Zwei Stunden Nachsitzen für sechs Tagesordnungspunkte
BAUNATAL. Wer alt genug ist, sich an Zeiten zu erinnern, in denen Schüler länger bleiben oder nachmittags noch einmal kommen mussten, ahnt, wie es sich anfühlt, wenn Stadtverordnete unartig waren und wegen dem Überschreiten der Sitzungsdauer zur Strafe noch einmal antreten müssen. Die EINEN fanden’s toll noch mal von daheim wegzukommen, die ANDEREN doof unter Leute zu müssen. Es ist Corona…

Der Diskurs vor dem „Nachsitzen“ der Baunataler Stadtverordneten am gestrigen Montagabend, war mit den Kommentaren unter den Artikeln bei nh24, auf Facebook und in anderen Medien längst nicht ausdiskutiert, als Henry Richter die Sitzung gestern um 18:31 Uhr eröffnete und die Regeln erklärte. Mund- und Nasenschutz während der gesamten Sitzung, keine Gespräche über Vorbehalte und Begrenzung auf drei Stunden, verbunden mit der abermaligen Ermahnung, nicht zu lange zu reden. Was lange und was kurz ist, blieb dem Ermessen jedes einzelnen Stadtverordneten überlassen.

Zuerst ging es um die Verkehrssicherheit in Baunatal. Drei Parteien hatten drei Anträge gestellt:

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Rengershäuser Straße in Guntershausen (SPD)

Die SPD kümmert sich dabei um die Rengershäuser Straße in Guntershausen und möchte in Absprache mit dem Baulastträger, dem Landkreis Kassel, unter anderem ein Parkverbort für Lkw auf den Wanderparkplätzen zwischen Rengershausen und Guntershausen erreichen, mangels Alternativen zusätzliche Parkmöglichkeiten, besonders Garagen, im Einmündungsbereich Heisterhagen auf städtischem Grund errichten, eine Sperrung für den Lkw-Durchgangsverkehr erreichen und eine 30 km/h-Zone für den Gefährdungsbereich einrichten.

Gustav-Heinemann-Allee in Altenbauna (B90/GRÜNE)

Die GRÜNEN kümmern sich um die Gustav-Heinemann-Allee in Altenbauna. Der Satzung über die Straßenreinigung soll diese neu in die Reinigungsklasse 1 aufgenommen werden, um im Rahmen des Grünpflegekonzepts – unter Berücksichtigung des Baumkatasters – die Bäume in dieser Allee besser zu pflegen und auf angemessene Größe zurückzuschneiden. Außerdem sollen in den kommenden Wochen Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt werden und gegebenenfalls – bei festgestelltem, erhöhtem Verkehrsaufkommen die Ausweisung einer 30-er Zone untersucht werden.

Bahnhofstraße in Großenritte (CDU)

Die CDU möchte Verbesserungen in der Bahnhofstraße in Großenritte, im Bereich zwischen Stettiner Straße, Bahnübergang und der nachfolgenden Fußgängerquerungsinsel erreichen, nämlich eine einheitliche Begrenzung auf Tempo 30 festzulegen, in Höhe der Hausnummer 57 eine fest installierte Geschwindigkeitsmessanlage (Blitzer) zu installieren, Verkehrsverstöße mit einer konsequenten Verhängung von Ordnungsgeldern nachgehen und das Grün an der Verkehrsinsel (Orts einwärts) zur Sicherheit der Schul- und Kitakinder dauerhaft entfernen.

Alle drei Straßen in einem Verkehrssicherungskonzept behandeln?

Die SPD hatte schließlich zu allen drei genannten Tagesordnungspunkten einen übergreifenden Änderungsantrag eingebracht, nachdem der Magistrat aufgefordert wird, ein Verkehrssicherheitskonzept für alle drei Straßen zu entwickeln. Die drei Anträge von SPD, GRÜNEN und CDU sollten dafür als Diskussionsgrundlage dienen. Erste Erkenntnisse sollten bereits ab Februar diskutiert werden. Heinz Bachmann (SPD) berichtete, dass der Haupt- und Finanzausschuss dieser Vorgehensweise zugestimmt hat.

