HOMBERG/EFZE. Am Donnerstag fand in den ersten beiden Stunden eine Kooperationsveranstaltung zwischen der AG „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SoR) und den Fachbereichen Religion bzw. Ethik für den Jahrgang 9 und einen Oberstufenkurs an der BTHS in der Aula statt.
Es war der AG SoR gelungen, den in Frankfurt lebenden 35-jährigen Kabarettisten Malte Anders und sein Programm „Homologie“ für die Schule zu gewinnen. In diesem Einmann-Theaterstück ging es um Ausgrenzung, Homosexualität, Diskriminierung und das Anders-Sein. Das Stück machte sensibel und humorvoll auf das vorurteilsbehaftete Thema aufmerksam – selten wurde in der altehrwürdigen Aula der BTHS so viel gelacht – und regte aber gleichzeitig zur Reflexion der Thematik an.
Der Auftritt von Malte Anders dauerte ca. 50 Minuten. Dabei schlüpfte er in die Rolle eines Lehrers, der in „Homologie“ (griechisch: Übereinstimmung; „homo“, lateinisch: Mensch), einem „neuen“ und unglaublich interessanten Fach unterrichtete. Dabei stellte Malte Anders überzeugend dar, dass wir Menschen alle gleich und doch einzigartig sind.
Dabei thematisierte er u.a. Vergleiche mit der Homosexualität in der Tierwelt (u.a. Pinguine, wo ein Fünftel homosexuell ist), schwule Fußballspieler (u.a. Thomas Hitzelsberger), lesbische Fußballspielerinnen, US-Soldaten, die nackt in einem Musikvideo von Carly Rae Jepsen („Call me maybe) tanzen und stellte mathematische Textaufgaben. Z.B.: Die Bundesrepublik hat 81 Millionen Einwohner. Davon sind zehn Prozent homosexuell. Wie groß ist ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung? Bei einer anderen Aufgabe ging es darum, den Anteil der in Deutschland lebenden homosexuellen Ausländer zu errechnen. Das Ergebnis waren 761.000, in etwa genauso viele Lehrer unterrichten an Deutschlands Schulen. Danach thematisierte Malte Anders Vorurteile, in dem er fragte, mögen eigentlich alle Mädchen Ponys oder haben Jungs mal mit einer Puppe gespielt? Anschließend erklärte Malte Anders, dass er in Alter von sieben oder acht Jahren schon allein erziehender Vater gewesen sei, als er sich um seine „Baby Born“-Puppe gekümmert habe. Viele gängige Klischees gerieten so schmunzelnd beziehungsweise lachend ins Wackeln. Erkennt man äußerlich homosexuelle Menschen? Eine Schülerin fragte er rhetorisch, wann sie sich gegenüber ihrer Mutter geoutet habe, dass sie heterosexuell sei? Durch solche gezielten Fragen, die zum Nachdenken anregten, gewann Malte Anders das junge Publikum für sich.
Gleichzeitig klärte er darüber auf, dass noch vor rund 25 Jahren die Homosexualität in der BRD unter Strafe gestellt war. Dass viele Homosexuelle während der NS-Zeit in Konzentrationslager wegen ihrer Sexualität eingeliefert wurden. Und auch noch im Jahr 2007 in Saudi-Arabien zwei Männer deswegen ihrer Homosexualität zu 7040 Peitschenhieben verurteilt worden sind. Die Schüler lernten, dass in Kenia heute noch homosexuellen Männern 14 Jahre Haft drohen und in Russland noch heute das Händchenhalten in der Öffentlichkeit für homosexuelle Paare strafbar ist. Aufhorchen ließ dann im Gegenzug die Tatsache, dass der nordamerikanische Indianerstamm der Coquilles schon immer der Ehe für Lesben und Schwule offen gegenüber gewesen sei. Schließlich sei der gegenseitige Respekt immer eine Voraussetzung einer starken Gemeinschaft gewesen, so die Indianer sinngemäß.
Im Anschluss an das Theaterstück konnten die Schülerinnen und Schüler schriftlich anonym Fragen stellen, die Malte Anders ehrlich und ausführlich beantwortete. Darunter waren Fragen, wie: „Ist der Typ, der die Zettel einsammelt [Malte Anders Techniker], dein Freund?“ „Wie hast du dich beim Outing gegenüber deinen Eltern gefühlt? Hattest du dabei Angst, nicht akzeptiert zu werden?“ „Wie alt warst du bei deinem Coming Out?“ „Wurden Sie gemobbt oder diskriminiert?“ All diese Fragen beantworte Malte Anders. So erfuhren die Schüler z.B. vom Coming Out des damals 19jährigen und dass er seit zwei Jahren mit einem homosexuellen amerikanischen Juden, den er in Barcelona kennen gelernt hat, zusammen lebt.
Die Ziele der Veranstaltung waren Toleranz, Respekt und Verständnis gegenüber sexueller Vielfalt aufzubauen und zu stärken, Ausgrenzung, Diskriminierung und Mobbing vorzubeugen und entgegenzuwirken, sowie Unterstützung und Stärkung der eigenen Identitätsentwicklung. Schließlich sind Schimpfworte wie „Schwuchtel“ oder „Du schwule Sau“ häufig noch alltäglich auf deutschen Schulhöfen. Dem sollte entgegen gewirkt werden. Die Fragen der Schüler zeigten, dass Malte Anders diese Ziele in vielen Köpfen der anwesenden Schüler auf seine Art erreicht hatte. Schließlich wirkte er einfach nur authentisch und deshalb überzeugend auf die Schüler. Anschließend war Malte Anders zu Gast auf der EKS.
Die Vorstellung trug damit zu einer unverkrampften Umsetzung des Hessischen Lehrplans für Sexualerziehung bei, in dem es heißt: „Ziel der Sexualerziehung ist, Schülerinnen und Schülern ein offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Verständnis für die Verschiedenheit und Vielfalt der partnerschaftlichen Beziehungen, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten in unserer Gesellschaft zu vermitteln.“
Hinter dem Künstlernamen Malte Anders steckt der Frankfurter Theaterpädagoge, Dipl.-Sozialpädagoge und Kabarettist Timo Becker. (Thomas Schattner | pm)