bhvb – Behindertenhilfe Vogelsbergkreis e.V. fragt Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter mit Beeinträchtigung in den Werkstätten ab
ALSFELD / HERBSTEIN. „Wie kommt das, was wir tun, bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Beeinträchtigung an?“ Eine Frage, die sich Einrichtungen für Menschen mit Behinderung mehr und mehr stellen.
Schließlich liegt in einem gleichberechtigten Miteinander der Schlüssel zu Teilhabe, Wertschätzung und Wirksamkeit. Diesen Ansatz verfolgt neben der UN-Behindertenrechtskonvention auch das Bundesteilhabegesetz, das bereits stufenweise in Kraft getreten ist. Ganz klar stehen hier Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderung im Vordergrund. Selbstbestimmung und größtmögliche Selbstständigkeit sind Ziele dieses Gesetzes, denen die Feststellung des individuellen Bedarfs der Menschen zugrunde liegt.
Für Werkstätten bedeutet dies, festzustellen, was genau Menschen mit Beeinträchtigung möchten. Wie sehen sie ihren Arbeitsplatz und wo sehen sie sich und ihre Bedürfnisse hier ernstgenommen? Die bhvb – Behindertenhilfe Vogelsbergkreis e.V. geht nun mit einem Pilotprojekt voran, um genau diese Fragen ihrer Mitarbeiter mit Unterstützungsbedarf zu klären. Gemeinsam mit den Studierenden der Fachschule Sozialwesen Fachrichtung Heilerziehungspflege an der Max-Eyth-Schule und der in Grebenhain ansässigen Forschungsgruppe Metrik hat sie einen Fragenbogen entwickelt, den möglichst alle Menschen, die das Werkstattangebot der bhvb in Anspruch nehmen, nutzen sollen, um ein Meinungsbild zu ermitteln, das den Verantwortlichen hilft, „Schwächen zu erkennen und Stärken auszubauen“, wie Berthold Sommer vom Fachbereich Arbeit und Bildung der bhvb es ausdrückt. Als besonders wichtig erachten sowohl Sommer als auch Werkstattleiter Michael Dippel und Vorstand Frank Haberzettl, dass die Interviews von externen Personen durchgeführt werden – also von niemandem, der für die Klienten eng mit der bhvb verbunden ist. Einen geeigneten Partner musste die bhvb nicht lange suchen: Schon seit vielen Jahren arbeitet sie eng mit der Fachschule Sozialwesen der Max-Eyth-Schule zusammen, stellt Plätze für Jahres-, Kurzzeit- und Berufspraktikanten zur Verfügung und konnte sich daher sicher sein, dass die Studierenden bereits Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen haben.
„Unsere Studierenden müssen solche Erfahrungen bereits beim Studienbeginn nachweisen“, führt Sabine Fath-Keller aus. Als stellvertretende Abteilungsleiterin der Max-Eyth-Schule koordiniert sie die Fachschule Sozialwesen und zeigt sich sehr erfreut darüber, dass ihre Bildungseinrichtung an dem Pilotprojekt beteiligt ist. Für die Studierenden bietet sich hier nämlich nicht nur die Möglichkeit, weitere Einblicke in das Arbeitsleben von Menschen mit Beeinträchtigung zu bekommen, sondern sehr vertieft in den Paradigmenwechsel in der Sozialen Arbeit hin zur Personenzentrierung einzusteigen. Als weiteren großen Wissenszuwachs für die Studierenden sehen sowohl Sommer als auch Fath-Keller die Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Metrik. Die Studierenden wurden an der Max-Eyth-Schule auf ihre Aufgaben vorbereitet, sie arbeiteten mit den Fragebögen, lernten Interviewtechniken und -regeln kennen und konnten im Vorfeld bereits mit zwei Mitarbeitern der Werkstatt das Interview trainieren. Schließlich sollten sie vor Ort, also in geschützten und ungestörten Räumen der Werkstatt, die Interviews allein durchführen. In den Vorbereitungen ging es u.a. um das richtige Verhalten der Befrager, das Ausschalten von Beeinflussungsfaktoren, den Umgang mit Problemlagen der Kunden, beispielsweise mangelnder Konzentrationsfähigkeit, und das Arbeiten mit Unterstützter Kommunikation. „Wir wollen so vielen Mitarbeitern mit Beeinträchtigungen wie möglich eine Teilnahme an der Befragung ermöglichen“, führt Sommer aus. Eine Hinzuziehung von Betreuern oder Eltern ist aus Gründen der Objektivität ausgeschlossen. Die Fragen sind daher in leicht verständlicher Sprache verfasst, die Antworten können mit Ja und Nein leicht beantwortet werden, Piktogramme und das Arbeiten mit neuesten digitalen Medien helfen obendrein.
Auf dem Fragebogen werden Angaben zum Arbeitsangebot abgefragt, aber auch Angaben zur betrieblichen Verfassung und Zusammenarbeit: „Kenne ich den Werkstattrat?“, „Werden meine Beschwerden ernstgenommen?“, „Sind die Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung ausreichend gegeben.“ Nicht selten müssen die Interviewer die Fragen erläutern und sich auch mit vielen „Vielleichts“ oder „Weiß ich nicht“ zufriedengeben. Dennoch: Die Menschen in der Werkstatt freuen sich darüber, dass sie gehört werden und ihre Meinung zählt – der Leitgedanke dabei ist „Der Mensch im Mittelpunkt“. Eine große Mehrheit von ihnen hat sich zur Mitarbeit an der Umfrage gemeldet und bereits wertvolle Antworten gegeben.
Im März ist das Projekt in der Werkstatt in Alsfeld-Altenburg gestartet. Bis Mai sollen in allen Werkstätten der bhvb möglichst viele Menschen befragt werden. Danach wertet die Forschungsgruppe Metrik die Fragebögen aus, erstellt eine auswertende Zusammenfassung und lädt zur Diskussion der Ergebnisse ein. Dann soll es an die Umsetzung gehen: Welche Verbesserungen kann man aus den Mitarbeiterantworten und -wünschen ableiten? „Für uns zeichnen sich nach den ersten Interviews schon interessante Entwicklungen ab“, so Werkstattleiter Michael Dippel. „Manches, was uns hier als selbstverständlich und richtig erscheint, wird wohl auf den Prüfstand kommen, wiederum anderes wird bestätigt und für gut befunden. Es ist für uns alle eine spannende Angelegenheit“. Obwohl diese spannende Angelegenheit seitens der Werkstatt einen hohen logistischen Aufwand erfordert – schließlich läuft der Tagesbetrieb nebenbei weiter -, erachten sowohl Dippel als auch Haberzettl diesen Aufwand als gerechtfertigt, bedeutet die Umfrage doch einen großen Schritt in Richtung Zukunft.
Die Fachschule Sozialwesen Fachrichtung Heilerziehungspflege startet im neuen Schuljahr einen neuen Ausbildungsgang. Es sind noch einige Ausbildungsplätze frei. Anmeldungen können an die Max-Eyth-Schule, Fachschule Sozialwesen gerichtet werden. (pm)