KIEL. Beim deutschen Rekordmeister THW Kiel erwischte die MT Melsungen vor 10.285 Zuschauern in der ausverkauften Sparkassen-Arena einen von Anfang bis Ende gebrauchten Tag. Der mündete in eine 37:20 (19:10)-Galavorstellung der Zebras, die sich dabei auf ihren bärenstarken Torhüter Niklas Landin verlassen konnte.
Der Schwede parierte fast die Hälfte aller auf sein Tor abgefeuerten Würfe. Melsungen war zu keinem Zeitpunkt in Reichweite auch nur eines Teilerfolges und vermochte dir Niederlage auch nicht in Grenzen zu halten. Die erfolgreichsten Torschützen der Partien waren Niclas Ekberg mit 8/2 Toren auf Seiten des THW sowie Tobias Reichmann mit fünf Toren, davon ein Siebenmeter, für die MT.
Ohne den immer noch an der Hand verletzten Timm Schneider, dafür mit dem gerade erst um seine Weisheitszähne erleichterten Julius Kühn und mit dem zuletzt noch grippebedingt fehlenden Domagoj Pavlovic auf der Spielmacherposition ging die MT ihre Aufgabe überaus nervös an. Die ersten drei Angriffe liefen ins Leere, Julius Kühn handelte sich nach etwas mehr als drei Minuten gleich eine Zeitstrafe ein und Kiel führte mit 3:0, ohne wirklich viel dafür getan zu haben. Erst als auch Steffen Weinhold eine Strafe kassierte war Tobias Reichmann zum 3:1 erstmals erfolgreich für die Gäste (5.).
Die Nervosität jedoch blieb. Melsungen tat sich schwer gegen die 3:2:1-Deckung der Zebras und fand die Lücken in die Nahwurfzone einfach nicht. Das Ergebnis waren Verlegenheitswürfe wie von Domagoj Pavlovic aus fast zehn Metern oder Fehlpässe, für die sich der THW bedankte und in Person von Nikola Bilyk gleich zweimal innerhalb von nicht einmal 40 Sekunden zuschlug. Kiel führte nach neun Spielminuten mit 6:1 und Heiko Grimm musste schon früh die erste Auszeit nehmen.
Zwar rüttelte das die Nordhessen wach und der nach Magnus Landins 7:1 eingewechselte Johan Sjöstrand parierte sofort seinen ersten Ball, aber die Tore von Tobias Reichmann und Julius Kühn hielten den Abstand nur konstant. Auch die Umstellung auf das Spiel mit einem siebten Feldspieler half nur eingeschränkt. Weil Michael Müller frei an Niklas Landin scheiterte und Domagoj Duvnjak den aufgenommenen Abpraller über das gesamte Feld zum 9:3 ins Netz beförderte (14.).
Mehr Effekt hatte die Umstellung der Abwehr auf 5:1 mit Finn Lemke auf vorgezogener Position. Dadurch musste Kiel zumindest etwas mehr tun für seine Erfolge. Waren sie aber an dieser Hürde vorbei, klingelte es in der Regel wieder. Nikola Bilyk und Lukas Nilsson trafen aus dem Rückraum ebenso wie Magnus Landin über Linksaußen. Während auf der anderen Seite Niklas Landin im Tor einen Ball nach dem anderen entschärfen konnte. Die Folge war fast zwangsläufig Heiko Grimms zweite Auszeit in der ersten Hälfte, nachdem der Rückstand zwischenzeitlich schon auf sieben Treffer angewachsen war (13:7, 23.).
Das Bemühen war sicher da, die Erfolge daraus mehr als überschaubar. Vorn lief einfach nicht viel zusammen, fehlten die zündenden Ideen gegen die offensive Zebra-Deckung und unterliefen reihenweise Fehlabspiele, Schrittfehler sowie völlig unnötige Ballverluste wie von Michael Müller, der sich das Leder von Domagoj Duvnjak einfach aus der Hand nehmen ließ. Natürlich im Spiel sieben gegen sechs, so dass sich Kiels Spielmacher mit dem 18:10 ins leere Tor bedankte, das Steffen Weinhold kurz vor dem Pausenpfiff nach dem nächsten technischen Fehler sogar noch ausbauen konnte.
Weinhold war es auch, der den überfallartig vorgetragenen ersten Angriff nach dem Seitenwechsel nach exakt acht Sekunden mit dem 20:10 abschloss. Auf der anderen Seite fand Domagoj Pavlovic seinen Meister einmal mehr in Niklas Landin, Lukas Nilsson machte kurzen Prozess und erhöhte auf 21:10. Es war einfach kein Kraut gewachsen gegen die Nordlichter an diesem Abend. Daran änderte auch die Hereinnahme von Simon Birkefeldt nichts, obwohl der mit dem 21:11 als erster Melsunger Torschütze des zweiten Durchgangs auf den Plan trat (33.).
