Bewegende Solidaritätsbekundung in Gudensberg
CHATTENGAU. Die drei Chattengaugemeinden Edermünde, Gudensberg und Niedenstein hatten – gemeinsam mit dem Gudensberger Partnerschaftsverein – den Gudensberger Ostermarkt am Sonntag genutzt, um mit einer Kundgebung an den Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine zu erinnern.

Gleichzeitig wollten sie ein Zeichen für Demokratie und gegen Hass oder Ausgrenzung setzen. Gastgeberin Sina Massow musste in den ersten Amtstagen ihrer Zeit als Bürgermeisterin der bundesweit einzigen deutschen Stadt mit einer intensiv aktiv gelebten Städtepartnerschaft in die Ukraine Verbundenheit demonstrieren, Solidarität bekunden und Hilfslieferungen mitorganisieren. Fast täglich war sie involviert, um Stromgeneratoren, Krankenhausausrüstung, Gegenstände des täglichen Bedarfs oder Fahrzeuge – auch von den Umlandgemeinden – aus Bauhöfen oder von den Feuerwehren Richtung Kriegsgebiet auf den Weg zu bringen.

Unterstützung aus dem ganzen Chattengau

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Die Kollegen Frank Grunewald aus Niedenstein und Thomas Petrich brauchten nur wenige Tage, um die Partnerschaft quasi auf den ganzen Chattengau auszuweiten.

Nach zwei Jahren ist nicht nur der Krieg ein Stellungskrieg geworden. Auch in der Berichterstattung und der Argumentation offenbaren sich Abnutzungserscheinungen. Es ist alles schon einmal gesagt worden. Das macht es umso schwerer, die Flamme der Solidarität nicht ausbrennen zu lassen. Den vielen Vertretern der Kommunalpolitik fiel es auch gestern sichtlich schwer, immer wieder neue Akzente zu setzen und Neu-Motivierendes zu sagen.

Die unterschiedlichen Haltungen in Regierung und Opposition werden bis in die Kommunalpolitik durchgereicht. Dabei macht es immer einen deutlichen Unterschied, ob man so nah am Geschehen und den Menschen ist, wie die Chattengauer oder nicht.

Nationale Einheit jetzt erst recht gestärkt

Nicht müde geworden ist seitdem auch der kommunale Vater der Städtepartnerschaft mit Schtschyrez, Altbürgermeister Frank Börner. Er hat jahrelang vor dem Krieg Infrastruktur in der Westukraine mit aufgebaut, viele Freundschaften geschlossen und noch mehr von diesen zwischen Gudensbergern und Ukrainern ermöglicht. Nicht nur für ihn ist ein Teil seiner jahrelangen Arbeit in Gefahr geraten, zerstört zu werden. Mit großer Leidenschaft berichtet er aus seinen bestehenden Kontakten, dass die Menschen in der Ukraine lieber sterben würden, als noch sich noch einmal Russland zu unterwerfen. Putin habe erreicht, dass die nationale Einheit des Landes erst möglich wurde.

Eindrucksvoll schildert Börner, wie das Land immer wieder vor, im und nach dem 2. Weltkrieg von Russland oder der Sowjetunion unterworfen, ausgenutzt oder gedemütigt wurde. Den Verstehern der russischen Politik riet er, Demonstrieren sie mal in Moskau für Demokratie und entscheiden sie dann, in welchem Land sie lieber leben wollen.

Berührende Worte von Oksana Kvasnytzia

Am tiefsten berührten allerdings die Worte von Oksana Kvasnytzia aus Schtschyrez. Sie ist zurzeit als Lehrerin hier tätig für ihre Landsleute, die aus den umkämpften Gebieten nach Nordhessen geflohen sind. Ihre Schilderungen der Veränderungen im Leben und Alltag in der Heimat berühren und ihre Worte auch. Sie kommt aus einem Land, das sich dagegen wehrt, dass Putin sein Ziel erreichen kann, die Ukraine und ihre Identität auslöschen. Ohne Sprache, sagt sie, sind wir stumm, ohne Glauben haben wir keine Zukunft. Den helfenden Chattengauern, von denen gestern 150 in der Fußgängerzone versammelt waren, wünschte sie Glück, Liebe und Frieden in Ihren Familien zu Ostern.

Jochem Hamacher von „Mach Mit“ berichtet von Initiativen mitten in zwei Jahren Krieg, Töten, Sterben und unfassbarem Leid. Das Thema macht Angst. Der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Jochen Noll, verknüpfte die Krise mit der aktuellen Diskussion hierzulande. Vielfalt macht jede Stadt lebendig. Es gelte, demokratiefeindlichen Handlungen entschieden entgegentreten. MdL Dominik Leyh sah Deutschland einst umzingelt von den Freunden der Demokratie. „Wir haben uns alle die Augen gerieben.“ Jetzt müsse man der Ukraine an die Hand geben, was sie braucht.

Die Ukraine wird in unserer Mitte kommen

Derjenige, der am intensivsten an der Hilfsfront „kämpft“ ist Wolfgang Mand vom Partnerschaftsverein. Er ist eigentlich angetreten, um die Partnerstadt Schtschyrez kulturell und infrastrukturell zu unterstützen und nicht in den Folgen eines Krieges. Er zeigte sich gerührt von der jahrelangen Unterstützung und der Demonstration: „Die Ukraine wird in unserer Mitte kommen!“ (rs)

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