MANNHEIM. 17 Wochen nach dem Husarenstück in der Mannheimer SAP Arena, als die MT Melsungen den Rhein-Neckar-Löwen die Meisterschaft in der DKB Handball-Bundesliga zunichte machte, mussten die Nordhessen eine bittere Revanche über sich ergehen lassen.
Dabei hatte es 13 Minuten lang so ausgesehen, als könnten sie den Favoriten erneut in Bedrängnis bringen. Doch mit einem 4:0-Lauf (von 7:8 auf 11:8) drehten die Hausherren den Spieß um und dominierten mit zunehmendem Spielverlauf ihren Gast immer deutlicher. Der Vier-Tore-Rückstand der MT zur Pause (13:17) wuchs bis zur 41. Minute gar auf 10 Treffer an (16:26). So waren die zu wenig Gegenwehr bietenden Rotweissen am Ende mit dem 26:34 fast noch gut bedient. Beste Torschützen vor 5.866 Zuschauern waren für Melsungen Julius Kühn und Simon Birkefeldt (jeweils 6) und für die Kraichgauer Andy Schmid (8/1). Zeit, die Niederlage zu verarbeiten, bleibt der MT kaum. Denn schon am Sonntag steht mit dem SC DHfK Leipzig der nächste Gegner auf der Matte (16:00 Uhr, Rothenbach-Halle).
Die MT begann mit Sjöstrand im Tor sowie im Angriff mit Kunkel, Kühn, Pavlovic, Michael Müller, Maric und Ignatow. Letztgenannter stand in der Startformation, weil Reichmann kurzfristig wegen eines Infekts passen musste. Das Zentrum der 6:0-Abwehr wurde von Danner und Maric gebildet. Auf Seiten der Gastgeber hingegen gab es mit Ader nfangsaufstellung, bestehend aus Sigurdsson, Fäth, Schmid, Petersson, Groetzki und Kohlbacher, keine Überraschungen – das Tor hütete Ex-MT-Keeper Appelgren.
Nachdem Löwen-Neuzugang Fäth mit einem abgefälschten Wurf glücklich das Spiel eröffnen konnte, hatte Maric im Gegenzug die Gelegenheit auszugleichen. Doch statt eines verdienten Strafwurfes blieb sein regelwidrig gebremster Versuch unbelohnt. Stattdessen gab es auf der anderen Seite einen Siebenmeter, den Sigurdsson zur erneuten Führung nutzte. In der Folge legten die Hausherren jeweils vor und die MT verkürzte oder glich aus.
Im eher defensiv orientierten 6:0-Verbund agierten die Rotweissen konzentriert und effektiv. So wurde der gefährliche Löwen-Rückraum um Ausnahmeregisseur Schmid ziemlich gut in Schach gehalten. Lohn der Anstrengungen war die Führung zum 8:7 nach fast genau 13 gespielten Minuten. Julisu Kühn zeigte sich in Torlaune, hatte schon dreimal eingenetzt und so ganz nebenbei auch Marino Maric, Michael Müller (2), und Yves Kunkel als Schützen “mitgezogen”. So lief bis dahin bei den Hessen alles ziemlich rund – ein Unterschied zwischen Favorit und Aussenseiter war jedenfalls nicht auszumachen.
In einer Abwehrsituation ging Kühn nach Meinung der Referees sein Gegenüber etwas zu heftig an und wurde für zwei Minuten auf die Bank geschickt. Die Überzahl nutzte Schmid zum Ausgleich und Petersson erwirkte nach einem Fehlpass vom inzwischen für Pavlovic gekommenen Mikkelsen mit einem Wurf ins leere MT-Gehäuse die 9:8-Führung (15.).
Als Sjöstrand in Klassemanier einen Ball von Fäth entschärfte, nahm Löwen-Coach Jacobsen ein Timeout. Trotzdem, dass seine Mannen wieder leicht Oberwasser gewonnen hatten, war der Däne nicht zufrieden und machte konkrete Vorgaben in Form von Spielzügen und forderte, verstärkt auf Kühn zu achten. Und auch wenn der Vizemeister fortan mit jeweils ein bis zwei Toren nach vorn ging, hatte die MT weiterhin oft gute Lösungen im Angriff parat.