Für diese Idee hatten die anderen drei Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung schließlich nichts mehr übrig. Edmund Borschel (B 90/GRÜNE) erklärte, man habe nur die Möglichkeit eingeräumt, gemeinsam zu formulieren, dies aber nicht zugesagt. Wenn es um Bäume und Geschwindigkeitsmessungen geht, dann würden sich die drei Anträge schließlich voneinander unterscheiden.

So wurde getrennt verhandelt und die SPD stellte jeweils den verbindenden Antrag zur Abstimmung. Dr. Klaus-Peter Lorenz schilderte zum SPD-Antrag, die Rengershäuser Straße sei seit einem halben Jahrhundert nicht verändert worden. Dem Verkehrssicherungskonzept für diese Straße wurde dann einstimmig zugestimmt.

Zustimmung im Haupt- und Finanzausschuss war gar keine Zustimmung…

Anders bei der Gustav-Heinemann-Straße: Edmund Borschel (B90/GRÜNE) erklärte, dass die Einstufung in die Reinigungsklasse I erfolgen müsse. Bei einem Ortstermin sei man nicht die ganze Straße abgeschritten. Bei den Messungen habe das Rathaus erklärt, das Messungen nicht durchgeführt werden können. Diese erfolgten stattdessen aber in der Niedensteiner Straße und im Trineweg. Christian Strube (SPD) erinnerte daran, dass man im Haupt- und Finanzausschuss das Ansinnen verfolgt hatte, deshalb ein gemeinsames Konzept zu verabschieden, weil die Verkehrssituation ähnlich ist. Man hätte sehr wohl alle drei gleichbehandeln können. Die besonderen Anliegen von CDU und Grünen würden im Verfahren schließlich nicht unter den Tisch fallen.

Christian Strube (SPD) erklärte, man habe man sich auf den gemeinsamen Beschluss verlassen. Er wundere sich über die Haltung der Jamaika Koalition in der Opposition. Sebastian Stüssel (CDU) konterte, man habe sich in der Vergangenheit auch bei der SPD auf vieles verlassen. Es sei sehr wohl kontrovers diskutiert worden. Tatsächlich sei es noch nie passiert, dass sich die SPD für die Interessen der Bürger einsetze. Vom Runden Tisch zu langen Bank sei es nicht weit. Er sei stolz auf Jamaika!

Im Zeichen schwierige Haushaltslage

Bürgermeisterin Silke Engler (SPD) stellte ein Zitat von Herrn Borschel über sie richtig. Es habe für Altenbauna ein Plan gegeben, alle Bäume der Gustav-Heinemann-Allee danach zu bewerten, ob sie stehen bleiben können oder gefällt werden sollen. Die Umsetzung sei zunächst wegen fehlender Haushaltsmittel verschoben worden. Zu den Tafeln zur Geschwindigkeitsmessung erklärte sie, dass Bürger sich auf Zusagen verlassen hätten, dass vor Ort gemessen wird und dass sich die Verwaltung ihrem Anliegen annimmt. Der Rengershäuser Straße habe man auch zugestimmt. Die Bürgermeisterin verwies auch auf die schwierige Haushaltslage.

Sebastian Schlüssel (CDU) schilderte, es gäbe konkrete Anliegen von Anwohnern, die Abhilfe verlangen mit Blick auf die Schwierige Haushaltslage viele ihm nur ein, dass man sich das hätte eben früher überlegen müssen. Zum eigenen Antrag erklärte er, es habe in den Sprechstunden des Stadtverordnetenvorstehers Eingaben gegeben. Es helfe nichts zu verzögern und Konzepte zu entwickeln. Es sei eine konkrete Gefahr zu erkennen. Es dauert viel zu lange, die gesamte Bahnhofstraße anzupacken.

Borschel droht mit echtem „Verwaltungsbashing“

Edmund Borschel wunderte sich, dass Schärfe eingebracht wurde: Wenn die Bürgermeisterin sogar von Veraltungsbashing spreche, dann habe sie noch nicht erlebt, wie das funktioniert, das könne man aber gerne mal zeigen. Bürgernahe Verwaltung müsse so flexibel sein, Messungen auch woanders durchführen zu können. Dr. Rainer Oswald (FDP) sieht sich in den Disput nicht involviert, die FDP hat keinen Antrag gestellt. Stadtverordnetenvorsteher Henry Richter bemängelte, dass die Bürgeranliegen nicht berücksichtigt worden sein. Am Ende wurde der Antrag der GRÜNEN und der Antrag der CDU mit der SPD-Mehrheit abgelehnt und der zu einem Verkehrssicherheitskonzept für alle drei Straßen der SPD angenommen.

