Unterschiedliche Ansichten in Baunatal – Florian Kohlweg versus Silke Engler
Baunatal. Der DGB hatte am Samstag in Baunatal eingeladen: zum Tag der Demokratie. Ein klares Zeichen wollen wir setzen, sagte Jenny Huschke, die Regionsgeschäftsführerin des DGB. Sie erklärte ihr Unverständnis über ständige Hetze und die jüngst eingerichteten Denunziationsportale für Schüler gegen ihre Lehrer seitens der AfD.

Rund 500 Menschen waren der Einladung und dem Aufruf gefolgt. Neben der Kundgebung auf dem Europaplatz, direkt vor der Stadthalle, wohin für 16 Uhr die AfD ihre Anhänger und Interessierte öffentlich eingeladen hatte, gab es im Kino Filme zum Thema Rechte Gewalt zu sehen.

Engler: Man muss nicht in Baunatal geboren sein!

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Das erste Grußwort sprach Silke Engler, Erste Stadträtin von Baunatal, die – getreu dem Motto – erklärte: „Baunatal ist bunt!“ Man müsse nicht in Baunatal geboren sein, um dazu zu gehören. VW habe über viele Jahrzehnte Menschen anderer Nationalitäten Arbeit gegeben. Demokratie, so die amtierende Verwaltungschefin, tut manchmal auch weh, vor allem, wenn man andere Meinungen aushalten muss. Das gilt für beide Seiten. Aber: „Wir lassen und nicht kleinkriegen von Menschen, die uns vorschreiben wollen, was wir denken sollen! Baunatal ist unsere Heimat, die wir nicht von Spaltern und Hetzern beschädigen lassen!“

Als aktuelle Vertreterin des Bürgermeisters musste sie nicht nur die AfD-Veranstaltung genehmigen und den Ablauf verantwortlich regeln, sie stand dann auch in der Kritik der Alternative, mit der sie zwei juristische Auseinandersetzungen führen musste.

Bätzold: 47 Nationen bei VW

Genauso von der AfD kritisiert wurde Carsten Bätzold, Betriebsrat von VW. Bei VW arbeiten Männer und Frauen aus 47 Nationen, stellte er sachlich fest und wurde dann leidenschaftlich: Wer hetzt, macht sich schuldig, wenn Angst entsteht und Mitläufer bei rechten Demonstrationen sind keine besorgten Bürger. Auch er kritisiert – wie die AfD – Politiker, die sich nicht um die Probleme der Menschen kümmern. Es läuft einiges schief, wenn sie stattdessen lieber Banken retten. Aber man müsse keine Sündenböcke für das Politikversagen suchen.

Christliche Werte

Die Pröpstin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Katrin Wienold-Hocke, zitierte das Matthäus Evangelium mit dem Satz, der gerade durch den Obelisken bekannt geworden ist: „Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt“ (Mt. 25,35). Farbe bekennen sei Demokratie, sagte sie.

Mit Diözesansekretär Michael Schmitt war ein Vertreter der katholischen Kirche aus dem Bistum Fulda angereist. Er vertritt die katholische Arbeitnehmerbewegung. „Jeder Mensch ist Gottes Ebenbild“, stellte er fest und traf damit den Grundwert des christlichen Weltbildes, das es gerade scheinbar von vielen Seiten zu verteidigen gilt. Die Lehrermeldeplattformen seien Gestapo-Methoden und niemand könne sich zukünftig damit herausreden, er habe nichts gewusst.

Dann die selbsternannte Alternative

Kann man über die AfD objektiv berichten? Man kann nicht, man muss…! An Manfred Schaubs Geburtstag hatte die AfD die Baunataler Stadthalle gemietet. Egal wo sie das tut und egal wann sie es tut, sie kann auf die Uhr schauen, wann der DGB (oder wer auch immer) zeitgleich eine Kundgebung oder Demo plant. Und häufig setzt sie sich dann mit Verwaltung und „Gegnern“ auseinander.

