Abschied von Manfred Schaub
BAUNATAL. Ein gern geäußerter Satz von Manfred Schaub – angesichts der vielen Modernisierungen und Neubaumaßnahmen für Baunatal 2.0 – war stets: „Die Zukunft kann leider nicht still und heimlich entstehen!“
Ein Bürgermeister, SPD Bezirksvorsitzender, Landes- und Bundespolitiker, DFB-Funktionär, Autor und Zukunftsvisionär Manfred Schaub kann auch nicht still und heimlich von der Bühne abtreten. Dafür ist auch zu viel Begonnenes jetzt offengeblieben. Die Grundstimmung in der Trauergemeinde: „Mit Manfred Schaub kein Problem, aber jetzt?“
800 Stühle kann Stadthallenchef Jens Weimann normalerweise stellen. Sie haben Mittwochnachmittag nicht ausgereicht. Die Faltwände zum Foyer waren geöffnet und in die oberen Sitzungssäle wurde der Ton übertragen. Auch auf dem Europaplatz waren die Ansprachen per Lautsprecher zu hören. Mehr als 1.500 Besucher hatten am gestrigen Mittwoch um 14 Uhr die Stadthalle Baunatal aufgesucht, um sich von einem Menschen zu verbschieden, der unübersehbare Spuren hinterlassen hat. Und das nicht nur in seiner geliebten Heimatstadt.
Von Sigmar Gabriel bis Volker Bouffier
Die Gästeliste war lang. Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), mit dem Manfred Schaub auch dann noch sprach, als die Zahl der Parteifeinde, die Summe der Parteifreunde überflügelte, war eher als Freund gekommen, denn als Parteifreund, Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) war gemessen am aktuellen Amt, der ranghöchste Vertreter der Bundesrepublik Deutschland.
Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), sein Stellvertreter Tarek Al Wazir (Grüne), Justizministerin Eva Kühne-Hörmann, Staatssekretär Mark Weinmeister, Landtagspräsident Norbert Kartmann und Regierungspräsident Walter Lübcke (alle CDU), vertraten das offizielle Hessen. Aber natürlich war auch Hessen SPD-Vorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel nach Baunatal gefahren, mit ihm seine Generalsekretärin Nancy Faeser. Fraktionsvorsitzende, Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie viele Kreispolitiker aller Parteien waren gekommen, um einen auf Bundes- und Landesebene geschätzten Ratgeber und Vermittler zu verabschieden.
Kaum ein Weg zu weit
Nicht einmal die weiteste Anreise hatten Martina Werner und Udo Bullmann (beide MdEP) aus Brüssel. Marc Andreu-Sabater, Bürgermeister von Vire, ist schon zum zweiten Mal im Mai die 1.000 Kilometer aus der Normandie an die Bauna gefahren. Auch die Bürgermeister der anderen Partnerstädte Jan Sobotka (Vrchlabi) und Sven Strauss (Sangerhausen) erwiesen dem Kollegen die letzte Ehre. Manuel Ángel Fernández Mateo, Bürgermeisters der Partnerstadt San Sebastian de los Reyes, war in Gedanken und mit Grüßen dabei.
Werksleiter Thosten Jablonski und der Betriebsratsvorsitzende Carsten Bätzold waren für das Volkswagenwerk in Baunatal gekommen, Dr. Reiner Finkeldey vertrat als Präsident die Universität Kassel. Der Deutsche Fußballbund war dreifach vertreten, an der Spitze Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußballlehrer. Landrat Uwe Schmidt und Susanne Selbert, die neue Direktorin des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen waren genauso erschienen, wie Amtskollegen, Stadtverordnete, Magistratsmitglieder und Ehrenbürger von Baunatal. Karin Nink, Chefredakteurin des Vorwärts und Thomas Kreutzmann vom ARD-Hauptstadtstudio nahmen ebenfalls bei den Ehrengästen und nicht im Pressebereich Platz.