Konzept für Mehrgeschosswohnungsbau auf den Weg gebracht

Mit einem Antrag zur Erstellung eines Konzeptes für den Mehrgeschosswohnungsbau in Baunatal wollte die SPD den Bedarf an Wohnraum in unterschiedlichen Größen decken. In einem solchen Konzept solle es beispielsweise um folgende Inhalte gehen:

  • Vorgaben hinsichtlich der Quadratmeterpreise
  • Verfügbarkeit von Grundstücken
  • Anforderungen hinsichtlich der Nahversorgung
  • Nachhaltigkeit, Nutzung von erneuerbaren Energien, Sektorenkoppelung (Wärme, Strom, Verkehr)
  • Mobilität: E-Mobilität (insbesondere Ladeinfrastruktur), Parkraumsituation, ÖPNV-Anbindung, Fuß- und Radwegenetz
  • Bedarfsgerechte digitale Infrastruktur beispielsweise zur verstärkten Ermöglichung von Homeoffice-Tätigkeiten

Bernd Riemenschneider (SPD) schilderte, dass zuletzt 202 Wohnungen – mit Darlehen gefördert – in der Innenstadt, am Baunsberg. Entstanden sein. Um das erfolgreiche Konzept fortzuführen, sollen verfügbare Flächen dargestellt werden. Lothar Rost (B90/GRÜNE) erklärte, es gehe um die Verfügbarkeit von Grundstücken. Irgendwo in der Schublade müsse ja ein Entwicklungsplan liegen. Die GRÜNEN hätten 2013 bereits einmal ein Baulückenkataster initiiert. Das läge noch nicht vor. Die GRÜNEN würden unterschiedlich abstimmen, kündigte er an.

Sebastian Stüssel (CDU) will nicht immer streiten, sondern zustimmen. Aber zunächst solle ein Konzept erstellt werden und dann, wenn es Leitplanken gibt, über die Realisierung verhandelt werden. Es dürfe jetzt kein Korsett entstehen, nach dessen Vorgaben niemand bauen kann. Dr. Rainer Oswald stellte klar, dass die FDP kein Freund radikalökologischer Planungen ist, insbesondere was die Ladeinfrastruktur betrifft, die er ökonomisch bewertet wissen will. Die FDP wolle dennoch zustimmen. Das taten die Stadtverordneten dann – mit allen GRÜNEN einstimmig.

Baulücken schließen

Auf der Suche nach neuen Baugrundstücken möchte die CDU verwaiste Sportflächen und Spielplätze umwidmen sie stellte den Antrag, den Magistrat mit der Prüfung zu beauftragen, ob und inwieweit wenig genutzte Sportflächen und Spielplätze der Stadt Baunatal zu Baugrundstücken umgewidmet werden können und der Stadtverordnetenversammlung bis zu ihrer nächsten Sitzung eine entsprechende Übersicht vorzulegen, sowie einen Zeitplan zur möglichen Umwidmung zu erarbeiten. Sebastian Stüssel (CDU) begründete das mit dem Fehlen von Bauplätzen, wohingegen in manchen Baugebieten die Kinder jetzt größer und Spielplätze vielleicht verzichtbar sind. Auch brachliegende Sportflächen könnten bebaut werden.

Maritta Bachmann (SPD) fand, es sei ein sinnvoller Antrag. Bei Sportflächen solle aber das Sportentwicklungskonzept abgewartet werden. Es ließen sich aber Vorarbeiten erledigen, mit denen dann Zeit eingespart werden könne. Bei den Spielplätzen sei zu berücksichtigen, dass neue Generationen mit kleinen Kindern kommen könnten. Dr. Rainer Oswald (FDP) begrüßte den Antrag, nach dem es erstmals ein Konzept für Nachverdichtung geben könnte. Edmund Borschel (B90/GRÜNE) möchte erst das Kataster, dann eine erneute Diskussion. Der Sportentwicklungsplan sei vorsichtig gesagt in Vorbereitung. Wenn dieser valide Ergebnisse bringe, könnten sie sicher berücksichtigt werden. Sebastian Stüssel (CDU) glaubt nicht, dass es der Sportentwicklungsplan richten wird. Der Auftrag dafür sei noch gar nicht vergeben. Sportler würden sich sicher nicht über Grundstücke Gedanken machen. Man müsse Einnahmen aus dem Verkauf von Grundstücken generieren und mehr Bürger ansiedeln, die Grundsteuer zahlen, also der Stadt etwas Gutes tun.

