Die Althessische Ritterschaft und das Stift Kaufungen
KAUFUNGEN. Während die Mädchen mit Barbie oder dem Kaufmannsladen gespielt und je nach Alter Schneewittchen, die kleine Hexe, Bibi Blocksberg, Pocahontas oder die Eiskönigin bewundert haben, gab es für die Jungs unter uns eigentlich immer nur das Cowboy-Fort mit Old Shatterhand und Winnetou, und…?
Klar, die große Ritterburg! Wer aber weiß, wie viele Ritter es tatsächlich hier im Norden Hessens gegeben hat?
Buch von Dr. Udo Schlitzberger im Euregio-Verlag
„Die Althessische Ritterschaft und das Stift Kaufungen“, so lautet der Titel eines neuen Sammelbandes, den Dr. Udo Schlitzberger jetzt herausgegeben hat. 500 Jahre lang hat die heute gemeinnützige Stiftung alle territorialen und politischen Änderungen in Hessen überlebt und davor hatte die Ritterschaft bereits eine 1.000-jährige Geschichte, wie der ehemalige Landrat des Kreises Kassel schilderte. Auch Napoleon, dessen Bruder Jerome in Kassel das Königreich Westphalen regierte, machte Bekanntschaft mit den Rittern aus Hessen. Der Dörnberg-Aufstand 1809 – unter Führung der Althessischen Ritterschaft – war allerdings erfolglos.
Finanziert hat das Werk die Kasseler Sparkasse als 40. Band in der Reihe „Die Region trifft sich – die Region erinnert sich.“ Mit viel Herzblut habe Dr. Schlitzberger recherchiert, lobte Ingo Buchholz, Vorstandsvorsitzender der Kasseler Sparkasse, den Initiator und Herausgeber bei der offiziellen Buchvorstellung im Rittersaal des Stifts in Kaufungen, der Herzkammer der Althessischen Ritterschaft, wie Buchholz es nannte. „Die Althessische Ritterschaft und das Stift Kaufungen haben unsere Region über Jahrhunderte stark beeinflusst und bis heute nachhaltig geprägt. Mit dem Buch ist verantwortungsvoll ein bedeutendes Stück Geschichte der Region Kassel aufgearbeitet worden“, sagte er. Eine klare Feststellung dazu hatte Buchholz bei der großen Veranstaltung „Die Region trifft sich – die Region erinnert sich in der Sparkassenzentrale bereits getroffen: „Rittertum war Männersache!“ Das stimmt definitiv und jetzt gibt es das schwarz auf weiß:
Bis heute Männersache…
„Bemerkenswert ist, dass der Althessischen Ritterschaft traditionsgemäß auch im 21. Jahrhundert nur Männer angehören dürfen“, erklärte Renate Matthei, Geschäftsführerin des euregioverlages. Im Serviceteil werden alte Herrenhäuser, Ritterburgen und -familien vorgestellt. „Ein besonderer Beitrag ist dem 1944 als Widerstandskämpfer hingerichteten Adam von Trott zu Solz und der nach ihm benannten Stiftung und Begegnungsstätte in Imshausen gewidmet“, erläuterte die Verlegerin, die betonte, dass die Aufträge, auch der Druck bei den Grafischen Werkstätten, in die Region gegangen sind.
Der Hauptartikel stammt von Hauprecht Freiherr Schenck zu Schweinsberg, der auch schilderte, wie wichtig Eheschließungen zwischen den Adelshäusern damals waren und dass im Protestantismus die unverheirateten Töchter nicht mehr ins Kloster gehen konnten. So war eine ursprüngliche Bestimmung des Klostervermögens auch für Töchter aus diesen Häusern. Die Familienwappen haben ebenfalls bis heute eine große Bedeutung. Im Mittelalter wurden sie auf Schild und Helm geführt und machten sichtbar, wer da gegen wen kämpfte. Später wurden sie zum Identifikationsmerkmal des Adels schlechthin. Ein wesentlicher Teil der Recherchearbeit von Dr. Udo Schlitzberger.
