SCHWALMSTADT-TREYSA. Schwalmstadts Bürgermeister Stefan Pinhard, der Hugenotten- und Waldenserpfad e.V. , der Hugenotten- und Geschichtsverein Frankenhain e.V. und der Stadtgeschichtliche Arbeitskreis Schwalmstadt e.V. haben zahlreiche Besucher zur Eröffnung des nachgebauten hölzernen Treidelkahns in Treysa begrüßt.
Das ab sofort an der Kreuzung Walkmühlenweg / Sachsenhäuser Straße zugängliche Modell greift die ehrgeizigen Pläne des Landgrafen Carl von Hessen-Kassel auf, der mit der Verfolgung eines Binnenkanalbaus durch Hessen bis an den Rhein europäische Ideen entwickelte. Ein heute kaum noch bekanntes Planungsvorhaben! Der Kanal wurde jedoch nie vollendet – heute verkörpert die durch Treysa in Richtung der Hugenottenkolonie Frankenhain ziehende Europarat-Kulturroute „Hugenotten- und Waldenserpfad“ die Europa-Idee. Sie verbindet als markierter Wanderweg über 2.000 km die einstige Heimat der Glaubensflüchtlinge Hugenotten und Waldenser in Südfrankreich und Norditalien mit ihren Siedlungsgebieten in Baden-Württemberg und Hessen. Der Treidelkahn wertet zudem den bisherigen Standort auf. Die gärtnerischen Arbeiten führte der städtische Bauhof aus. Der Bau des Treidelkahn wurde vom Verein Hugenotten- und Waldenserpfad e.V. beauftragt.
Historischer Hintergrund:
Landgraf Carl von Hessen-Kassel hatte zur Beflügelung des wirtschaftlichen Aufschwungs in seinem Land ehrgeizige Pläne. Eine Planung sah unter anderen vor, zur Verbesserung des Güterverkehrs einen Schifffahrtsweg in Form eines Treidel-Kanals zwischen Weser und Lahn zu bauen. Auf solchen Treidel-Kanälen wurden die Schiffe vom Ufer auf „Treidelpfaden“ von Menschen, Ochsen oder Pferden aus stromaufwärts gezogen.
Der Hugenotte Denis Papin, Physikprofessor an der Universität Marburg, unterstützte ihn mit seiner Erfindung der Doppelkammerschleuse zur Überwindung der Wasserscheiden. Landgraf Carl begann 1710 mit dem ehrgeizigen Kanalbauprojekt in der Hugenottenstadt Bad Karlshafen. Der Kanal sollte bis nach Marburg verlaufen, von da ab sollten die Schiffe lahnabwärts zum Rhein fahren. Letztlich verfolgte Landgraf Carl damit ein Vorhaben von europäischer Bedeutung – ein Schifffahrts-Bindeglied und zollfreier Warenverkehr von Nord- nach Südhessen. Die Kanalbauarbeiten endeten 1729 und erreichten beinahe Hofgeismar. Landgraf Carl starb 1730, sein Werk wurde aus Kosten- und Technikgründen nicht fortgesetzt, die Schifffahrt eingestellt.
Die Baupläne zeigen uns aber, wohin ihre Realisierung hätte führen können: Vor Treysa wäre ein Hafenumschlagplatz entstanden, und zur Überwindung der Rhein-Weser-Wasserscheide wären zwischen Mengsberg und Hatzbach ein Kanaltunnel von ca. 20 m Tiefe und Schleusenbauten notwendig geworden!
Zur Erinnerung an die für die damalige Zeit außergewöhnlichen, weitreichenden Planungen des Landgraf Carl sollen an vier Standorten (Bad Karlshafen, Hofgeismar, Treysa, Rauschenberg) am realen bzw. imaginären Kanalverlauf Treidelkahn-Nachbauten aufgestellt werden. Die Treidelkähne sind das Ergebnis eines Kultur- und Kunstprojekts, dass der Hugenotten- und Waldenserpfad e.V. mit verschiedenen lokalen Partnern als Beitrag zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 durchgeführt hat.
Hugenotten- und Waldenserpfad:
Der Hugenotten- und Waldenserpfad ist eine vom Europarat anerkannte europäische Kulturroute. Die Flucht der Hugenotten und Waldenser sowie die dabei von ihnen gewählte Route war Ausgangspunkt für die Etablierung des Fernwanderwegs. Die Länder Frankreich, Italien, die Schweiz und Deutschland entwickelten gemeinsam den Streckenverlauf des rund 1.800 Kilometer langen Kulturfernwanderwegs, der dem belegten, realen historischen Fluchtweg der Hugenotten aus der Dauphiné von Poët-Laval bis Bad Karlshafen folgt. Kurz vor der französisch-schweizerischen Grenze vereinigt sich der Exilweg der Waldenser mit dem Weg der Hugenotten. Er rückt das Kulturerbe der Glaubensflüchtlinge ins Bewusstsein – nicht nur für Wanderer, die durch ihr langsames Voranschreiten auf besondere Weise die Flucht nachempfinden können. (pm/gr)
2 Kommentare
An und für sich eine schöne Idee und handwerklich auch sauber gearbeitet. Leider beschleicht mich das ungute Gefühl, dass sich die soziale Unterschicht Treysas (JA! Die Jungs und Mädelchens vom Parkhaus, Treppenstraße, Parkdeck Schwalm-Galerie, Raststelle Igelsheide, usw.), dem ganzen schon sehr bald annehmen wird. Vermutlich wird das ganze anschließend als Kulturerbe „Ruine eines Treidelkahns um August 2018“ vermarktet werden.
Schade um das schöne Geld…
Hoffentlich bleibt der Platz für die Randalierer unattraktiv….
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