MARBURG | KIRCHHAIN | MÜNCHHAUSEN. Die elften Kunsttage des Landkreises Marburg-Biedenkopf gingen am 19. August 2018 im Marburger Landgrafenschloss mit der Veröffentlichung der diesjährigen Preisträger zu Ende. Über 200 Besucher fanden nochmals den Weg zur Schlussveranstaltung des Kunstevents. Für die passend musikalische Umrahmung sorgte die Gruppe „Liquid Move“.
„Es waren erfolgreiche und harmonisch verlaufende Kunsttage mit einer erneut sehr guten Kooperation mit der Philipps-Universität Marburg“, sagte der Kulturreferent des Landkreises, Dr. Markus Morr. Insgesamt wurden 2.500 Besucherinnen und Besucher der Ausstellung gezählt. Im Rahmen der Finissage wurden auch die Jurypreisträgerin und der Publikumspreisträger bekanntgegeben.
Überzeugt hat die siebenköpfige Jury Liesel Haber aus Kirchhain. Die Jurymitglieder Waltraud Mechsner-Spangenberg, Elisabeth Sabo, Kathrin Brömse, Mascha Justus-Willershausen, Andreas Maria Schäfer, Dr. Christoph Otterbeck und Dr. Markus Morr würdigten ihre Arbeit „Miniaturen I“ einstimmig mit dem mit 1.000 Euro dotierten Jurypreis.
Maßgeblich für die Entscheidung der Jury waren insbesondere die qualitativ herausragende Ausführung des ausgewählten Werks und die Umsetzung des diesjährigen Mottos „Innen & Aussen“. Das Werk setzte „in einer Zeit des Aktionismus, des Auffallen-Wollens, auch der Lautstärke sowie des Plakativen“ einen Gegenentwurf, heißt es in der Begründung der Jury. Es sei einerseits eher leise, klein und zurückhaltend, aber andererseits auch stark, vielfältig und erfordere Aufmerksamkeit. „Hier wird Inneres der Künstlerin nach außen gegeben und Äußeres nach Innen auf die Buchseiten geholt“, setzt die Begründung fort.
Der mit 500 Euro dotierte Publikumspreis ging an Manuel Paulus aus Münchhausen für seine Fotoarbeit „Lost Places“. Sehr knapp dahinter platzierte sich Hans Schohl aus Kirchhain mit seinen „Himmelskisten“ auf den zweiten Platz. Der dritte Platz ging an Bodo Langner aus Marburg für seine Fotografie „Kleine Welt“. Insgesamt wurden 1.176 Stimmkarten abgegeben.
Die Geldpreise sowohl für den Jury- als auch für den Publikumspreis finanzieren sich aus den Anmeldegebühren der Bewerbungen für die Kunsttage. Zudem unterstützen die Sparkasse Marburg-Biedenkopf, die EAM sowie die Firma Begro die Veranstaltung. Die nächsten Kunsttage sind für 2020 geplant, das Motto im kommenden Jahr von einer dann wieder neu zusammengesetzten Jury erarbeitet.
Hintergrund / Begründung der Jury
„Da ein Kunstwerk auch immer im Dialog mit dem Zeitgeist steht, setzt das Werk „Miniaturen I“ der Künstlerin Liesel Haber in den Augen der Jury genau das besonders qualitätsvoll um. In einer Zeit des Aktionismus, des Auffallen-Wollens, auch der Lautstärke sowie des Plakativen, wird mit dieser Arbeit ein Gegen-Zeichen gesetzt.
Die Arbeit ist einerseits eher leise, klein und zurückhaltend, aber sie ist andererseits stark, vielfältig und erfordert Aufmerksamkeit. Man muss sich Zeit nehmen, um diese Collage zu erleben, sie ist nicht durch Vorbeigehen oder im modernen Sinne durch Wegwischen zu erfassen. Das Leporello ist kein Druck, obwohl man das vielleicht zuerst vermuten könnte, sondern filigran, mit verschiedenen Techniken gestaltet und äußerst sorgfältig ausgeführt.
Fast alle Seiten sind künstlerisch miteinander verbunden. Die Pflanzen, Tiere, ein Bild von Charles Darwin, Formen, Zeichen, Schriftstücke und Flächen wechseln sich ab und regen zum Nachdenken an. Es gibt vieles zu entdecken: von geordneten Zeichen, die Löwenzahnpollen ähneln, über Buchstabenkombinationen, Historischem, Abstraktem bis hin zum „ICH“ finden sich sowohl persönliche Aussagen als auch Äußerliches, Unbestimmtes. Hier wird Inneres der Künstlerin nach außen gegeben und Äußeres nach Innen auf die Buchseiten geholt.
Da die Collage in Buchform gestaltet ist, gibt es ergänzend zu dem inhaltlichen „Innen & Aussen“ zudem in der Ausführung mit dem Buchdeckel ein klares sichtbares „Außen“ und ein klares „Innen“ für die Innenseiten.
Auch die allgemeine Bedeutung von Büchern, des „Sich-Zeit-Nehmens“ für das Lesen und Interpretieren steckt in der Arbeit und ist damit ebenfalls ein Kontrapunkt zu Fake-News im Internet oder in den Sozialen Medien. Die Miniaturen verweisen damit außerdem auf die alte Technik der Buchkunst, welche heute unterzugehen droht. Diese erscheinen aber in moderner Ausprägung und setzen somit auch ein deutliches Zeichen gegen die enorme Zunahme des modernen E-Books.
Die siebenköpfige Jury hat sich von der Qualität dieser Arbeit und der künstlerischen Umsetzung so beeindruckt gezeigt, dass sie durch eine einstimmige Entscheidung die Arbeit „Miniaturen I“ von Liesel Haber mit dem diesjährigen Jurypreis der Kunsttage Marburg-Biedenkopf 2018 würdigt.“ (pm)