STAVO: 777 Jahre Stadtrechte werden in Treysa gefeiert
TREYSA | ZIEGENHAIN. Die Geschichte der Stadt Schwalmstadt ist rasch erzählt. Die ihrer Stadtteile reicht indes zurück ins Heilige Römische Reich. Stadt sind Treysa seit 776 und Ziegenhain seit 750 Jahren. Schwalmstadt sind sie seit 55 Jahren. Wikipedia hilft denen, die sich nicht an alles erinnern können. Die Stadtverordneten helfen beiden Stadtteilen beim Feiern …

Auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung vom vergangenen Donnerstag, zu der Bürgermeister Tobias Kreuter, wie er eingangs kundtat, mit dem Dienstfahrrad angereist war, stand die Zahl 777.

775 Jahre feiern kann jeder

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Im Jahr 2026 feiert der Stadtteil Treysa das 775. Jubiläum der Verleihung seiner Stadtrechte. Neben dem stadtgeschichtlichen Arbeitskreis hat sich ein entsprechendes Orga-Team gebildet, das sich rund um das historische Jubiläum mit der Entwicklung und Durchführung verschiedener Veranstaltungen kümmert.

Eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des stadtgeschichtlichen Arbeitskreises, engagierten Bürgern und Mitarbeitenden der Stadtverwaltung beschäftigt sich bereits mit den Vorbereitungen und der Organisation der Veranstaltung. Dabei werden beispielsweise Darstellergruppen in historischen Gewändern angefordert, Marktstandbetreiber akquiriert, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aufgenommen, die Tafeley und das Rahmenprogramm geplant.

Reichlich mittelalterliche Programmpunkte

Highlight dieser Veranstaltungsreihe soll vom 7. bis 9. August 2026 ein historischer Markt in der Oberstadt von Treysa sein. Auch ein großes „Heerlager“ an der Schwalm ist – neben einer Vielzahl an historischen Marktständen – geplant. Eine Badegesellschaft, historisches Handwerk, Gaukler, Schwerkämpfer, Münzpräger, und viele mehr sollen für ein rundes Programm sorgen. Ähnlich wie beim Festungsjubiläum in Ziegenhain soll das Fest-Wochenende mit einer großen Tafeley in der Stadtkirche am Freitag starten.

Für die Vorbereitung und erfolgreiche Umsetzung des Vorhabens ist ein Zuschuss der Stadt Schwalmstadt in Höhe von 20.000 EUR nötig.

Zuschussempfänger muss ein Verein sein

Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Schwalmstadt begrüßte am Donnerstagabend ausdrücklich die Planung der Veranstaltung in der Oberstadt Treysa und sieht, so lautet der Beschluss, darin eine wertvolle Gelegenheit, ein bedeutendes Kapitel der Stadtgeschichte im Rahmen eines stadtteilübergreifenden Festes mit kulturellen, historischen und gesellschaftlichen Schwerpunkten gemeinsam mit der Bürgerschaft zu gestalten. Dadurch wird einerseits das lokale Ehrenamt gestärkt, die aktive Mitwirkung fördert und das Profil der Stadt nach außen sichtbar.

Bürgermeister Tobias Kreuter erläuterte, dass das 775. Jubiläum mit dem Festungsjubiläum kollidiert habe und erklärte, dass ein Verein, der Rechenschaft über die Verwendung ablegen kann, Empfänger des Zuschusses sein müsse. Auf die ursprüngliche vorgesehene Rückzahlungsklausel verzichteten die Stadtverordneten und beschlossen einstimmig ohne Aussprache, Mittel in Höhe von 20.000 Euro als außerplanmäßige Ausgabe bereitzustellen.

Das Ende ist nicht das Ende …

Am Donnerstagabend hat Reinhard Otto die Stadtverordnetenversammlung offiziell um 20:20 Uhr beendet und den Stadtverordneten einen schönen Abend gewünscht. Die ersten von ihnen verließen den Saal im Rathaus Ziegenhain, wo Ratsherren schon seit Jahrhunderten die Geschicke einer Stadt führen. Auf einen Zwischenruf aus der Versammlung, „es gibt doch noch einen nicht-öffentlichen Teil“, korrigierte Stadtverordnetenvorsteher Reinhard Otto, „darauf wäre ich gleich noch gekommen!“ Lachen im Saal …

Die Presse und die (meisten) Zuschauer verließen den Saal, die „abtrünnigen“ Stadtverordneten wurden zurückgerufen. In der Einladung zu einer Sitzung der Stadtverordneten werden immer alle Tagesordnungspunkte aufgelistet. Sowohl jene für den öffentlichen Teil als auch solche für einen eventuellen nicht öffentlichen Teil (meistens Grundstücksangelegenheiten). Das war auch diesmal – zum überwiegenden Teil – so. Im Verfahren wird stets die öffentliche Sitzung unterbrochen und nach Verlassen der Gäste sowie der Presse fortgesetzt. Alles ganz normal und in jeder Kommune üblich.

Nicht öffentlich oder fast nicht öffentlich?

Diesmal stand auf der Tagesordnung, die an die Presse verschickt worden war, erstmals allerdings nichts von einem nicht öffentlichen Teil. Ganz offensichtlich hatten aber auch einige Stadtverordnete eine Einladung erhalten, die sie zum „geheimen Teil“ nicht einladen wollte. Das haben uns ein paar betreffende Stadtverordnete bestätigt.