Was sich jedoch ändern sollte. Johan Sjöstrand war zwar noch mehrere Male auf dem Posten, konnte aber nicht alles verhindern. Nach dem Fäth-Treffer zum 13:10 legte Heiko Grimm die Grüner Karte, um anzusagen dass er nun wieder auf die Anfangsformation zurück gehen werde. Die zwischenzeitlichen Einwechslungen hatten in der Tat nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Leider erlangte dann auch die Erstbesetzung ihre Konzentration nicht wieder und so musste sich die MT mit einem Vier-Tore-Rückstand zur Pause begnügen.
Das Geschehen der zweiten Halbzeit ist schnell wiedergegeben. Statt des aus MT-Sicht erhofften Umschwungs gerieten Kühn & Co immer weiter in den Abwärtsstrudel. Dinge, die über weite Strecken in der ersten Hälfte gut funktioniert hatten (effektive Abwehr, konzentrierte Angriffe mit guten Abschlüssen) wurden fast abrupt weniger. Es hatte gar den Anschein, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Die Defensive zerbröselte, vorne häuften sich technische Fehler und Fehlwürfe. Auf der anderen Seite lief es bei den Löwen immer geschmierter. Fäth, Schmid, Petersson, Kohlbacher und Siggurdsson als Strafwurfschütze hielten das Heft des Handelns fest in ihren Händen.
Nach dem 20:14 nahm Heiko Grimm ein Timeout. Dabei war selbst über die TV-Mikrofone noch deutlich zu vernehmen, wie aufgebracht und wütend der MT Coach war. Und das angesichts der Spielweise seiner Mannschaft völlig zu Recht: “Wir spielen gegen die Rhein-Neckar Löwen, aber haben keine Körpersprache, keinen Zug zum Tor!”
Allein der Umschwung wollte seinen Schützlingen anschließend einfach nicht mehr gelingen. Immer mehr schwammen ihnen die Felle davon, sie wurden ab und an sogar düpiert. Wie etwa mit einem Einwurf von der Spielfeldecke quer durch den Torraum zu Kohlbacher, der den Pass dankbar annahm und verwertete. Die SKY-Kommentatoren Markus Götz und Martin Schwalb befanden: “Die Abwehr ist viel zu passiv, die MT wehrt sich ja kaum noch”. Da nützte auch deren Umstellung auf eine 5:1-Formation mit Finn Lemke als Vorposten nichts mehr. Der Gegner indes zog beinahe unbeirrt seine Kreise.
In der 42. Minute, Andy Schmid hatte sein Farben gerade zu einer Zehn-Tore-Führung verholfen, nahm der MT-Coach eine letzte Auszeit, versuchte die Spieler nochmal bei der Ehre zu packen. Die aber fanden fortan kaum noch Mittel und Wege, das drohende Dilemma einzudämmen. Fehlwürfe und technische Fehler dominierten weiterhin das Spiel der MT. Einzig Simon Birkefeldt fasste sich ein ums andere Mal im Angriff ein Herz und nutzte jede der Unachtsamkeiten in der Löwen-Hintermannschaft, um zuzuschlagen. Binnen zwölf Minuten machte er aus sieben Chancen sechs Tore und verhinderte damit eine noch deutlicher als die 26:34-Niederlage,
Stimmen zum Spiel:
Heiko Grimm: In der ersten Halbzeit haben wir uns an unseren Plan gehalten und hatten auch den Glauben an uns. Aber in der zweiten Hälfte haben wir uns hängen lassen. Nach dem Vier-Tore-Rückstand zur Pause hatten wir uns vorgenommen, nach Wiederanpfiff auf zunächst zwei zu verkürzen und dadurch den Gegner wieder in Bedrängnis zu bringen. Das ist uns bekanntlich nicht gelungen. Wir hatten stattdessen Fehlversuche und haben kaum einmal Zweikämpfe gewonnen. Warum das so war, ist jetzt kurz nach dem Abpfiff noch nicht zu erklären. Wir werden dieses Spiel intensiv besprechen müssen.
Axel Geerken: Die Mannschaft hat gut in das Spiel hineingefunden und vieles von dem umgesetzt, was sie sich vorgenommen hatte. Dass dann ein Einbruch erfolgte, war so nicht zu erwarten. In der zweiten Halbzeit gab es leider kaum noch Gegenwehr, die Mannschaft hat sich sozusagen ergeben. Wie man es dreht und wendet, es war von allem, was gezeigt wurde, viel zu wenig. Man kann gegen die Rhein-Neckar Löwen verlieren, aber nicht auf diese Art und Weise. Einziger Lichtblick in der zweiten Hälfte war Simon Birkefeldt mit einigen guten Torwurfszenen. (pm)