Einschätzung als Risikogebiet bestätigt / Impfung kann vor FSME schützen
MARBURG. Seit mehreren Jahren gilt der Landkreis Marburg-Biedenkopf als Risikogebiet für die von Zecken übertragene FSME-Erkrankung, also der von Viren ausgelösten Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute („Frühsommer-Meningoenzephalitis“).
Jetzt haben Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt des Kreises den FSME-Erreger tatsächlich in Zecken im Kreisgebiet nachgewiesen.
Die Einstufung als Risikogebiet erfolgt durch das Robert-Koch-Institut (RKI) mittels einer statistischen Auswertung des örtlichen Auftretens von Erkrankungsfällen, richtet sich also nach dem Wohnort der Erkrankten und nicht nach der Herkunft der Zecken. Marburger Virologen hatten in den 1990er-Jahren erstmals FSME-Erkrankungen im Landkreis Marburg-Biedenkopf erkannt. In der Vergangenheit wurden die meisten FSME-Fälle aus dem östlichen Teil des Kreises gemeldet. Allerdings haben die Ärzte des Gesundheitsamtes auch einige Fälle aus dem westlichen und nördlichen Bereich des Kreises beobachtet.
„In weiten Teilen Europas können Zecken das FSME-Virus übertragen. Wenngleich die meisten Infektionen durch das FSME-Virus ohne Symptome verlaufen oder nur eine milde Erkrankung die Folge ist, können auch schwere Erkrankungsverläufe mit einer Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) auftreten“, erläutert Dr. Martin Just, der beim Gesundheitsamt des Kreises für den Infektionsschutz zuständig ist.
Der Nachweis von FSME-Viren bei Menschen ist nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig. Die Zahl der gemeldeten FSME-Fälle schwankt von Jahr zu Jahr und liegt in Deutschland in der Regel zwischen 200 und 400 jährlichen Fällen. Im Jahr 2017 wurde mit 485 Fällen eine hohe Erkrankungsrate registriert. Die meisten Erkrankungen treten in Bayern und Baden-Württemberg auf. In Hessen ist insbesondere das Gebiet des Odenwaldes betroffen. Im Landkreis Marburg-Biedenkopf ist in diesem Jahr bislang noch kein FSME-Fall nachgewiesen worden. Im Jahr 2017 war es ein Fall.
„Wenngleich Zecken mehr oder weniger überall in der Natur zu finden sind, sind Zecken, die das FSME-Virus in sich tragen, oft nur in einem kleinen Areal anzutreffen – manchmal nur von der Größe eines Fußballfeldes oder noch kleiner. In diesen so genannten Naturherden enthalten nicht alle Zecken das FSME-Virus, sondern nur etwa eine von 500 bis 1.000 Zecken. Bisher konnte das FSME-Virus aber nicht direkt in Zecken im Landkreis Marburg-Biedenkopf nachgewiesen werden“, berichtet der Mikrobiologe Dr. Michael Bröker, der sich regelmäßig auf die Suche nach den achtbeinigen Parasiten macht, die zu den Spinnentieren gezählt werden. Er ist bei seiner Arbeit mit dem Gesundheitsamt des Kreises vernetzt.
„Eine Möglichkeit, das FSME-Virus in einem bestimmen Gebiet nachzuweisen, besteht darin, dort Zecken zu sammeln und dann mittels biochemischer Methoden das Erbgut des FSME-Virus zu identifizieren“, erklärt Dr. Bröker. Wegen der geringen Infektionsrate der Zecken mit dem Virus werde deutlich, dass man viele Zecken sammeln müsse, um statistisch gesehen einen Treffer zu erzielen. „In der Regel sollte man schon 1.000 Zecken in dem zu untersuchenden Areal sammeln“, so Dr. Bröker. Dazu zieht der Wissenschaftler weiße Stofftücher durch das Unterholz und über Wiesen und sammelt dann mit einer Pinzette jede einzelne Zecke ein, die an dem Tuch hängen geblieben ist.
