Interview mit Bürgermeister Stefan Frankfurth
BAD EMSTAL. Seit einem halben Jahr ist Stefan Frankfurth im Amt des Bürgermeisters in Bad Emstal. nh24-Redakteur Rainer Sander hat ihn zum Jahresbeginn in seinem Büro besucht:
nh24: Herr Frankfurth, ein neues Jahr hat begonnen, das zweite als Bürgermeister. Fühlt sich das immer noch gut an?
Stefan Frankfurth: Das fühlt sich immer noch gut an und ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf.
nh24: Es ist zumindest ungewöhnlich, dass ein Selbstständiger in ein politisches Amt strebt?
Stefan Frankfurth: Wir haben einen Generationswechsel vollzogen, mein Sohn hat nach dem Studium das Hotel übernommen. Ich war viele Jahre in der Kommunalpolitik ehrenamtlich aktiv und war als Erster Beigeordneter mit der Problematik vertraut.
Gestalten ist Teamwork
nh24: Wo kann man mehr gestalten, als Selbständiger in der Gastronomie oder als Bürgermeister?
Stefan Frankfurth: Das ist nicht branchenabhängig. Es liegt immer an der Motivation der Menschen, mit denen man zusammenarbeitet und an ihrer Bereitschaft, Veränderungen mitzugehen und mit zu gestalten. Ich habe im Rathaus ein sehr motiviertes Team.
nh24: Also würden Sie sich wieder so entscheiden?
Stefan Frankfurth: Ich habe bisher nichts bereut, also auf jeden Fall!
nh24: Es liegt aber nicht nur an den „Mitspielern“, sondern auch am „Spielmacher“. Die Ideen gehen ihnen nicht aus?
Stefan Frankfurth: Das war früher schon so und hat hier im Rathaus nicht nachgelassen.
nh24: Also muss man sie gelegentlich bremsen?
Stefan Frankfurth: Die Ideen sollten schon ausgereift sein, bevor ich sie anderen mitteile!
Keine einfachen Antworten auf schwierige Fragen
nh24: Bad Emstal hatte stets ehrgeizige Ziele und ist von veränderten Realitäten überholt worden. Gibt es neue Realitäten und neue Ziele?
Stefan Frankfurth: Wir haben eine sehr schwierige finanzielle Situation und die spitzt sich dieses Jahr noch einmal zu. Eine schwere Aufgabe, in der ich trotzdem positive Akzente setzen und Dinge vorantreiben möchte. Der Komplex Thermalbad und Kursaal belastet natürlich. Ich habe Fördermittel in einem Bundesprogramm beantragt, gemeinsam haben wir Funktionsträger in Bund und Land motiviert, unser Anliegen zu unterstützen, aber jetzt heißt es abwarten.
nh24: Welche Rolle spielen dabei der Tourismus und die Rolle als Erholungsort?
Stefan Frankfurth: Ich möchte zunächst die Infrastruktur erhalten. Während andere Kommunen von höheren Steuer-Einnahmen profitieren, ist es in Bad Emstal anders. Es hat sich nicht nur die Gewerbesteuer deutlich reduziert, sondern auch die Umsatzsteueranteile entwickeln sich nicht positiv. Wir wollen – auch zusammen mit dem Gewerbeverein – alles tun, die verbliebenen Betriebe im Gesundheitsbereich zu halten.
Kurortstatus erhalten
nh24: Konkretisieren sich die Pläne um das Thermalbad und den Saal?
Stefan Frankfurth: Wir arbeiten an einer Konzeption, welche die Bürger, beziehungsweise die Gemeinde kein Geld kostet! Mehr können wir uns schlicht nicht leisten. Der laufende Förderantrag ist zunächst für ein Mehrgenerationenhaus als Ersatz für den Kursaal. Nicht für das Bad. Da müssen wir einen Weg finden, die Dachkonstruktion so in Stand zu setzen, dass das Wasser wieder nutzbar wird. Davon hängt im Jahr 2023 auch der Heilbadstatus ab.
nh24: Der ist untrennbar damit verbunden?
Stefan Frankfurth: Ja, den verlieren wir, wenn wir bis dahin das Wasser nicht wieder zur Anwendung bringen.
nh24: Also der richtige Zeitpunkt, um ein Bürgermeisteramt anzutreten. Sie lieben scheinbar Herausforderungen?
Stefan Frankfurth: Das kann ich schon sagen! Ich löse auch gerne schwierige Aufgaben. Natürlich ist es auch ein befriedigendes Gefühl, wenn sich kleine oder große Erfolge einstellen.
Menschen in Bad Emstal sind realistisch
nh24: Ist die Akzeptanz noch da bei den Bad Emstalern oder erwarten sie größeres?