Dieser Teil fand aber statt. Eigentlich wiederum nicht so ganz unöffentlich. Mehrere Stadtverordnete haben nh24 bestätigt, dass zumindest eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung weiterhin im Zuschauerraum anwesend blieb. Stadtverordnetenvorsteher Reinhard Otto hat das auf Nachfrage denn auch bestätigt. Er begründet dies mit der Nähe der betreffenden Mitarbeiterin am zu besprechenden Thema. Gehört wurde sie offensichtlich nicht zu der Angelegenheit und weil das wohl auch nicht beabsichtigt war, weilte sie im Zuschauerraum auf der Empore.

Verantwortung für Parlament und Verwaltung

Sie wird dort vermutlich nichts erfahren haben, was sie nicht ohnehin schon wusste. Bürgermeister Tobias Kreuter hatte die Presse vor einigen Monaten bereits angewiesen, keine Namen aus dem Rathaus mehr zu nennen, sondern immer ihn als Alleinverantwortlichen. Ich folge dem jetzt nicht, weil ich das Gefühl habe, ein Bürgermeister könne der Presse Weisungen erteilen, sondern weil es gerade keine Rolle spielt, wer es war und wenn jemand Generalverantwortung übernimmt, passt das sicher gerade jetzt. Aber: ein bisschen nicht öffentlich gibt es nicht.

Auf Nachfrage, wie es sein kann, dass es verschiedene Varianten einer Einladung für die gleiche Sitzung gibt, hat uns Herr Otto versichert, dass er dies nicht zu verantworten hat. Wir haben keinen Grund, dies anzuzweifeln. Bleibt die Frage unbeantwortet, an welcher Stelle über zwei verschiedene Einladungen entschieden wurde, wenn zwar der Stadtverordnetenvorsteher laut Hessischer Gemeindeordnung allein für das Parlament verantwortlich ist, der Bürgermeister aber erklärt, er sei allein im Rathaus verantwortlich – und warum welche Stadtverordneten vom zweiten Teil erst nach dem ersten Teil der Sitzung erfahren sollten. Die Fantasie der Leser wird darauf viele Antworten finden …

Wenn Verschwiegenheit öffentlich verschweigen will …

In der eigentlich uneigentlich dann doch nicht geheimen Sitzung, von der dem Anschein nach nur die Presse und ein paar ausgewählte Stadtverordnete nichts wissen sollten, ging es um die Verschwiegenheit im Rathaus und den Gremien der „Ratsherren“. Das Thema „Zukunft der zwei Rathäuser“, welches die Menschen in 750 oder 777 Stadtgeschichte auf verschiedenste Weise schon immer zu beschäftigen schien, sollte zunächst nur intern besprochen werden. Das hat nicht geklappt, der Geist ist nicht zum ersten Mal aus der Flasche, und nun ging es darum, all jenen, die zukünftig etwas „nach außen“ (und zur Presse) tragen wollen, noch einmal zu erklären, was das Wort „geheim“ im kommunalrechtlichen Sinn bedeutet. Einschließlich Wutrede eines Stadtverordneten.

Auch das mag „ok“ sein, wirft aber die Frage auf, wie etwas – bei 300 Stadtbediensteten, die’s am Ende betrifft – auch nur ansatzweise vertraulich bleiben kann. In der Verwaltung waren die jüngsten Ideen auch vor der Veröffentlichung bereits mehreren Personen bekannt. Das hat sogar der Johannismann auf seinem Brunnen durchs Fenster aufgeschnappt.

Macht und Frieden

Viel mehr Spaß könnte im Übrigen die Beschäftigung mit der Frage bereiten, was am Thema Neustrukturierung von Verwaltung in Zeiten kommunaler Finanzknappheit nun wirklich spannend ist, wenn gleichzeitig Digitalisierung, Künstliche Intelligenz mit Online-Diensten, Chatbots und Datenübertragung dafür sorgen, dass Rathäuser zukünftig nur noch in absoluten Ausnahmefällen aufgesucht werden müssen? Die offene Diskussion kann außerdem nicht schlimmer sein als die interne …

Reinhard Otto sagt, wir wollten Transparenz und in Offenheit über Dinge reden im internen Kreis. Ja, da könnte schon ein Widerspruch in sich stecken. Was ist Offenheit in internen Kreis? Und wenn ohnehin die Vermutung existiert, dass Menschen gerne reden, dann ist es vielleicht unglücklich, mit einer selektiven Einladung einen Eindruck zu erzeugen, der genau für das Gegenteil spricht. Es sind in Schwalmstadt nicht alle Engel, aber die Zahl 777 gilt biblisch als Engelszahl. Im Spirituellen steht sie für Glück und Liebe. Da sind 20.000 Euro gut angelegt. Auch der Bau der Martinskirche (Totenkirche) fällt übrigens ins 13. Jahrhundert. Mögen die Macht UND der Friede mit Schwalmstadt sein! (rainer sander)

AKTUALISIERUNG und Hinweis: Inzwischen liegt eine Stellungnahme von Bürgermeister Tobias Kreuter vor.

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