KASSEL. Der 28. Spieltag in der DKB Handball-Bundesliga ist für die MT Melsungen kein gewöhnlicher. Angesichts der Paarung gegen den TV 05/07 Hüttenberg kommt einem normalerweise als erstes der Begriff “Hessenderby” in den Sinn. Doch vor dem Hintergrund des vor acht Tagen vorgenommenen Trainerwechsels steigt am Sonntag in der Kasseler Rothenbach-Halle um 15 Uhr, nach siebeneinhalb Jahren, des “Spiel 1 nach Roth”.
Und das ist dann gleichbedeutend mit der Premiere von Heiko Grimm als Nachfolger und damit neuer Chefcoach. Das Medieninteresse ist außergewöhnlich groß, das Spiel wird live von gleich zwei TV-Sendern übertragen. Es gibt noch Tickets im Vorverkauf und am Spieltag an der Hallenkasse.
Wenn der frisch im Amt befindliche Trainer von vielen erst an dritter Stelle in der Rangliste der Besonderheiten rund um dieses Spiel genannt werden sollte, wäre es dem Betroffenen selbst wohl mehr als recht. Heiko Grimm, seit Januar als Co-Trainer bei der MT, ist ein fleißiger Arbeiter, der gerade im Hinblick auf seine persönliche Premiere als Bundesliga-Trainer in den letzten Tagen nichts lieber getan hätte, als sich ausschließlich mit der Spielvorbereitung zu beschäftigen und seine Schützlinge einzuschwören.
Doch der 40-jährige musste immer wieder zwischendurch das sprungartig angestiegene Medieninteresse befriedigen. Hier ein Fotos, dort TV-Aufnahmen im Training, zahlreiche Interviews am Telefon, Pressegespräche in der Redaktion – es kam in der zurückliegenden Woche einiges zusammen. Dennoch hat er das ihm Wichtigste erledigen können, nämlich Gespräche mit der Mannschaft, mit dem Vorstand und mit einzelnen Spielern zu führen und natürlich die Mannschaft zu trainieren. “Ich bin zwar seit Januar da, aber gerade die Spieler sollen wissen, mit wem sie es nun als Trainer zu tun bekommen und was der so alles gemeinsam mit ihnen vorhat”, erklärt der gebürtige Miltenberger.
Insofern liegt natürlich eine zusätzliche Spannung über diesem Spiel: Wird Grimm etwas anderes als Roth machen? Gibt es gar Umbesetzungen, taktische Veränderungen, neue Spielhandlungen? Wie präsentiert sich die Mannschaft unter der neuen sportlichen Führung? Das alles sind Fragen, die Heiko Grimm eher wenig Kopfzerbrechen bereiten. Er will bei seiner Premiere nicht als Mann mit tollen Ideen glänzen und dann am Ende als Verlierer vom Platz gehen. “Ich möchte einfach nur, dass unserer Mannschaft die Power auf die Platte bringt und die Leute in der Halle sagen: das ist die MT, wie ich sie sehen will!” – Also ein Team voller Energie, gesundem Selbstbewusstsein und einem starken Siegeswillen.
“Als erstes ist für mich wichtig, wie die Mannschaft auftritt, das Ergebnis kommt danach. Wir werden dem Gegner mit dem nötigen Respekt entgegentreten. Für uns spielt es keine Rolle, auf welchem Tabellenplatz Hüttenberg steht. Gleichwohl muss es unser Anspruch sein, das Spiel als Sieger zu beenden”, erklärt der neue Chefcoach. Und lässt damit zwischen den Zeilen durchblicken, dass er sein Debüt doch schon gern mit einem positiven Erlebnis verbinden würde. Das sei ihm allein schon angesichts der kurzen Vorlaufzeit und den damit einhergehenden erschwerten Bedingungen gegönnt.
Wie sieht es personell im MT-Kader aus? – Die Mannschaft war unter der Woche vollzählig im Trainingsbetrieb. Das heißt auch die zuvor mit ihren Nationalmannschaften im Einsatz befindlichen Spieler wie Marino Maric (CRO), Nebojsa Simic (MNE) und Julius Kühn sind wohlbehalten wieder in Nordhessen angekommen.
Der TV Hüttenberg ist als Aufsteiger leider fast erwartungsgemäß auch einer der Abstiegskandidaten. Auf dem vorletzten Tabellenplatz liegend haben die seit Oktober von Emir Kurtagic trainierten Mittelhessen in der Fremde erst vier Punkte ergattert. Eigenartigerweise haben die Käse-Städter im ersten Saisondrittel unter Aðalsteinn Eyjólfsson gegen favorisierte Gegner stets gut mitgehalten auch wenn am Ende nichts Zählbares heraussprang.
Auch die MT hatte im Hinspiel Glück, dass es noch zu einem knappen 28:27-Sieg reichte. Timm Schneider, der einst selbst das Hüttenberger Trikot trug, steuerte an alter Wirkungsstätte vier Tore bei. Mit Dominik Mappes, Ragnar Johannsson, Vladan Lipovina und Tomas Sklenak bekommen es die Nordhessen mit äußerst torgefährlichen Rückraumspielern zu tun. Im Kasten steht mit Fabian Schomburg übrigens auch ein ehemaliger MT-Keeper.
Spricht man vorn Handballtradition in Mittelhessen, fällt vielen wohl als Erstes der Name der HSG Wetzlar ein. Dabei gehörte der TV Hüttenberg sogar zu den Gründungsmitgliedern der eingleisigen Bundesliga 1977 und spielten bis zum erstmaligen Abstieg 1985 erstklassig. Und sie schwammen nicht nur mit! Im Übergang von der zweigleisigen zur eingleisigen ersten Liga erreichte der TVH 1977 und 1978 zweimal hintereinander das Endspiel um den DHB-Pokal, unterlag dort aber jeweils dem VfL Gummersbach. International steht eine Teilnahme am Europacup der Pokalsieger der Saison 1978/79 zu Buche. Bekanntester Spieler in den Reihen des TVH ist nach wie vor Horst Spengler, der Kapitän der deutschen Weltmeistermannschaft von 1978. Er absolvierte mit 230 Partien bis heute die meisten Erstligaspiele für den Verein.
Emir Kurtagic, Trainer des TVH, sieht den Trainerwechsel bei der MT nicht als Vorteil für seine Mannschaft: “In einer solchen Phase kann ein Team gehörige Kräfte freisetzen. Wir selber konnten uns in dieser Woche mit einem sehr intensiven und guten Training ordentlich auf die Partie vorbereiten. Wir werden versuchen, unser Spiel auf die Platte zu bringen und sich bietende Chancen klar zu nutzen. Dann müssen wir schauen, ob es zu etwas Zählbarem reichen kann”, wird der 37-jährige im Gießener Anzeiger zitiert. Im Hinspiel – da hieß der Trainer noch Aðalsteinn Eyjólfsson – wäre es fast soweit gewesen: Anfang September behielt die MT mit 28:27 nur denkbar knapp die Oberhand.
Schiedsrichter in Kassel: Martin Thöne (Lilienthal) / Marijo Zupanovic (Berlin); DHB-Aufsicht: Kay Holm.
Ticketsituation: Bis Freitagnachmittag waren fast 3.900 der 4.300 Tickets abgesetzt. Es wird also definitiv auch noch am Spieltag an der ab 13:30 Uhr geöffneten Kasse der Rothenbach-Halle Karten geben.
Infos zum Gegner: www.huettenberg-handball.de