WIESBADEN | TREYSA. Mehrere hundert Besucher versammelten sich kürzlich bei bestem Wetter in der hessischen Landeshauptstadt, um gemeinsam den Abschluss der Kampagne „Inklusion (er)leben“ zu feiern.
Dabei war auch ein Stand der Hephata-Behindertenhilfe aus Büdingen. Stefan Grüttner, hessischer Landesminister für Soziales und Integration, zog bei der Veranstaltung ein positives Fazit: Auch wenn der Weg zu einer wirklich inklusiven Gesellschaft noch weit sei, habe die Kampagne wichtige Impulse gegeben, um das selbstverständliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern.
Wie fröhlich und ausgelassen dieses Miteinander aussehen kann, zeigte sich auf dem Fest eindrücklich: Menschen mit und ohne Behinderungen tanzten gemeinsam zur Musik, die von der Hauptbühne vor der historischen Marktkirche schallte. Mittendrin unter den Tänzern ist Karen Soemer. Sie trägt ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift „Inklusion nimmt uns alle mit“. Die 40-jährige Karen Soemer hat Trisomie 21 und lebt in Büdingen – dort gibt es seit August 2016 ein neues Wohnangebot der Hephata Diakonie für Menschen mit Behinderungen. Insgesamt 14 Bewohner leben in dem neu errichteten Haus „Im Bachmichel“.
„Ich lebe gerne in Büdingen, weil ich hier vieles alleine machen und selbstständiger leben kann“, erklärt Karen Soemer selbstbewusst.Das neue Haus ist auch ein Ausdruck für eine veränderte Sichtweise: Lange Zeit war es üblich, Menschen mit Behinderungen in großen Behindertenheimen unterzubringen. Das ist heute anders. „Inklusion bedeutet unter anderem, dass wir Menschen mit Behinderungen ermöglichen, dort zu leben und zu arbeiten, wo sie möchten“, betont Sandra Lüttecke. Sandra Lüttecke arbeitet als Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin für die Hephata Diakonie und entwickelt Konzepte, wie diese neue Form des Zusammenlebens funktionieren kann. „Neben neuen Formen des Wohnens brauchen wir auch Angebote vor Ort, wo sich Menschen mit und ohne Behinderung zwanglos begegnen können, um Barrieren im Kopf abzubauen und Brücken zueinander zu finden“, sagt sie. Das Schlagwort dafür ist „Sozialraumarbeit“ oder anders formuliert: „Sozialraumorientierung“ – im Kern geht es hier darum, gemeinsame Interessen von Menschen zu identifizieren und Orte für Begegnungen zu schaffen.
Ein Beispiel für so einen Begegnungsort ist das Café „La Porta“ in Büdingen. Das Café wurde schon früher als integratives Café geführt, musste zwischenzeitlich aber seine Türen schließen. Jetzt soll es als Initiativ- und Begegnungscafé genutzt werden. Initiator des Projekts ist die Evangelische Kirchengemeinde Büdingen mit dem örtlichen Pfarrer Andreas Weik. Rund um das La Porta hat sich ein Arbeitskreis mit unterschiedlichen Akteuren und Gruppen gebildet. Auch Sandra Lüttecke nimmt regelmäßig mit Bewohnern des neuen Wohnhauses an den Treffen teil. Sie berichtet, dass sich für die Aktion „Freitags im La Porta…“ mittlerweile ein „Helfer-Kreis“ gebildet hat, zu dem sowohl Bewohner der Wohngemeinschaft als auch interessierte Menschen aus Büdingen gehören. „Wir laden herzlich ein und freuen uns über jeden, der vorbeischaut und mitmachen möchte!“
Auch Karen Soemer gehört zum Helfer-Kreis, ebenso wie Sebastian Knoth, Matthias Springer und Sonja Wienold. Auf dem Inklusionsfest in Wiesbaden standen die vier am Stand der Hephata Diakonie und zeigten den interessierten Besuchern, welche Ideen sie für das Café „La Porta“ haben und wie viel Spaß die gemeinsame Freizeitgestaltung macht. Karen Soemer liebt es im Café „La Porta“ als Bedienung bei der Kuchen-Theke zu arbeiten und später wieder aufzuräumen – „Das Schönste ist, dass wir etwas mit so vielen anderen Leuten auf die Beine stellen können“, lobt sie die gute Zusammenarbeit mit den anderen Helfern.
Dank der gelungenen Sozialraumarbeit gilt das neue Wohnangebot in Büdingen bereits jetzt als Modellprojekt für andere Einrichtungen der Hephata Diakonie in ganz Hessen. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können sich beim ersten Begegnungstag in Büdingen am 19. Mai selbst ein Bild von der Arbeit vor Ort machen. Im Rahmen des europäischen Protesttages für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen wird es an diesem Samstag von 10 Uhr bis 15 Uhr eine „kleine Aktionsmeile“ vor dem Café „La Porta“, Vorstadt 9-12, in Büdingen geben. Geplant sind eine Rollstuhltour, Alterssimulationen sowie Mal-und Bastelaktionen. Für Essen und Trinken ist ebenso gesorgt wie für die musikalische Unterhaltung mit den „Rockern vom Rauhen Berg“. (red)