Wenn einige daran Schuld sind, dass es allen schlecht geht
GUDENSBERG. Dass Gudensberg, wie es die örtliche NSDAP-Parteileitung schon einige Monate vor der Reichs-Pogromnacht am 9. November 1938 melden konnte, „judenfrei“ gewesen ist, bedeutete nichts anderes, als dass 128 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Gudensberg die Stadt verlassen hatten.
Sie waren geflohen oder wurden deportiert und – wenn sie kein rettendes Land aufgenommen hatte – kamen sie in den Konzentrationslagern um.
55 Schicksale sind noch ungeklärt, aber die Stadt Gudensberg, der Heimat- und Geschichtsverein und die Dr.-Georg-August-Zinn-Schule (GAZ) – unter Federführung von Gerd Kühl – arbeiten an der Aufarbeitung der Geschichte. Jedes Jahr findet in der früheren Synagoge – vor den Progromen bereits verkauft und heute Kulturhaus – eine Gedenkfeier statt. Die Jüdische Reformgemeinde der Region Kassel e.V., die Kirchen in Gudensberg und die GAZ gestalten diese gemeinsam. Die Psalmen, die gemeinsam im jüdischen und im christlichen Glauben eine wesentliche Rolle spielen, standen in diesem Jahr im Mittelpunkt. Vorgetragen auf Deutsch von Pfarrer Michael Klippert (Freie Evangelische Gemeinde), gesprochen oder gesungen in Hebräisch von Deborah Tal-Rüttger (Jüdische Gemeinde) entfalten sie eine tragische und zugleich hoffnungsvolle Wirkung.
Woher kommt mir Hilfe? Fragt Psalm 121. So lautet auch das Thema des Nachmittags. „Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!“ So gibt er selbst Antwort. Stefan Schmidt begleitete das Gedenken am Piano und Stadtrat Werner Pilgram führte mit seinen Worten ins Thema. Als die Schülerinnen und Schüler der GAZ für jeden getöteten und verschleppten jüdischen Mitbürger eine Kerze anzündeten, was es still in der alten Synagoge… (rs)