Zweiter Rock am Stück-Tag mit Unantasbar und Accept
FRITZLAR. Was gesund ist, muss nicht auch gut schmecken. Wer mit dem Wasser des Sauerbrunnens, ganz in der Nähe der Festival-Location unter dem Lohrberg an der Papiermühle gelegen, schon mal eine Trinkkur gemacht hat, weiß definitiv, was damit gemeint ist.
Mit Heavy Metal ist das bisweilen sehr ähnlich. Es klingt nicht für alle Ohren gleichermaßen gut und gesund, was Doro, Goitzsche Front, Iced Earth, Combichrist oder Accept so spielen. Man muss das schon mögen! Aber wenn man es denn mag, dann macht es gute Laune! Wer gute Laune hat, ist schließlich auch glücklich und glückliche Menschen sind natürlich kerngesund. Mit dem Konzert von Accept ging am Samstagabend die viertägige „Metal-Kur“ in Geismar zu Ende.
Für manche in den Campgrounds rund um das Festivalgelände war es tatsächlich auch eine Trinkkur – je nach Vorliebe: Jack Daniels oder Licher helfen gelegentlich zum Glück, wenn auch nur vorübergehend. Wer dauerhaft glücklich sein und gesund bleiben will, zieht sich eine schwarze Kutte an, darauf stehen Namen die AC DC, Judas Priest, Iron Maiden oder Metallica und verschreibt sein Leben dem stahlharten Sound. So handhaben das Michael Döring und Torsten Schmidt schon seit sie denken können und seit 10 Jahren sorgen sie dafür, dass die Region von der Medizin etwas abbekommt. Das 10. Rock am Stück war denn auch das größte bisher. Mit zwei Headlinern aus Deutschland, die sich sehen und vor allem hören lassen können.
Ein eigenes Universum
Je schneller und lauter, desto größer wird die Distanz zum Alltäglichen – und zum Alltag. Der Trick funktioniert und so ist ein Metal-Festival immer ein kleines, eigenes Universum. 3.600 „Kurgäste“ fanden am Freitag den Weg nach Geismar, 4.000 waren es dann am Samstagabend, so die offiziellen Zahlen. 7.600 Glückselige kehrten gestern und heute heim in ihren Alltag. Mit ordentlich Energie für Monate aufgeladen.
Auch wer glaubt, Heavy Metal nicht zu mögen: Live ist das völlig anders! Es reißt gewaltig mit und keine andere Musik treibt so mächtig an… Ein paar „verirrte“ – zu erkennen an bunten Blusen oder blauen Hemden – waren aus Neugierde gekommen. „Wenn schon mal was los ist und zu diesem Preis, dann gehen wir da hin!“ War zu hören. Und irgendwie gab’s auch bei diesen „Testbesuchern“ glückliche Gesichter und hoch gereckt Fäuste. Im nächsten Jahr wird man sie wiedersehen – im schwarzen Dress und mit Metal-Fork oder auch Pommesgabel oder Teufelsgruß genannt. Der Metal-Gruß mit gestrecktem Zeige- und Kleinem Finger, bei gleichzeitig eingerolltem Ring- und Mittelfinger.
Besuch aus dem Punk-Universum
Am frühen Samstagabend (Nach RAS-Zeit) durfte auch der Mittelfinger gestreckt und alle anderen Finger angelegt werden. Dafür werden zwar Spitzenköche, die keinen Spaß verstehen, gerügt und müssen Fußballer Turniere verlassen, im Punk zählt das hingegen als nette, vereinende Geste. Mit Unantastbar hatte sich eine Punk-Formation ins Line-Up „gemogelt“. Die 4.000 sangen trotzdem kräftig mit, zum Beispiel bei „Bis nichts mehr bleibt“. Eine kritische Hymne gegen die Zeichen der Zeit. Punks sind immer irgendwie dagegen und Sänger Joachim „Joggl“ Bergmeister muss immer noch gegen seine Vergangenheit ankämpfen. Um damit abzurechnen hat die Band „Aus dem Nebel“ geschrieben: „Fehler machen uns zu guten Menschen –(…) wir sind von der Zeit geprägt, sich zu ändern ist es nie zu spät.
„Für immer“ ist die Hymne an die wahre Liebe und bei „Fackel im Sturm“, mit akustischem Intro, werden sogar Punks romantisch.
Und dann kamen Accept…
Wer aus Solingen, der deutschen Hauptstadt des Stahls kommt, sollte ganz sicher keine Schlager singen! Das machen Accept auch nicht! Seit 47 Jahren schon sind sie im Metal Genre zuhause und haben die deutschen Schwermetall-Fahnen wie kaum eine andere Band durch die Welt getragen. Drei Mal hat sich die Band aufgelöst, drei Mal sind die zurückgekommen.
Sie machen Druck, sie haben Routine, sie haben Spaß und vor allem gute Songs. „Restless and Wild“ zeigen sich Accept von Beginn an und „Pandemic“-artig breitet sich der Metal-Virus über das Festivalgelände. Im Rhythmus bewegen, mitsingen, lächeln… Koolaid und No Regrets bringen auch die letzten in Bewegung.
4.000 singen Prinzess oft the Dawn
„Final Journey“ wirkt wie eine Hymne und das balladenartige „Shadow Soldiers“ stimmt nachdenklich – wenn man den Text versteht. Das ist bei Mark Tornillo nicht immer ganz einfach. Bei „Prinzess of the Dawn“ singen 4.000 mit – ein schöner, romantischer Moment für die harten Metal-Seelen. Midnight Mover, der Titel passte, denn fast bis Mitternacht spielte die Band, ohne das eine Sekunde Langeweile aufkam.
Ob das Festival nächstes Jahr weiter wächst? Für Michael Döring und Torsten Schmidt kein Thema. Mehr ist für die Crew kaum zu leisten, dann müsste man Firmen für die Organisation einbinden und damit würde das Risiko unkalkulierbar werden. So wächst der Lohrberg mit seinen 285 Metern nicht in den Himmel, das Festival bleibt fest am Boden verwurzelt. Aber eine bekannte – und vielleicht eine noch bekanntere – Band wird es auch 2019 geben. Das Line Up steht soweit, wird aber noch nicht verraten. Aber eines ist sicher: Das 11. RAS kommt gewiss! (rs)