Stefan Frankfurth: Nein, ich glaube die Menschen in Bad Emstal sind sehr realistisch. Was sie nicht wollen ist, dass ihnen jemand etwas vormacht. Das tue ich auch nicht! Ich gehe mit den Plänen für Wohngebiet, Kinderbetreuung oder Mehrgenerationenhaus sehr offen um, schon bevor Anträge verabschiedet werden müssen. Wir gestalten Prozesse, in deren Verlauf viele Meinungen einfließen können. Für die Baugebiete gab es beispielsweise fünf Möglichkeiten. Wir haben frühzeitig Prioritäten entwickelt und damit fehlende Akzeptanz vermieden. Gegen die Menschen machen Entscheidungen keinen Sinn.
nh24: Der Wohnstandort Bad Emstal ist also noch gefragt?
Stefan Frankfurth: Wir planen 29 Grundstücke und haben schon 29 Anfragen, obwohl wir das Projekt noch gar nicht öffentlich gemacht haben.
nh24: Gibt es einen Plan B, falls alles nicht funktioniert?
Stefan Frankfurth: Ein Plan B würde bedeuten, dass man schon damit rechnet, dass es nicht klappt. Ich bin Optimist und gerne auch etwas euphorisch, wenn es um so etwas geht. Ich habe gelernt, dass alles ein Prozess ist, in dem oft andere Wege zum Ziel führen, als man anfangs gedacht hat. Wenn man etwas will und es angeht, ergeben sich auch andere Optionen. Es geht auf jeden Fall immer weiter. Ich glaube ohne Blauäugigkeit, dass es im Bereich Kursaal und Thermalbad auch so sein wird.
nh24: Viele Menschen haben klare Vorstellungen von ihrem Wohnort. Die Gebühren sollen niedrig sein, die Infrastruktur umfassend und das Angebot gut. Wie viele Wünsche können Sie erfüllen?
Stefan Frankfurth: Es ist doch normal: wer etwas zahlt, dem ist es zu viel, wer was bekommt, dem ist zu wenig. Es klappt auch nicht, mit ganz wenig Aufwand, ganz viel zu verdienen. Das wissen die Menschen einzuschätzen.
Ideengeber, Ideensammler und Moderator
nh24: Ein offener Stil bewährt sich also?
Stefan Frankfurth: Ich halte nichts davon, Dinge erst im kleinen Kreis zu Ende zu denken. Ich möchte die Bürger mitnehmen, damit alle wissen, in welche Richtung es geht.
nh24: Das Bürgermeisteramt als großer Moderationsprozess?
Stefan Frankfurth: Ja, meine Rolle ist Ideengeber, Ideensammler und Moderator. Die Wertschätzung derer, die sich beteiligen ist außerdem sehr wichtig!
nh24: Das heißt, es gibt viele Menschen in Bad Emstal, die sich engagieren?
Stefan Frankfurth: Unglaublich viele! Auch die Mandatsträger, die in Bad Emstal ja alle ehrenamtlich tätig sind. Hier kann ja niemand für sich etwas rausziehen! Dafür wünsche ich mir noch mehr Wertschätzung.
nh24: Im Hotel haben Sie gelernt die Luft anzuhalten und freundlich zu sein, selbst wenn die Kritik der Gäste noch so weit hergeholt ist. Muss man das als Bürgermeister auch gelegentlich?
Stefan Frankfurth: Das hat auch etwas mit Lebenserfahrung zu tun. Im Reklamationsmanagement hilft es nichts, sich emotional zu befeuern und die sachliche Ebene zu verlassen. Das können nicht alle so, ich bin aber stets bemüht, Ruhe zu bewahren.
Konsolidierung in digitaler Zukunft
nh24: Alle reden von Digitalisierung. Ist sie auch in der Gemeindeverwaltung Thema?
Stefan Frankfurth: Das ist ein Hobby von mir. Ich habe vor einigen Jahren im Hotel den Digital-Award gewonnen, als wir die Heizungssteuerung mit dem Buchungssystem gekoppelt haben, um Energie zu sparen. In der Gemeindeverwaltung haben wir bereits ein Jahr vor der Verpflichtung den elektronischen Rechnungs-Workflow realisiert. Da gibt es kaum noch Papier.
nh24: Was heißt das für die Bürger?
Stefan Frankfurth: Wir können Geld sparen, denn auf diese Weise wird interkommunale Zusammenarbeit leichter und letztlich effizienter.
nh24: Ihre Wünsche für 2019?
Stefan Frankfurth: Natürlich, dass sich die begonnenen Projekte verwirklichen lassen!
nh24: Auf was können sich die Bürger freuen?
Stefan Frankfurth: Weniger zum Freuen ist die Erhöhung der Grundsteuer, dafür wird sich die Kinderbetreuung verbessern und ich gehe von einer Konsolidierung aus.
nh24: Herr Frankfurth, vielen Dank für das Gespräch! (rs)