BAUNATAL. Als vor gut drei Monaten, aus heiterem Himmel mit Bürgermeister Manfred Schaub einer der aktuell bedeutendsten Nordhessen gestorben ist, waren sich in Baunatal vermutlich alle einig, dass es gar nicht anders geht, als den Ausnahme-Politiker, sobald es würdig erscheint, als Ehrenbürgermeister auch nach seinem Tod zu ehren.

In ganz Nordhessen, wo er die SPD auf Bezirkseben führte, in Wiesbaden, wo er lange im Landtag und noch länger im Landesvorstand der SPD war und sogar in Berlin, wo er als Ratgeber und Sprecher geschätzt war, wird man noch immer ähnliches denken. Wie bei allen bedeutenden Persönlichkeiten, die uns verlassen haben, erhält man dann auch eine bleibende, sichtbare Erinnerung, wie eine Straße, einen Platz oder ein Gebäude nach ihm benannt.

In einem Land mit christlicher Tradition, die zur Zeit an allen Ecken und Enden und mit allen Mitteln verteidigt wird, lässt man ein Trauerjahr vergehen, in dem dann irgendwann auch der Grabstein gesetzt wird, gibt der Familie Zeit, um zu begreifen, was passiert ist und der Öffentlichkeit, die immer noch fassungslos ist, ebenso. Trauer ist kein D-Zug-Thema, sie darf sein, sie gehört dazu, mit aller Zeit, die sie braucht. Einmal zum verarbeiten und zum anderen, um in Ruhe Perspektiven zu entdecken. Auch Phönix ist nicht aus der Asche gesprungen, aber er ist immer wieder aufgestiegen…

ANZEIGE

In Baunatal könnte es passieren, dass die Dinge schneller gehen. Irgendwie nach dem Motto „Erster!“ oder um bloß nichts zu verpassen, hat mit der CDU-Fraktion die Opposition schon für die nächste Stadtverordnetenversammlung vorgeschlagen, den Verstorbenen sofort zum Ehrenbürgermeister zu ernennen und den Europaplatz zum Manfred-Schaub-Platz umzutaufen. Zwei schöne Ideen und für eine Opposition, die Jahrzehntelang gemacht hat, was eine Opposition auch tun muss, nämlich Kritik am Verwaltungschef und der Mehrheitsfraktion zu üben, sicher ein großer und versöhnlicher Schritt!

Imme vorausgesetzt, dass das auch ehrlich so gemeint ist! Manchmal entscheidet schließlich das richtige Timing darüber, ob etwas auch richtig gut ankommt. Eine Trauer durchlebt Phasen. Nach Kübler-Ross sind das 1. das Leugnen, weil man den Tod nicht wahrhaben will; 2. der Zorn, weil es den falschen und vor allem zu früh getroffen hat; 3. das Verhandeln, weil man nach imaginären Lösungen sucht; 4. die Depression, wenn man endlich versteht, dass es wahr ist und schließlich 5. die Akzeptanz, in der man wieder bereit ist, sich auf Neues einzulassen. Wenn man durch Baunatal geht und zuhört, befindet sich die Stadt je nachdem zwischen Phase zwei, drei und vier.

Manfred Schaub war kein Mann der Schnellschüsse, eher der Stratege und Planer. Trotzdem konnte er schnell und entschlossen handeln. Vielleicht hätte sich gefreut, über eine Opposition, die im Nachhinein seine Wege für richtigen erklärt und gewissermaßen selbstkritisch in der Würdigung voranschreitet und vielleicht hätte er gesagt, dass sich die SPD dann nicht verschließen kann. Aber er wird dazu nun einmal nichts mehr sagen und dann darf man ruhig einen Tag länger nachdenken.

Ehrenbürgermeister? Geschenkt! Ich frage mich nur, warum es der Platz vor dem Hintereingang zum Rathaus sein muss, der Manfred-Schaub-Platz heißen soll. Der Verstorbene kam immer nur durch Vordertüren. Warum soll der Europaplatz für den überzeugten und leidenschaftlichen Europäer verschwinden? Manfred Schaub war ein Mann des Sportes. Er war Fußballer, im Vorstand der Trainervereinigung des DFB und sportpolitischer Sprecher der SPD auf Bundeseben. Würde einem bei längerem Nachdenken nicht einfallen das Parkstation umzubenennen oder die Rundsporthalle endlich von ihrem Namen zu befreien, der nur ihre geometrische Figur beschreibt? Oder wie wäre es mit dem Stadtviertel, das nach seiner Idee auf dem Grundstück seiner ehemaligen Theodor-Heuss-Schule entsteht? Mit der Zeit kommen die Gedanken!

Ihr

Rainer Sander

ANZEIGE