Sozial und gemeinnützig
Philipp der Großmütige, Wegbereiter des Protestantismus in Deutschland, hatte bereits 1532 mit der Übertragung von Klostervermögens an die Ritterschaft, deren soziale und gemeinnützige Wirkungsfelder initiiert. Noch heute verwalten Vertreter der Althessischen Ritterschaft das verbliebene Vermögen des ehemaligen Benediktinerinnenklosters Kaufungen. Die Erträge kommen jetzt allein gemeinnützigen Zwecken zugute, unter anderem beim Kurhessischen Diakonissenhaus. Deren Obervorsteher, Henn-Wolfram Riedesel Freiherr zu Eisenbach, schilderte am Montagvormittag, dass man gerade vergangene Woche wieder über Zuwendungen entschieden habe.
Das sehr umfangreich bebilderte und thematisch vielfältige Buch beschreibt die Geschichte des Stifts Kaufungen von einer Königspfalz über die Klostergründung Kunigundes, der übrigens der erste Band aus der Reihe der Sparkasse gewidmet war, bis zur Reformation und schließlich die Entwicklung der Althessischen Ritterschaft seit 1532 bis in die Gegenwart. In Kurhessen und später im Kaiserreich sowie der Weimarer Republik haben Männer aus althessischen Ritterfamilien wichtige administrative Ämter bekleidet – nicht zuletzt als Landräte. Exemplarisch portraitiert werden in diesem Buch Ludwig von Buttlar, Georg Riedesel Freiherr zu Eisenbach und Gottfried Rabe von Pappenheim.
Mit Rainer Sander ist ein bisschen nh24 dabei…
Auch heute gibt es in ganz Nordhessen noch vielfältige Möglichkeiten, um sich auf die Spuren der althessischen Ritter zu begeben. Viele Familien der Althessischen Ritterschaft sind als Gutsbesitzer in der Land- und Forstwirtschaft und neuerdings auch im Tourismus tätig. Beispiele dafür sind Schloss Berlepsch, die Tannenburg und die Burg Herzberg, zu der in diesem Sommer zum 50. Mal das Burg-Herzberg-Festival tausende Besucher anlockte. Ein Bereich den nh24-Redakteur Rainer Sander beigesteuert hat.
Auch die Gemeinde Kaufungen nutzt das Stift der Althessischen Ritterschaft im Rahmen ihres Kulturkonzepts. Die Kaufunger Konzerte, der Stiftssommer und die Stiftsweihnacht bereichern die regionale Kulturlandschaft. So gehört auch Kaufungens Bürgermeister Arnim Roß zu den Autoren.
Allen diesen Themen sind reich bebilderte Beiträge von Prof. Dr. Ingrid Baumgärtner, Martin Burischek, Dorothea Fellinger, Dr. Volker Knöppel, Burkhard von Pappenheim, Dr. Christian Presche, Arnim Roß, Rainer Sander, Dr. Udo Schlitzberger, Freiherr Hauprecht Schenck zu Schweinsberg, Johannes Schwidurski, Dr. Friedrich Freiherr Waitz von Eschen, Christian Wachter und Karl Waldeck gewidmet.
Bibliografische Angaben
Die Althessische Ritterschaft und das Stift Kaufungen – Udo Schlitzberger (Hg.), 168 Seiten, ISBN 978-3-933617-72-9, Euro 20,00 euregioverlag 2018, Band 40 in der Reihe „Die Region trifft sich, die Region erinnert sich“ der Kasseler Sparkasse. (rs)
Das Bild: Bei der Vorstellung des Buches im Rittersaal des Kaufunger Stiftes von links: Henn-Wolfram Riedesel Freiherr zu Eisenbach, Dr. Udo Schlitzberger, Renate Matthei, Ingo Buchholz – im Hintergrund das Fensterbild mit Klostergründerin Kunigunde