SCHWALMSTADT. Die lautesten Marktschreier und schön klingenden Rattenfänger haben wieder Konjunktur, wenn auch nicht mit billigen Bananen und Töpfen oder süßen Tönen. Heute geht‘s um brachiale Worte über Menschen und süße Versprechen von rosiger Zukunft mit alten Werten.
Früher gab es Helden wie Siegfried, der Drachen besiegte, Störtebeker, der es auf See mit jedem aufnahm, Robin Hood, der den Schwachen half, Typen wie Supermann, die Menschenleben retteten, Trümmerfrauen, die ein zerstörtes Land aufräumten oder George Washington, der unter größten Schwierigkeiten aus einer Multikulti-Einwanderer Truppe mit Millionen von Wirtschaftsflüchtlingen eine stolze Nation formte. Die neuen Helden lassen Menschen auf See ertrinken, zünden Asylheime an, nehmen Flüchtlingen die Sozialhilfe weg und jammern über Veränderungen und Bedrohungen.
Jetzt kommt Steve Bannon nach Deutschland, weil nur eine schwache oder besser noch gar keine EU für Amerika gut ist und möchte die Marktschreier und Rattenfänger unterstützen. Ich hätte da eine tolle Idee. Viktor Orban und seine Wahl sind für viele ein leuchtendes Vorbild, genauso, wie die Brexit-treuen Briten. Übernehmen wir doch ein bisschen ungarische Demokratie!
Man kann das Wahlsystem in Ungarn natürlich als undemokratisch verteufeln, weil es die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse ignoriert. Aber dann müsste man die Wahlsysteme in Großbritannien, den USA und Frankreich noch viel undemokratischer finden. Dort werden alle Abgeordneten direkt gewählt, Parteilisten gibt es nicht. In Ungarn werden etwas mehr als die Hälfte der Abgeordneten direkt gewählt und etwas weniger als die Hälfte nach Listen. Aber der Vorsprung der siegreichen Einzelkandidaten, auf den jeweils Zweitplatzierten wird seiner Liste zugeschlagen. Die tatsächliche Stimmverteilung spielt am Ende tatsächlich keine Rolle, es gibt auch keine „Überhang- beziehungsweise Ausgleichtsmandate“, wie bei uns, nach der Stimmproportion.
Würden wir das Ungarische Wahlsystem auf das Ergebnis der letzten Bundestagswahl übertragen, hätte das einen gewissen Charme. Der Bundestag hätte vermutlich nur noch 474 Abgeordnete und davon kämen dann 245, also 51,7% von der CDU. Mit hochgerechnet 7 Sitzen mehr als der absoluten Mehrheit könnte Angela Merkel also ohne die SPD (hochgerechnet 98 Sitze/20,6%) und vor allem auch ohne die CSU (72 Sitze/15,1%) regieren. Stabile Verhältnisse wie in Ungarn, denn zusammen hätte die Union circa 66,8%, also genau die 2/3-Mehrheit, um das Grundgesetz völlig allein ändern zu können. Für die SPD würde sich gar nichts ändern, sie stellt auch aktuell gut 20% der Abgeordneten.
Nach britischen Wahlrecht würde die Union mit ihren zurzeit 231 direkt gewählten Abgeordneten aus 299 Wahlkreisen sogar in einer bequemen 77%-Mehrheit der Sitze regieren. Wie einst im Osten die SED, nur demokratisch gewählt. Die FDP gäbe es dann nicht im Bundestag, die Grünen hätten 1 Sitz (0,3%), die AfD 3 (1%) und die LINKE 5 Sitze (1,67%).
Zurück zum ungarischen Wahlrecht: danach hätte die AfD nur noch 20 Sitze und würde 4,2% aller Abgeordneten stellen. Die LINKEN würden von 5 Direktmandaten profitieren, die Grünen hätten mit wohl 8 Abgeordneten nur noch 1,7% der Mandate.
Also, wer die Wahl von Viktor Orban demokratischer als die Bundestagswahl oder den demokratischen EU-Austritt Großbritanniens nachahmenswert findet, könnte doch damit anfangen, auch bei uns vehement diese demokratischen Systeme einzufordern: Es würde definitiv die Verhältnisse stabilisieren…
Ihr
Rainer Sander
3 Kommentare
> „Aber dann müsste man die Wahlsysteme in Großbritannien, den USA und Frankreich noch viel undemokratischer finden. Dort werden alle Abgeordneten direkt gewählt, Parteilisten gibt es nicht.“ <
.
Wieso sollte man das als Bürger, dem dann sein/e gewählte Abgeordnete/r verpflichtet ist, dies undemokratisch finden?
Genau das exakte Gegenteil ist der Fall und gut für uns, wenn die Hinterzimmerkungelei um Macht, Pfründe und hoch dotierte Posten den Parteien genommen, dem Bürger gegeben wird!!!
In allen drei erwähnten Ländern gibt es Parteien, die ihre Kandidaten in die Wahl schicken. In den USA gibt es einen Kandidaten für einen Wahlbezirk, der größer ist als bei uns, weil weniger Menschen in der Fläche wohnen, dort treten immer ein Republikaner gegen einen Demokraten oder/und Kandidaten anderer Wahlvereine an. Das Ergebnis ist wie hier, ein Kandidat/in wird direkt gewählt. das ist un Frankreich und GB ähnlich überall dort stellen Parteien Kandidaten auf On Konservative France National oder Sozialist und Marcon Kandidaten ohne Partei haben selten eine Chance. In England gibt es bekanntlich auch Parteien da wird auch gekungelt, wie kämen sonst Gesetze zustande für die die Regierung keine eigene Mehrheit hat. In den USA ist fast jeder Politiker Lobbyist, er muss versuchen genug Spenden zu sammeln um den Gegenkandidaten auszustechen. da entstehen Abhängigkeiten, wie bei Trump und Clinton.
Die Sache scheint mir nicht ganz zu Ende gedacht. Rein rechnerisch mögen die Werte korrekt sein, aber spielt das Wahlvolk auch mit? Hätten wir bspw. ein reines Mehrheitswahlrecht, wer sagt Ihnen denn, daß die Wähler ihre Stimme genauso abgegeben hätten wie sie es in unserem derzeitigen Wahlsystem getan haben? Und wer vermag zu beurteilen, wie Bundestagskandidaten sich im Kampf um Mandate positionieren, wenn sie durch keinen Listenplatz abgesichert sind? Sie müßten sich dann viel eher an ihren Aussagen messen lassen, also keine Wiederwahl bei zu vollmundigen Versprechen. Und keine Partei, die dann hilft.
War da nicht eher der Wunsch der Vater des Gedanken?
Kommentare wurden geschlossen.