Gudensberg gedenkt der 80. Wiederkehr der Pogromnacht am 9. November 1938
GUDENSBERG. Vor 80 Jahren fanden im gesamten damaligen Deutschen Reich Ausschreitungen gegen jüdische Mitbürger statt. Sie wurden auf offener Straße gedemütigt und misshandelt, ihre Gotteshäuser und Geschäfte zerstört.
Der 9. November 1938 bedeutete allerdings nicht das Ende der Jüdischen Gemeinde Gudensbergs. Die gab es zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr, weil die besonders starke NSDAP-Gruppe zuvor ganze Arbeit geleistet hatte. Schon 1937 wurde die Synagoge geschlossen und bereits im Mai 1938 konnten die Stadt als eine der ersten in Deutschland melden: „Gudensberg ist judenfrei!“
In Gudensberg ist es dennoch Tradition, in einer breit getragenen Gedenkstunde an die reichsweite Pogromnacht vom 9. November 1938 zu erinnern. Auch in diesem Jahr laden die Stadt Gudensberg, die christlichen Kirchen, die Dr.-Georg-August-Zinn-Schule (GAZ) und die Arbeitsgruppe Stolpersteine gemeinsam zu einer Gedenkveranstaltung in das Kulturhaus Synagoge ein.
Gemeinsame Wurzeln der Religionen
Die Gedenkstunde in diesem Jahr knüpft einerseits an die 80. Wiederkehr der Pogrome in zahlreichen deutschen Städten und Gemeinden an, zum anderen stellen die Mitwirkenden die Frage nach den gemeinsamen christlichen und jüdischen Wurzeln. „Woher wird mir Hilfe kommen?“ ist ein Zitat aus dem Psalm 121, der in der christlichen wie auch in der jüdischen Liturgie genutzt wird.
In der Gedenkstunde werden einige Psalmen in der christlichen (deutschen) und in der jüdischen (hebräischen) Fassung gegenübergestellt. Schüler und Schülerinnen der GAZ stellen anschließend ihre Interpretationen vor, die sie im Unterricht erarbeitet haben und die aktuelle Bezüge aufweisen. Anschließend entzünden die Schüler Kerzen, um an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde zu erinnern.
Gedenkstunde 9. November ab 16 Uhr
Von 15:00 bis 16:00 Uhr ist die Dauerausstellung zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Gudensbergs geöffnet. Die Gedenkstunde beginnt um 16:00 Uhr. Alle Einwohner Gudensbergs sind zur Teilnahme an der Gedenkstunde eingeladen. Die zum Kulturhaus umgebaute Synagoge findet sich in der Hintergasse 23 in Gudensberg.
Hintergrund
1938 organisierte das NS-Regime im Gebiet des damaligen deutschen Reichs gegen die jüdische Bevölkerung gerichtete Pogrome und inszenierte sie als spontanen Ausbruch des „Volkszornes“. In der Nacht vom 9. auf den 10. November und in den Tagen danach wurden über 400 jüdische Bürger ermordet oder in den Selbstmord getrieben, 1.400 Synagogen, Betstuben und Versammlungsräume sowie zahllose Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Lange Zeit blieben diese schrecklichen Ereignisse unter dem von den Nazis erdachten Namen der „Reichskristallnacht“ in Erinnerung.
In Gudensberg wurden viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde deportiert und in Konzentrationslagern vom NS-Regime umgebracht. Vor allem in den ersten Jahren der NS-Zeit versuchten viele jüdische Bürger, ihr Leben durch Flucht zu retten. (pm | rs)
1 Kommentar
Eine ewige Schande, die dennoch verblasst, je weiter sie zurück liegt.
Wer keine Eltern und Großeltern hatte, die damals lebten, wird schon keinen direkten Bezug mehr spüren.
Diesen Menschen kann man jedoch die Notwendigkeit zum Gedenken und die Pflicht zu verhindern, daß »so etwas« je wieder passiert, mit Hinweis auf ihr Deutschsein nahe bringen. Wer stolz auf sein Land ist, muss auch die dunklen Kapitel lesen und seine Lehren daraus ziehen.
Wer keine deutschen Wurzeln hat, wird jedoch überhaupt keinen emotionalen Bezug zu den Verbrechen der Deutschen in der Nazizeit entwickeln (können). Es sind ja nicht seine Vorfahren, die damals lebten und handelten.
Traurig, aber normal.
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