GUDENSBERG. Es geht Schlag auf Schlag, die Pointen sitzen, sie kommen trocken, oft unvermittelt und pausenlos. Aber es findet sich keine Spur von Plattitüden und dummen Witzen. Irgendwie ist alles real, mitten im Leben, nur mächtig komprimiert und die Gemeinplätze, die tägliche Trauer um das triste Dasein und das Jammern der Krokodilstränen sind einfach rausgepresst.
Was übrig bleibt, ist ein Konzentrat an Situationskomik, die selbst dann komisch ist, wenn es eigentlich nichts zum Lachen gibt. Die Distel war in Gudensberg. Eines der ältesten deutschen Kabaretts. Zwei Musiker, drei Kabarettisten, alles Komiker im besten Wortsinn.
Sie sind auf dem Jakobsweg. Das ist modern und bewegt sich zwischen „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“ und „das Wandern ist des Müllers Lust“. „Ich möchte mich hier selbst finden, ich bin 43 und auf der Suche nach mir selbst…“ Früher haben die Leute auf dem Jakobsweg Gott gesucht. Heute suchen sie auch noch sich selbst. Und sofort stehen so schwierige Fragen im Raum wie, „Ist dein Ich das Du, das Du sein willst?“ und verblüffend einfache Antworten, wie: „Ich bin der Dirk!“ Also zusammengefasst: „Das Ziel ist im Weg!“
Licht aus und „Buh“ sagen!
Die Pilger sinnieren über 12 Jahre real existierenden Merkelismus. Wer kommt dann? Sarah Wagenknecht wäre die erste Bundekanzlerin, die einen Oskar hat. Aber Mutti ist doch ne Bank… Kommt jetzt die Angst vor der Veränderung? „Die Deutschen sind Weltmeister im Angst haben“. Klar! Bei Kim Jon Un soll es Pläne für einen Sieg gegen Deutschland geben: Das Licht ausmachen und „Buh!“ sagen!
Hilft eine höhere Macht auf dem Jakobsweg? Kaum: „Das Auto verdrängt die Kutsche, Apple verdrängt Gott“. Selftracking ist Thema. Per App. Damit das Leben richtig gelebt wird? Apropos Leben und Gott: „Wieviel Tiere von jeder Art hat Moses mit auf die Arche genommen?“ „Es war Noah…“ Komplizierte Fragen für einfache Antworten.
Ratgeber benötigt
Wir können heute nicht mehr selbst entscheiden. Wir brauchen für alles einen Ratgeber! Wer jeden Tag eine Stunde joggt, lebt zwei Jahre länger. Dafür joggt er aber auch vier Jahre seines Lebens. Stimmt! Und wer jedes Jahr eine Stunde die Distel sieht, braucht keine Ratgeber und lebt auch ohne Selftracking nicht ungesünder. Mit der Distel sieht man eben besser… (rs)