AFFENGEHEGE-FRIELENDORF. Ich ahnte gar nicht, dass es so viele Hater und Wutbürger in Nordhessen, speziell in Frielendorf gibt. Ich dachte immer, die sammeln sich bei Pegida und den „Alternativen“? Man lernt doch jedes Mal dazu! In Frielendorf, am beschaulichen Silbersee, einem nicht unwichtigen Urlaubs- und Tagestourismus-Zentrum Nordhessens, sind die Affen los. Dabei sind noch gar keine echten Affen da, die sollen dort erst angesiedelt werden. Schon ist’s ernst!

Als Kind im Zoo waren die Affen immer die lustigsten, schönsten und interessantesten Tiere. Die sind uns so verdammt ähnlich, reagieren genauso aufgeregt, wenn auch nur eine winzige Kleinigkeit nicht in Ordnung oder plötzlich anders ist und reagieren eitel, wenn es um mehr Aufmerksamkeit geht. Wir heißen ja auch Menschen, weil wir den Menschenaffen gar nicht unähnlich sind…

Petition für heimische Arten-Reinheit

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Das beweist in Frielendorf gerade eine Petition gegen ein geplantes, 5 Hektar großes Affengehege. Im Internet kann jeder jede noch so schöne oder absurde Petition in Gang setzen und muss dafür nicht einmal richtige Fakten ins Rennen schicken. Ordentlich Aufregung provozieren, produziert nicht nur amerikanische Präsidenten, sondern auch affenfreie Zonen. Da wird also Wald abgeholzt (obwohl die Affen auf genau diesen Bäumen leben sollen), Mountainbikestrecken unterbrochen (die schon seit zwei Jahrzehnten keiner mehr pflegt), fremde Investoren – aus dem 50 Kilometer entfernten Marburg – wittern fette Beute bei Touristen, die Tiere werden nicht artgerecht gehalten, sind noch dazu – wie der Investor – nicht aus der Region, machen dem Wildpark Knüll Konkurrenz und gehören stattdessen in ihren natürlichen Lebensraum. Nach einer Forsa-Umfrage halten die meisten Deutschen zoologische beziehungsweise Tier-Gärten immerhin für sehr wichtig und für einen Bildungs- sowie Erfahrungsraum.

Ich wusste aber auch nicht, dass Marburger nicht nur keine Nordhessen sind, sondern jetzt auch zu den Wohlstandsschmarotzern zählen? Waren das bisher nicht immer nur die Syrer, Afghanen und Somalier? Was ist eigentlich mit der Sommerrodelbahn am Silbersee, deren Besitzer im Vogelsberg wohnt? Muss der sie jetzt abreißen und vielleicht an der Burg Herzberg neu aufbauen? Und was ist mit etwa der Hälfte aller Ferienhäuser am Silbersee, deren Eigentümer mindestens so weit weg wohnen, wie Marburg? Und jedes Jahr werden ein paar von ihnen erneut verkauft, manche sogar ins Ausland. Also nach Bayern oder wenigstens in den Regierungsbezirk Darmstadt. Müssen die neuen Eigentümer ihre Häuser jetzt alle in Frielendorf abholen? Oder dürfen nur noch Frielendorfer kaufen? Dann wird es allerdings schwierig, den Laden am Laufen zu halten: das Interesse vor Ort ist mäßig.

Bitte artgerecht!

Aber artgerechte Tierhaltung! Ja! Endlich setzt sich jemand ein! Gilt die Forderung eigentlich für alle Tiere? Auch für Wellensittiche im Käfig, Hunde im Zwinger und Katzen in der Stadtwohnung ohne Frischluft? Auch für die Hühner in den Legebatterien, die aber doch so gut schmecken? Und was ist schon ein ganzer Affenwald mit 50.000 Quadratmetern für geplant 50 Affen gegen himmlische 2,3 Stallquadratmeter Rechtsanspruch (!) für das 100 Kilo-Bio-Schwein? Also für jedes Bio-Schwein! Die meisten armen Schweine müssen weiterhin mit etwa der Hälfte klarkommen und liegen irgendwann nebeneinander im Supermarktregal in Frielendorf, aber auch in Fritzlar oder Kassel und werden auch von Hatern, Wutbürgern und Tierwohlaktivisten gegessen… Es merkt sowieso keiner, wie billig wir einkaufen 😉.