Die Rollenverteilung war klar. Ex CDU-Mann, MdB Martin Hohmann, leitete die Versammlung, Florian Kohlweg, Kreissprecher der AfD Kassel-Land, war offensichtlich nicht für politische Inhalte, sondern den Streit mit der Stadt zuständig, Uwe Junge, Fraktionsvorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz, für den Kampf gegen den Islam, Bundesvorstandsmitglied MdB Beatrix von Storch für die wichtigen Botschaften und Robert Lambrou für die Schluss-Offensive.

Martin Hohmann, dem Beatrix von Storch seine einstige Mitgliedschaft in der CDU „verziehen“ hat, sieht in seiner Partei „Nicht nur eine Alternative, sondern die letzte Chance. Wenn wir es nicht schaffen, wer sonst?“ An Selbstbewusstsein mangelt es also definitiv nicht!

Kohlweg gegen Engler und ganz Baunatal

Die Stadt Baunatal habe auf Kosten der Steuerzahler das Kino gemietet, sagt Florian Kohlweg. „Die Stadt kann das Kino 40 Tage im Jahr kostenlos nutzen, heute war einer von diesen 40 Tagen“, sagt Silke Engler. Das Logo der Stadt Baunatal war auf dem Flyer des DGB. Die AfD dürfe das sicher nicht nutzen, vermutet Florian Kohlweg. „Wer das Logo nutzen will, muss das im Magistrat genehmigen lassen“, sagt Silke Engler. Die Stadt hat das Parkhaus gesperrt, um den Besuch der AfD Veranstaltung zu erschweren, vermutet Florian Kohlweg. „Die Stadt hat den Zugang zur AfD-Veranstaltung durch das Parkhaus und damit ohne Spießrutenlaufen durch die DGB-Veranstaltungsteilnehmer ermöglicht. Um die Sicherheit beider Veranstaltungen (Anmerkung: Auch die Demonstranten durften dort nicht parken) zu gewährleisten und der Polizei einen Ort zur Einsatzsteuerung zu gewährleisten, haben wir nach Rücksprache mit der Polizei das Parkhaus gesperrt. Fußläufig sind in Baunatal deutlich über 1.500 Parkplätze erreichbar gewesen“, sagt Silke Engler.

Nicht über 300 – Nachzählen hilft

Wir zählen über 300 Besucher, sagt Florian Kohlweg, „wir zählen 178 Besucher“, sagt nh24. Für sie, und die 500 Teilnehmer des Demokratietages, haben die Parkplätze jedenfalls gereicht. Auch wir konnten parken.

„Silke Engler, Vertreterin der Stadt, hasst die AfD und würde alles tun, um der AfD zu schaden“, sagt Florian Kohlweg. „Die AfD ist eine zugelassene Partei und ich würde ihre Mitglieder und Besucher auch vor Diskriminierung schützen. Eine Trillerpfeife müssen sie aushalten“, sagt Silke Engler. Apropos aushalten. Wenn Politiker der „Altparteien“, wie die AfD sie häufig nennt, auftreten, dann erscheinen AfD-Sympathisanten und vermutlich Mitglieder selbst gerne mit Trillerpfeifen. Als – wie auch in Baunatal deutlich wurde – die „besondere Feindin“ Angela Merkel vor Jahresfrist in Fritzlar zu Gast war, trillerte es 30 Minuten lang ohne Unterlass. Die Altparteien und Angela Merkel halten das aus und lassen’s Trillern.

Wir sind Helden (und haben eine Herzogin)

Zweimal versuchten ein oder zwei AfD-Gegner die Veranstaltung in der Stadthalle ohne Trillerpfeife, aber mit Zwischenrufen oder mit Transparenten zu stören. Sie wurden im Handumdrehen von Ordnern aus dem Saal bugsiert. Obwohl Beatrix von Storch noch meinte: „Bleiben Sie hier, dann können sie noch was lernen!“