Mitteilungen

Bürgermeisterin Silke Engler (SPD) beantwortete noch eine offene Frage zum Einsatz von mehr Bussen für die Schulkinder, eine Anfrage beim Landkreis sei damit beantwortet worden, dass die wegen Corona geänderten Höchstauslastungen nicht überschritten würden. Damit ist das Thema für den NVV erledigt. Stadtverordnetenvorsteher Henry Richter erklärte diversen erhobenen Vorwürfen, dass beim Ankauf des Sparkassengebäudes in Rengershausen kein Verstoß gegen Hauptsatzung gegen die Wertgrenze festgestellt werden konnte. Bei der Anschaffung eines Notstromaggregates hat der Magistrat ebenfalls korrekt entschieden. Auch gegen Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten sei nicht verstoßen worden.

Alles ganz persönlich…

Mit einer Persönlichen Erklärung von Dr. Klaus-Peter Lorenz (SPD) zur Diskussion um seine Person in den Medien, begann eine kleine Lawine von persönlichen Erklärungen. Sein gemeinsames Anliegen mit dem Vorsitzenden des Seniorenbeirates Meibaum und 15 Unterzeichnern, die Sitzung nicht stattfinden zu lassen, habe er wegen der Sorge um Gefährdung und der Vorbildfunktion vorgetragen. Stattdessen hätte eine Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss Entscheidungen treffen können. Stadtverordnetenvorsteher Henry Richter hätte sich ein Bild von den Sorgen und Vorbelastungen machen und diese ernst nehmen sollen. Henry Richter (parteilos) erklärte, „für Nöte und Bitten bin ich gerne Ansprechpartner.“ Eine E-Mail über die Presse zu verschicken, die in dann benachrichtigte, habe ihn geärgert. Er könne nicht verstehen, dass die Sorgen bei SPD-Veranstaltungen keine Rolle gespielt hätten.

Edmund Borschel (B 90/GRÜNE) erwähnte in seiner Persönlichen Erklärung, auch zur Alterskategorie zu gehören, die gefährdet ist. Es müsse jeder mit sich selbst ausmachen, was er in seiner Freizeit macht. Er sei allerdings dankbar dafür, dass die zwei Stunden heute stattgefunden haben und die Punkte nicht noch am 7. Dezember abgehandelt werden müssen, wenn auch Ehrungen auf der Tagesordnung stehen…

Kasperletheater in Baunatal? © Foto: Inge Knol | nh

Sebastian Stüssel (CDU) wollte in seiner persönlichen Erklärung mal deutlicher werden. Das sei unkollegial und er sei schwer enttäuscht. Wenn Dr. Lorenz persönlich wird, werde er auch persönlich. Dieser fühle sich in der Opferrolle, könne aber eine Rede auf dem SPD-Parteitag halten. In der Stadtverordnetenversammlung sei aber kein Platz für Scharaden, sondern Ehrlichkeit. Es hätten sich alle auf dieses Verfahren geeinigt und vereinbart, keine Anträge einzubringen. Dagegen verstoße die SPD. Man habe die Aufgabe, die Stadt zu leiten und keine Mätzchen zu machen. Man sei „in der finstersten Stunde“ zur Stelle und „ich bin stolz auf alle, die da sind!“ Aber: „Veralbern kann ich mich allein!“ Die Stadtverordnetenversammlung sei kein Kasperleverein!

Die Figur des Kaspers geht immerhin auf einen der „Heiligen drei Könige“ zurück. Im Kasperletheater sorgen der Kasper mit der roten Mütze, der schwarze Räuber, das grüne Krokodil und natürlich der Seppel oder die Großmutter dafür, dass stets das Gute über das Böse siegt und Gerechtigkeit einkehrt. Insofern ist der Vergleich von Herrn Schlüssel gar nicht so schlecht gewählt. Allerdings, was gut und was böse oder gerecht ist, weiß man in der Politik oft erst hinterher… (Rainer Sander)

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