Vor drei Jahren fing Dr. Michael Bröker damit an, Zecken im Landkreis Marburg-Biedenkopf zu sammeln. Er arbeitet dabei mit dem deutschen FSME-Konsiliarlabor am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München zusammen. Dort werden die notwendigen Laboruntersuchungen vorgenommen. Sein Augenmerk richtete Dr. Bröker dabei zunächst auf den Ostkreis, weil von dort die meisten Fälle berichtet worden waren. Dort konnte er jedoch keine Zecken nachweisen, die das FSME-Virus in sich trugen. „Allerdings konnte ich vor zwei Jahren einen Naturherd östlich der Stadt Wetter identifizieren. Hier hatte sich eine Person infiziert, die dort regelmäßig spazieren ging“, berichtet der Mikrobiologe.
Im vergangenen Jahr erkrankte zudem eine Person aus dem Südkreis. Sie erinnerte sich, beim Sammeln von Pilzen bei Wetter-Amönau von einer Zecke gestochen worden zu sein. Dr. Bröker ging auch diesem Fall nach: Da das Areal des vermuteten Infektionsortes recht gut eingrenzbar war, sammelte Dr. Bröker gezielt in diesem Gebiet – und wurde fündig. Damit war ein zweiter FSME-Naturherd im Landkreis Marburg-Biedenkopf, nunmehr westlich von Wetter, gefunden worden.
Warum konnte bisher das FSME-Virus nicht im östlichen Landkreis nachgewiesen werden? „Es ist möglich, dass die Durchseuchung der Zecken mit FSME-Virus dort sehr gering ist und dass man wesentlich mehr Zecken sammeln müsste, um das Virus nachweisen zu können“, so die Einschätzung des Mikrobiologen. Es könne aber auch sein, dass die Naturherde dort erloschen sind und das Virus nun eher westlich und nördlich anzutreffen ist. „Möglich ist aber auch, dass man schlichtweg an den falschen Stellen Zecken gesammelt hat – auch knapp daneben ist daneben“, sagt Dr. Bröker.
„Zecken können eine Vielzahl von Bakterien und Viren übertragen, die eine Krankheit verursachen können. Am häufigsten ist die durch Bakterien verursachte Borreliose. „Etwa jede fünfte Zecke enthält Borreliose-Bakterien, aber nicht jeder aber nicht jeder Stich hat eine Erkrankung zur Folge“, so Dr. Bröker. „Infektionen durch FSME sind dagegen deutlich seltener“ weiß auch Dr. Just.
Was heißt das nun für die Menschen im Landkreis Marburg-Biedenkopf? „Wer sich häufig in der Natur aufhält, also zum Beispiel Wanderer, Jogger, Beeren- und Pilzsammler, Forstarbeiter oder Jäger, sollte sich durch entsprechende, helle Kleidung schützen und seinen Körper nach dem Aufenthalt in der Natur nach Zecken absuchen, um die Tiere möglichst noch vor dem Biss oder sobald als möglich nach dem Biss zu entfernen. Das ist die beste Vorbeugung gegen Infektionen“, rät Dr. Martin Just. Dies gelte umso mehr, da gegen die häufigste durch Zecken übertragene Infektion durch Borreliose-Bakterien keine schützende Impfung zur Verfügung stehe. „Durch eine FSME-Impfung kann man der Infektion mit dem Virus vorbeugen. In Risikogebieten, wie dem Landkreis Marburg-Biedenkopf, gehört die FSME-Impfung zu den Empfehlungen Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI“, erläutert Dr. Just. Für entsprechende Beratungen stünden die Hausärzte zur Verfügung. (pm)
3 Kommentare
das ist doch schon seit den 90ziger jahren ein bekanntes problem.
Auch das steht im Artikel
Diese blöden Dinger hätte Noah nun wirklich nicht mit auf die Arche nehmen müssen.
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