Anwesenheit macht Lebensleistung deutlich
Über 60 Namen standen auf der Liste der Ehrengäste. Eine solche Aufmerksamkeit erreicht weder zu Lebzeiten noch im Abschied der Bürgermeister einer 28.000 Einwohner-Stadt in Deutschland. Sie ist vielmehr Würdigung der außergewöhnlichen Strahlkraft einer wahrlich einmaligen Persönlichkeit. Seine Stellvertreterin, die Erste Stadträtin Silke Engler, brachte es auf den Punkt: „Die Anwesenheit so vieler Freunde macht das Engagement und die Lebensleistung deutlich!“
Das Heeresmusikkorps Kassel gestaltete den Rahmen mit der „Wassermusik“ sowie dem Largo aus „Xerxes“ von Georg Friedrich Händel und zu guter Letzt „My Way“ von Frank Sinatra, das auch bei seiner 3. Amtseinführung 2017 gespielt wurde. Selbst ohne Gesang, schien bei Zeilen wie „And so I face the final curtain“ sogar die Trompete ergriffen zu schluchzen. Das Orchester ist nicht nur 26 Jahre lang patenschaftlich mit der Stadt Baunatal verbunden, sondern die Verantwortlichen, wie Oberstleutnant Tobias Terhardt und Musiker auch freundschaftlich mit dem Verstorbenen. Irgendwie kennzeichnend dafür, wie Manfred Schaub „geschäftliche Beziehungen“ gepflegt hat.
Interesse an den Menschen
Diese waren nie auf das sachliche, auf das Protokoll reduziert. Viel zu groß war das Interesse Schaubs an den Menschen, die für oder hinter einer Sache stehen. Er gab jedem das Gefühl, eine wichtige Rolle zu spielen, denn ihm war jeder Mensch in seiner Rolle gleichermaßen wichtig. Wenn man so will, gelebte Sozialdemokratie, ganz ohne Klassenkampf, einfach selbstverständlich, wertschätzend.
Genau das ging auch aus der Würdigung von VW-Chef Thorsten Jablonski hervor. Auf Betriebsversammlungen wäre er stets wie ein Kollege aufgetreten und: „man hatte immer das Gefühl, er kennt alle Mitarbeiter“. Für Lutz Hangartner vom DFB war Schaub derjenige, der für alle Probleme eine Lösung kannte. Ein echter Spielmacher, wie einst beim KSV Baunatal.
Silke Engler zitierte den Theologen Dietrich Bonhoeffer: „Je schöner und voller die Erinnerungen, desto schwerer die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude.“ Hoffnungsvolle Worte für eine immer noch fassungslose Trauergemeinde. Bei allen Kontakten und seinem einflussreichen Netzwerk, so Engler, war es für Manfred Schaub stets eine Herzensangelegenheit, Bürgermeister seiner geliebten Heimatstadt zu sein.
Offizielle Worte von Thorsten Schäfer-Gümbel
Die offizielle Trauerrede hielt der hessische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel. Er sprach gleichzeitig im Namen des Landes Hessen und als stellvertretender Vorsitzender für die Bundes-SPD. Er hob vor allem die Verdienste Manfred Schaubs als SPD-Politikers hervor. So hatte jeder der 1500 Trauernden die Gelegenheit, für sich selbst festzustellen, ob am 20. Mai nur der Sozialdemokrat Manfred Schaub gegangen ist oder vielmehr eine Persönlichkeit zu würdigen ist, die es verstanden hat, über alle Parteigrenzen hinweg Menschen zu begeistern und mitzureißen.
Manfred Schaub hat stets seine Ideen gelebt und die waren ganz sicher auch sozialdemokratisch. Aber er hat nie ein Parteiprogramm abgearbeitet, sondern immer das gemacht, was aus seiner Sicht zu tun und richtig war. Und daraus ergab sich am Ende auch das Parteiprogramm. Wer darin vorrangig den Sozialdemokraten Schaub sehen würde, hätte das Phänomen Manfred Schaub nicht ganz verstanden. Die Beobachtung Schäfer-Gümbels, dass der Nordhesse Schaub in aller Seelenruhe die richtigen Strategien entwickelte, während andere wie aufgescheuchte Hühner herumliefen und dessen Einordnung als Mannschaftsspieler mit Fairplay, der aber durchaus auch Zweikämpfe gewinnen konnte, waren sehr richtig und Schäfer-Gümbels Tränen zwischendurch waren echt! Eine Reduzierung auf das Parteimitglied wäre tatsächlich zu kurz gegriffen.
Nicht in Trauer verharren
Den Wunsch der Familie respektierend hat nh24 – entgegen aller Gewohnheiten – möglichst wenig Bilder gemacht. Dem Schlusssatz in Silke Englers persönlichem Nachruf zu Manfred Schaubs Tod, ist wenig hinzuzufügen: „Es wäre in seinem Sinne, nicht in Trauer zu verharren!“ (rs)