LAUTERBACH. Die beiden Schmerztherapeuten Dr. Norbert Sehn, Chefarzt Anästhesiologie und Intensivmedizin am Krankenhaus Eichhof, und Oberärztin Anett Helbig widmeten sich in ihrem gemeinsamen Vortrag im Rahmen von „Treffpunkt Gesundheit“ den Möglichkeiten und Fallstricken moderner Schmerztherapien und erläuterten den sinnvollen Umgang mit Medikamenten, wie z. B. bei Operationen, Rückenschmerzen und Krebserkrankungen.
17 % aller in Deutschland lebenden Menschen leiden an chronischen Schmerzen, nahezu jeder zweite Bundesbürger kennt heftige Beschwerden. Schmerzmittel sind dabei oft nur ein Hilfsmittel, die vorübergehend Linderung bringen können, sagen die beiden Fachleute. Die eigenen Kräfte zu mobilisieren und das Erlernen geeigneter Verhaltensweisen seien das Gebot der Stunde.
Bei akuten Schmerzen können Schmerzmittel den Alltag erleichtern, Bewegungsübungen ermöglichen oder nach Operationen das freie Durchatmen sichern. Eine häufige Einnahme von Schmerzmitteln ist allerdings oft schädlich und alternative Strategien sind gefragt.
„Wir unterscheiden zwischen Schmerzen, die durch eine Gewebsschädigung entstehen und Schmerzen, die als Folge einer Schädigung oder Erkrankung der Nervenstrukturen selbst auftreten, den sogenannten neuropathischen Schmerzen“, erklärt Chefarzt Dr. Sehn. Die Behandlung dieser Schmerzarten ist völlig unterschiedlich.
Welche Präparate sich auf dem Markt befinden, die Unterschiede zwischen den teils frei verkäuflichen Analgetika, wie Ibuprofen, Diclofenac, Novaminsulfon oder Paracetamol, und rezeptpflichtigen opiathaltigen Schmerzmitteln, die häufig bei Tumorerkrankten oder in der Palliativmedizin, aber auch bei allen sehr starken Schmerzen anderer Ursache eingesetzt würden – all diese Themen fanden sich im Vortrag wieder. „Für Menschen mit Magen- und Herzerkrankungen oder bei Einschränkungen der Nierenfunktion sind Ibuprofen und Diclofenac ein Tabu“, warnte Dr. Sehn. Medizinisch indizierten Verordnungen würde immer eine Abwägung des Für und Wider durch den behandelnden Arzt vorausgehen. In der Eigenverantwortung jedes Einzelnen sollte diese Herangehensweise nicht anders sein.
Anett Helbig widmete sich ausführlich der Schmerzeinschätzung, welche Unterschiede es in der Wahrnehmung gibt und wie bedeutsam eine Schmerzanamnese ist. Sie ging in ihrem Vortrag am Beispiel des Rückenschmerzes darauf ein, wie wichtig eine Selbsteinschätzung mittels Analogskala sein kann. „Die subjektive Wahrnehmung von schwach bis unerträglich kann Aufschluss darüber geben, in welcher Situation graduelle Unterschiede zu erkennen sind“, sagt die Oberärztin. Diese Methode helfe dem Arzt, eine individuelle Therapie zu entwickeln. Es sei unverzichtbar, dass Patienten mitarbeiteten, um wieder in Bewegung zu kommen.
Gemeinsam sei bei allen chronischen Verläufen, zu denen neben Gelenkschmerzen auch Kopf-, Nerven- oder Tumorschmerzen gehören, die ganzheitliche Betrachtung. „Die psychologische Komponente bei dauerhaften Leiden ist besonders wichtig, um dem sozialen Rückzug, Mobilitäts- und Funktionseinschränkungen, Stimmungsschwankungen oder Depressionen vorzubeugen“, erklären die beiden Ärzte. Welche Warnsignale der Körper sendet, wann es höchste Zeit wird, einen Arzt aufzusuchen und welche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten es gibt, all das fand im Vortrag ebenso Beachtung, wie das neuartige multimodale Verfahren, bei dem Mediziner, Physiotherapeuten und Psychologen gemeinsam im Rahmen einer stationären Aufnahme Patienten umfassend betreuen.
Beispiele aus der Betreuung von Patienten im Rahmen der ambulanten Palliativmedizin Waldhessen am Krankenhaus Eichhof, wann die Verwendung von Opiaten sinnvoll ist und wie die Lebensqualität von Schwerstkranken gesteigert werden kann, rundeten den Vortrag ab. (pm)