Simic glänzte mehrfach, ebenso wie Niklas Landin gegenüber.
Als es nach nicht einmal 13 gespielten Minuten schon zum 15. Mal klingelte, hatte Alfred Gislason genug gesehen und das Volk auf den Rängen tobte. Denn es war der Führungstreffer für Melsungen, den Philipp Müller völlig frei vom Kreis erzielte. Eine Auszeit war die Folge, einhergehend mit einer Umstellung der Norddeutschen auf eine wesentlich defensivere Deckungsvariante. Mit Erfolg, denn Magnus Landin holte den Vorteil zum 9:10 zurück, Lukas Nilsson erhöhte mit einem Doppelpack sogar auf 10:12 (21.).
Was auffiel, waren die Probleme im Positionsangriff der Melsunger, sobald sich Kiel formiert hatte. Mehrfach hoben sich die Arme der Unparteiischen zur Anzeige des passiven Spiels und man musste ihren Pfiff befürchten. Doch zuverlässig in diesen Momenten zog Lasse Mikkelsen alle Register seines Könnens. Beim 12:12 hatte er noch schnell geschaltet und das eroberte Leder von der Mittellinie ins zu diesem Zeitpunkt verlassene THW-Tor befördert. Der Pass des Dänen an den Kreis auf Felix Danner zum 13:14 war dann ebenso abgebrüht wie genial (26.). Dass es zur Pause schließlich doch wieder zwei Tore waren, die Melsungen hinten lag, war nicht zuletzt das Resultat von zwei, drei strittigen Entscheidungen, die dem Schiedsrichtergespann beim Gang in die Kabine ein gellendes Pfeifkonzert einbrachte.
Zu Beginn der zweiten Hälfte schien es, als solle der THW sich absetzen können. Melsungens Bemühungen verpufften, Steffen Weinhold traf zum 14:17 (32.). Allerdings kamen die Nordhessen auch diesmal umgehend zurück. Tobias Reichmann brachte das Leder aus spitzem Winkel im langen Eck unter, Roman Sidorowicz stellte den Anschluss her. Und just als die Partie nach zwei Zeitstrafen gegen Kiel innerhalb weniger Sekunden zu kippen schien, war es der bis dahin eher blass gebliebene Domagoj Duvnjak, der seinem Team trocken aus der Hüfte durch die Abwehrmauer hindurch mit dem 16:18 wieder Lust verschaffte (36.). Harald Reinkind erhöhte gar auf 16:19, ehe Heiko Grimm die Grüne Karte zur Auszeit legte.
Das große Plus der MT an diesem Abend: sie steckte auch nach solchen Rückschlägen nie auf. Und immer wieder war es Mikkelsen, der die Tribüne mit seinen Aktionen zum Toben brachte. Als Roman Sidorowicz zu Felix Danner an den Kreis durchsteckte, der den Ball aber nicht zu fassen bekam und Kiel sich bereits nach vorn orientierte, tauchte der Däne blitzschnell ab, bekam das Spielgerät nach einem Hechtsprung in Richtung Kreis irgendwie unter Kontrolle und ließ Landin keine Chance – 19:21 (45.). Wieder wurde nicht mehr daraus, weil Michael Müllers Notwurf im darauffolgenden Angriff Beute des Kieler Schlussmannes wurde.
Noch lauter wurde es, als der nächste Geniestreich des MT-Regisseurs, ein Druckpass vom eigenen Torraum, auf der gegenüberliegenden Seite den enteilten Finn Lemke fand und der Melsunger Kapitän das 21:23 machte (51.). Mehr als immer wieder auf zwei zu verkürzen war allerdings nicht drin. Dazu präsentierten sich die Zebras zu stabil – und hatten in den entscheidenden Momenten zudem das Glück der Tüchtigen auf ihrer Seite. Harald Reinkind profitierte davon, dass Finn Lemke ein eigentlich schon geblockter Ball durch die Arme rutschte – Kiel war beim 21:25 sogar mit vier vorn (53.).
Die Nordhessen hatten sich wirklich nicht viel vorzuwerfen gegen den Rekordmeister. Es waren Kleinigkeiten, die ihnen fehlten, vielleicht ab und an mal ein klein wenig Glück, wie es der THW im Verlauf der Partie des Öfteren hatte. Ohne die Leistung der Gäste schmälern zu wollen, denn sie erarbeiteten sich dieses Glück redlich. Als Heiko Grimm zwei Minuten vor dem Abpfiff nach Hendrik Pekelers 24:28 seine letzte Auszeit nahm, zum wiederholten Male auf den siebten Feldspieler setzte und Mikkelsen auch prompt zum 25:28 traf, reagierte Alfred Gislason sofort. Auch er legte Grün, beruhigte die Situation und bereitete damit den Boden zum letzten Torerfolg des Abends, der auf das Konto von Ole Rahmen ging. Ein unter dem Strich souverän herausgespielter Erfolg des Favoriten, bei dem die unterlegenen Gastgeber aber keinesfalls enttäuschten und sich über weite Strecken auf Augenhöhe mit dem Tabellen-Zweiten bewegten.
Stimmen zum Spiel
Heiko Grimm: Glückwunsch an Alfred und den THW zum absolut verdienten Sieg. Es war lange Zeit ein offenes Spiel, was eigentlich für uns sprechen sollte. Aber ich bin trotzdem irgendwie nicht zufrieden weil ich das Gefühl nicht loswerde, dass da für uns mehr drin war. Wir sind lange dran geblieben, hatten aber zu wenig Spieler in unseren Reihen, um die Partie positiv zu beeinflussen. Aber das kann natürlich auch mal an der Qualität des Gegners liegen. Wir wussten, dass alles für uns optimal laufen muss. Wir wollten über Torhüterparaden und schnelles Spiel kommen, doch das hat nicht geklappt. Dennoch bleibt das Gefühl, es wäre mehr drin gewesen.
Alfred Gislason: Das war extrem wichtig für uns. Wir wussten, dass es schwierig werden würde. Es war ein sehr ausgeglichenes Spiel, die MT hat in der ersten Halbzeit überragend diszipliniert gespielt. Wir haben uns hinten zu wenig bewegt und sind auseinander gespielt worden. Deshalb sind wir auf die 6:0 zurückgegangen. Zur Halbzeit konnten wir froh sein, überhaupt zu führen. Die zweite Hälfte war dann viel besser. Durch die gute Abwehrleistung kamen auch mehr Paraden von Landin im Tor. Deshalb waren die Punkte am Ende auch verdient für uns.
Axel Geerken: Glückwunsch auch von mir an Alfred und den THW. Ich hatte auch den Eindruck, dass wir sehr diszipliniert gespielt haben. Aber das Besondere hat mir gefehlt. Die Halle war voll, es war tolle Stimmung, wir haben die Begegnung lange offen gehalten. Aber es hat eben etwas gefehlt. Vielleicht mal eine besondere Aktion oder eine überragende Torhüterparade. So etwas hatten wir aber leider nicht. (pm)
Das nächste Spiel:
Do., 14.03.19, 19:00 Uhr, MT Melsungen – Füchse Berlin, Rothenbach-Halle Kassel (bereits ausverkauft).