In allen Belangen war der Rekordmeister überlegen. Das fing bei Niklas Landin im Tor an, der seine Gegenüber Simic und Sjöstrand in den Schatten stellte, und setzte sich über praktisch jede Feldposition fort. Wie im Training sah es teilweise aus, wenn Nikola Bilyk abzog und der Ball im Toreck einschlug. Fast demütigend spielte Steffen Weinhold seinen Kempa-Pass auf Domagoj Duvnjak zu dessen 27:13 (41.). Da hatte Heiko Grimm bereits seine dritte Auszeit genommen, ohne dass es sichtbar etwas genutzt hätte. Sehenswert war allein der gehaltene Siebenmeter von Nebojsa Simic gegen Niclas Ekberg, dessen Nachwurf Melsungens Schlussmann noch mit dem Kopf abwehrte (42.).
Michael Müller kam zurück für den bis auf sein frühes Tor blass gebliebenen Simon Birkefeldt, Julius Kühn löste auf Halblinks Philipp Müller wieder ab und auf Rechtsaußen kam Dimitri Ignatow für Tobias Reichmann. Auch Johan Sjöstrand kam nach Ekbergs 30:15 (47.) zurück. Auf durchgreifende Änderungen wartete man aus nordhessischer Sicht vergebens. Melsungen spielte lange um letztendlich meistens an Niklas Landin zu scheitern wie Yves Kunkel oder auch Dimitri Ignatow jeweils völlig frei von Außen, Kiel machte alles drei Gänge schneller und kam durch Harald Reinkind aus vollem Lauf in der ersten Welle zum 31:16 (49.).
Nahezu identisch zu Vorausgegangenem war die 52. Spielminute. Yves Kunkel ging im Tempogegenstoß allein in Richtung Landin, warf das Leder gegen den Standfuß des Keepers und im Gegenzug machte erneut Reinkind das 32:17 über die erste Welle. Als dann auch noch erst Julius Kühn und kurz darauf Finn Lemke Strafen kassierten, war wenigstens Johan Sjöstrand auf dem Posten und verhinderte noch Schlimmeres. Allein, es nutzte alles nichts. Kiel zog durch bis zum Schluss und brachte der MT eine ihrer höchsten Niederlagen überhaupt in der Bundesliga bei.
Stimmen zum Spiel
Heiko Grimm: Glückwunsch an den THW zum verdienten Sieg. Wir sind von Anfang an mit der Abwehr von Kiel nicht zurecht gekommen und haben uns davon verunsichern lassen. Ich muss zugeben, dass wir darauf nicht vorbereitet waren, wir hatten eher mit einer 6:0-Deckung gerechnet. Wie der Blackout unserer gesamten Mannschaft zustande kam, kann ich nicht erklären, dazu müsste ich wohl Psychologe sein. Das war ein sehr unangenehmer Abend heute.
Alfred Gislason: Wir standen vor dem Spiel sehr unter Druck. Deswegen war das heute schon eine Überraschung. Unsere Abwehr hat herausragend funktioniert, Landin dahinter war super. Das bringt Selbstvertrauen. Es war eine sehr gute Vorstellung meiner Mannschaft und deshalb kam auch dieses überraschende Ergebnis zustande. Das war eine tolle Leistung, auf die wir jetzt aufbauen können.
Axel Geerken: Glückwunsch an den THW, an Alfred und an Viktor. Es gab heute vermutlich viele in der Halle, die sich sehr gefreut haben. Ich nicht, ich habe mich geschämt. Ich bin überrascht wie wir gespielt haben, aber auch maßlos enttäuscht. Ich habe schon viele Spiele gesehen, aber so etwas wie heute sehr selten. Heute war keiner in der Lage, irgendetwas zu verhindern. Für uns geht es jetzt darum, wie wir mit der Mannschaft umgehen und sie wieder aufbauen, um die nächsten Spiele dann wieder erfolgreicher bestreiten zu können. Diesen Blackout müssen wir schnellstens wieder aus den Köpfen bekommen.
Viktor Szilagyi: Wir sind natürlich alle unheimlich froh. Wir haben einen tollen Abend erleben dürfen. Zwei Sachen möchte ich herausheben: die Mannschaft hat von der ersten bis zur letzten Minute durchgezogen und die Zuschauer waren über das gesamte Spiel voll da. Wir waren spitze heute und immer einen Schritt schneller als der Gegner. Das war ein toller Abend. (pm)
Das nächste Spiel:
So., 07.10.18, 16:00 Uhr: MT Melsungen – Frisch Auf Göppingen, Rothenbach-Halle Kassel