Volkswirtschaftlich Plus – Betriebswirtschaftlich Minus
CALDEN. Nicht alles, was man zählen kann, zählt und nicht was zählt, kann man auch zählen … Kassel hat einen Flughafen, der liegt in Calden, im Landkreis, und gehört Land, Kreis, Landkreis und Stadt gemeinsam. Bei so vielen Gesellschaftern, die immer mal wieder anders regiert werden, sind nicht immer alle einig bei Erfolgsbewertungen.

Die hängt – vorwiegend medial – immer an den Passagierzahlen, verbunden mit den touristischen Starts und Landungen. Das ist eben das, was ins Auge springt. Der Rest ist schwer zu begreifen. Tatsächlich kosten zwei von drei Flughäfen in Deutschland sogar mehr Geld, als sie insgesamt einnehmen, und bei genauer Betrachtung würden bei der Forderung, dass ein Flughafen von den touristischen Einnahmen allein leben müsste, wohl nur Frankfurt und München überleben.

Ganzheitlich betrachtet ein Erfolgsmodell

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Neben den Aviation-Einnahmen stehen die Non-Aviation Einnahmen und schließlich die volkswirtschaftlichen Erträge. Um zu erfahren, wie viel das in Calden ist, hatte das Land Hessen bei Prof. Dr. Richard Klophaus vom Zentrum für Recht und Wirtschaft des Luftverkehrs (ZFL) eine Studie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse wurden gestern in der Cafeteria des Flughafens vorgestellt.

Danach spielt der Flughafen Kassel eine zentrale Rolle als Wirtschafts- und Standortfaktor für die nachhaltige Entwicklung der Region Nordhessen. Dies ist das zentrale Ergebnis dieser wissenschaftlichen Studie. Im Einzelnen:

Stärkung der regionalen Wirtschaft und Schaffung von Arbeitsplätzen

Wertschöpfung und Beschäftigung sind erhebliche Kennzahlen. Im Jahr 2024 beschäftigten die 40 Unternehmen, die sich am Flughafen Kassel angesiedelt haben und nur deshalb dort sind, weil man auch fliegen kann, 1.287 Mitarbeiter direkt. Ein Anstieg von 83 Prozent im Vergleich zu 2012, dem Jahr vor Eröffnung des Regionalflughafens.

Prof. Dr. Richard Klophaus, ZFL © Foto: Rainer Sander

Insgesamt waren sogar 3.432 direkte, indirekte und induzierte Arbeitsplätze mit der Flughafenaktivität verbunden. Die gesamtwirtschaftliche Bruttowertschöpfung des Wirtschaftsstandortes Flughafens belief sich 2024 auf 291,0 Millionen Euro, davon entfielen allein 93,4 Millionen Euro auf die Leistungserstellung direkt am Flughafen. Die gesamtwirtschaftliche Bruttowertschöpfung führte zu Steuermehreinnahmen in Höhe von 72,6 Millionen Euro, wovon ein Großteil dem Land Hessen und den anderen Gesellschaftern der Flughafen GmbH Kassel zugutekommen.

72,6 Millionen Euro Steuereinnahmen

Die Steuereinnahmen für die öffentlichen Haushalte übertreffen also deutlich die jährlichen Kosten des Flughafenbetriebs. Der Flughafenstandort leistet einen Mehrwert für die Region Nordhessen: 2.133 Arbeitsplätze und eine Bruttowertschöpfung von 171,6 Millionen Euro aus den gesamtwirtschaftlichen Effekten. Hessens Finanzstaatssekretär und Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen GmbH Kassel, Uwe Becker, bezeichnet „Kassel Airport als wichtiges Infrastrukturprojekt. „Für jeden Euro, den wir als Land für die betriebswirtschaftlichen Kosten aufwenden, bekommen wir drei bis vier Euro zurück. Das ist ein gutes Geschäft.“

Staatssekretär Uwe Becker © Foto: Rainer Sander

Der fiskalische Effekt liegt bei 72,6 Millionen Euro. An den Bund gehen 31 Millionen, 20 Millionen Euro Steuereinnahmen erhält das Land Hessen. „Die Umwegrentabilität für die öffentliche Hand zeigt, dass ein verkürzter Blick auf die Anzahl von Urlaubsflügen dem volkswirtschaftlichen Nutzen des Flughafenstandortes nicht gerecht wird“, sagte Becker.

Kassel Airport als wichtiger Standortfaktor für Nordhessen

Prof. Dr. Richard Klophaus, ZFL: „Trotz eines aktuell nicht profitablen Flugbetriebs bietet der Flughafen Kassel durch seine Rolle als Verkehrsinfrastruktur und Gewerbegebiet entscheidende wirtschaftliche Impulse für die Region, die durch innovative Konzepte wie Regionalflüge und Elektroflugzeuge weiter gestärkt werden können.“

Piper-Vorstand Patrick Weilbach © Foto: Rainer Sander

Der nordhessische Flughafen wird auch perspektivisch für Wachstum sorgen, beispielsweise durch die Umwandlung des ehemaligen Verkehrslandeplatzes in ein Gewerbegebiet. Einige Unternehmen konnten durch die Umsiedlung expandieren und erheblich an Größe gewinnen. Beschäftigtenzahlen sind dadurch enorm angestiegen. Die weitere Ansiedlung, Erweiterung und Aufrechterhaltung von Unternehmen in Nordhessen hängen meist auch von der direkten Nähe zum Flughafen ab. Bei Rückstufung zum Verkehrslandeplatz würden viele Effekte entfallen. Die meisten Starts und Landungen sind nicht touristisch.

Zukünftige Veränderungen des Luftverkehrs im Blick

Landrat Andreas Siebert erläuterte die Bedeutung des Flughafens als kritische Infrastruktur bei Krisenzeiten. Auch militärisch gewinnt der Airport bei geopolitischen Verwerfungen eine Rolle. Piper-Vorstand Patrick Weilbach geht am Rande der Pressekonferenz von zukünftig mehr und vor allem verändertem Flugverkehr aus. Ein Netz zur Verteilung im Frachtverkehr wird entstehen. Kleinere elektrische Flugzeuge werden zukünftig Passagiere und Fracht verteilen und benötigen ein dichtes Netz an Flughäfen.

In der Anbindung der Region Nordhessen als Deutschlands viertgrößtem Logistikstandort an den Flugverkehr habe hier wenig Einfluss auf die Menschen. Es wird mehr Frachtverkehr geben. Neben dem touristischen Flugverkehr werden auch der Geschäftsverkehr und der ethnische Luftverkehr eine Rolle spielen. Letzteres meint die „Pendler“ zwischen neuer und alter Heimat, unter anderem der Türkei. Der Airport rechnet sich nicht betriebswirtschaftlich, wohl aber volkswirtschaftlich. (rs)

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