Aber dass nur noch wirklich heimische Tiere hier leben dürfen, das ist doch mal was! Also, Wellensittiche, Kanarienvögel und Papageien raus aus den Zoo-Handlungen! Mit Dackel, Spitz, Terrier, Rottweiler und Schäferhund bliebt auch eine überschaubare Ansammlung an Hunderassen übrig. Etwa die Hälfte aller Kühe, die der Fleischproduktion dienen, ist nicht ursprünglich deutscher Herkunft. Da wird‘s allerdings schon mager auf dem Teller, wenn wir das durchziehen!

Salat statt Pommes und Currywurst?

Als Landgraf Karl seine Bauern 1728 zu einem Essen mit Kartoffeln und Salat nach Ziegenhain einlud und diese das amerikanische Knollen-Zeugs verächtlich verschmähten und sich stattdessen an den Salat hielten, hatten sie vielleicht im Nachhinein recht. Weg mit der Kartoffel, weg mit den Tomaten, den Zucchinis und vor allem dem Curry. Statt Pommes und Currywurst gibt es Wurzelgemüse-Salat und Weckewerk an der Imbissbude! Das mit dem Bier sollten wir uns auch noch mal überlegen. Belegt sind die ersten Braukünste in der Gegend des heutigen Irak. Und Erich Honecker hatte doch recht: ohne Bananen auch keine Bananenrepublik! Und ich? Mit meinem Sojaschnitzel (sorry, Vegetarier) nehme ich genau diesen Affen ihre natürliche Regenwald-Heimat weg (die für den Soja-Anbau niedergebrannt wird), in der sie doch eigentlich bleiben sollen – aber mit Klimawandel kommen sie irgendwann sowieso…

Ihr

Rainer Sander

PS: Nach rund 100 Kommentaren hier und bei Facebook: Danke für so viel Aufmerksamkeit! Besser konnte es mit Wut, Hass und Empörung gar nicht laufen…

Kritik verletzt IMMER und deshalb tut Satire, wenn sie die eigene Meinung trifft auch immer am meisten weh. Schöner ist sie freilich, wenn andere ihr Ziel sind. Kurt Tucholsky war schon vor 150 Jahren davon überzeugt, dass man in Deutschland Satire kennzeichnen müsse, weil sie sonst gar nicht als solche verstanden wird. Möglicherweise hätte er damit auch heute noch recht.

Als Vegetarier staune ich seit fast 40 Jahren darüber, wie Menschen, die Fleisch aus Massentierhaltung kaufen, genüsslich im Sommer grillen, aus Wildtieren Haustiere züchten, die unter ihren Degenerationen leiden, es schaffen, sich selbst als Tierwohl-Experten zu fühlen und zu artikulieren. In meiner Kolumne steht kein einziges Wort darüber, dass ich für das Affengehege bin. Da steht auch nicht, dass ich Hater mit Nazis gleichsetze. Ich stelle lediglich fest, dass Hass und Wut IMMER eine schwache Reaktion sind, nie ein Argument ersetzen und Empörung (von Empore) IMMER von oben herab belehrt. Und nicht nur, wenn sie von anderen kommen.

Ich finde allerdings, dass es im Tierschutz viel spannendere und wichtigere Herausforderungen gäbe, als sich über ein Affengehege aufzuregen, in dem die Tiere – keine Wildfänge (!) viel Platz haben und solche dort leben sollen, die in ihrer Heimat bedroht sind. Denen nützen keine – sorry – „Maulhelden“, die sich hier auf die Brust schlagen und von anderen fordern, sich doch bitte in deren Heimat für sie einzusetzen. Ratschläge aus einem Land, das es nicht einmal richtig hinbekommt, die eigenen Wildtiere Wolf und Luchs in freier Wildbahn leben zu lassen. Bewusst habe ich ein (eigenes) Tierpark-Foto aus Gambia gewählt, dem vermutlich ärmsten Land Afrikas, das auf Einnahmen von Touristen in Tierparks angewiesen ist, in denen das gleiche passiert, wie hier. Auch dort leben manche Arten in Reservaten, denn in „freier Wildbahn“ sind sie nicht mehr vorhanden…

Jede Art von Doppelmoral und Scheinheiligkeit war das Ziel dieser Satire-Kolumne (das ist kein sachlicher Artikel und will es auch nicht sein). Sonst gar nichts! Die Reaktion ist frei nach Schopenhauer: „Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt“… oder satirisch: Jede/r versteht was er kann oder sie will (oder umgekehrt)!

Rainer Sander

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