Herr Kohlweg greift in seinem Ärger über Baunatal dann auch den Betriebsratsvorsitzenden von VW an: Herr Bätzold, nehmen Sie Ihren Hut und machen Sie Platz für eine Gewerkschaft und für einen Betriebsrat, der den Namen auch verdient hat.“ Dann folgt ein abgewandeltes Zitat der Gruppe „Wir sind Helden“: „Die AfD ist gekommen als Bürgerpartei, um zu bleiben!“

Uwe Junge kam aus dem Rheinland

Uwe Junge, Oberstleutnant a.D. und gelernter Schriftsetzer: „Rechtsstaatlichkeit liegt in der DNA der AfD (…) Wenn ich in das erschreckte Gesicht von Malu Dreyer schaue, wenn ich eins meiner klaren Statements abgebe, dafür lohnt es sich (…) sie klammern sich skrupellos an die Macht, die sie vom Volk nur geliehen bekommen haben (…) Deutschland ist in größter Gefahr (…) der ungeheuerliche Treuebruch (…) der letzte, dem ich das abgenommen habe, war Helmut Schmidt (…) Hysterischer Aufschrei bei Trump, das ist aber der, der gerade seine Wahlversprechen hält (…) die ungläubigen Speichellecker eröffnen mit Erdogan eine Moschee und werden nicht eingeladen (…) es ist nicht bewiesen, dass Assad Giftgas eingesetzt hat (…) CDU und Linke verbreiten gemeinsame Lügen um die Vorgänge in Chemnitz. Ein schlechtes Video wird Regierungsposition, Chemnitz ist eine peinliche Offenbarung (…) In Rheinland-Pfalz gibt es 17 Mal mehr Straftaten von Ausländern (…) Grenzöffnung führte zur größten europäischen Krise (…) Polen und Ungarn haben noch eine Haltung (…) sie reden vom Klimawandel und meinen Wetter (…) Vergewaltigungen nehmen auch an den Schulen zu (…) Fahrkarten statt Sprachkurse (…) bei der AfD würde das Informationsministerium Abschiebeministerium heißen (…) Grenzen nicht zu schützen ist Hochverrat (…) Analphabeten und Sozialhilfeempfänger kommen (…) der ehemalige Schutzmann wird zum Soldaten (…) Gott schütze unser Vaterland (…) Die „Lückenpresse“ – Energiewende, Bildungskrise, Mietpreisbremse, Klimawandel, Asylkrise, wem und was können wir noch glauben?“ nh24, Herr Junge, das war „relativ“ lückenlos. Mehr Platz haben auch wir nicht…!

Beatrix von Storch über Gender und Islam

Frau von Storch ist der Star des Nachmittags. Sie erklärt den islamistischen Terror und vergleicht: „RAF Opfer wussten, dass sie auf der Liste standen. Islam-Terror kann jeden treffen!“ „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Diverse“, scherzt sie. Biologisch intersexuell sein, sei ok, aber LABTTIQ (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender) wollen die Zweigeschlechtlichkeit abschaffen! Verfassungsrichterin Beer (die das Urteil, auf dem das fußt, mitzuverantworten hat) ist mehr eine Queraktivistin als eine Verfassungsrichterin, die das Thema vor das Verfassungsgericht getragen und dann selbst entschieden hat. Frau von Storch geht jetzt im Bundestag aufs Herrenklo, scherzt sie.

Dann folgt eine Aufzählung von Prozentwerten aus Umfragen, über die Neigung zum politischen Islam, die Befürwortung von Ehrenmorden und Selbstmordattentaten in islamischen Ländern. Sie bezieht sich auf Daten des Pew Research Center, ein anerkanntes US-Meinungsforschungsinstitut, das 42 muslimische Länder befragt hat. Ein paar Zahlen fanden wir bestätigt, einige haben wir nicht gefunden. Dort mag jeder selbst nachlesen, ob die Umfragewerte mehr Angst oder mehr Mut im Umgang mit dem Islam provozieren sollten: http://www.pewresearch.org/fact-tank/2017/08/09/muslims-and-islam-key-findings-in-the-u-s-and-around-the-world/ Die Google-Übersetzung ins Deutsche funktioniert an dieser Stelle ganz gut. (rs)

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