Viele gesellschaftliche Gruppen bei Kundgebung in Baunatal
BAUNATAL. Dass immer häufiger – inzwischen fast täglich Ereignisse beobachtet werden können, die geeignet sind, der Demokratie zu schaden, dass es Gruppierungen gibt, die ganz offen oder versteckt gegen demokratische Strukturen arbeiten, war Anlass für eine Kundgebung auf dem Marktplatz in Baunatal am vergangenen Samstag.

Eingeladen hatte das Baunataler Aktionsbündnisses für Demokratie und Menschenwürde, eine Initiative von Stadt Baunatal, Privatpersonen, Vereinen, Verbänden, Parteien, Kirchen und Akteuren der Stadtgesellschaft, darunter allen drei Bürgermeisterkandidaten. Sie haben sich zusammengefunden, um sich nicht lautstark, aber hörbar und artikuliert für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen.

Täglich Meldungen zu politisch motivierter Gewalt

ANZEIGE

Seit fast genau 75 Jahren, seit dem 24. Mai 1949 hat Deutschland sein Grundgesetz, erinnerte Baunatals Stadtverordnetenvorsteher Reiner Heine mit dem 1. Paragraf: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Würde erklärte Heine mit Emanuel Kant. Es ist das, was über jeden Preis erhaben ist. Aber Demokratie ist nicht selbstverständlich und kein Selbstläufer. Wer nicht oder falsch wählen geht, hat später auch keinen Grund, um sich beschweren. Bundespräsident Walter Steinmeyer zitierte er mit dem Satz: „Wir brauchen ein Bündnis aller Demokraten“ und sicher nicht die Lautstärke ihrer Gegner. Man dürfe nicht auf diejenigen hereinfallen, die behaupten, eine Alternative zu sein: „Wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputtmachen!“

Versammelt hatten sich auf dem Marktplatz und 300 Bürgerinnen und Bürger aus Baunatal. Baunataler Kinder haben „Häuser der Vielfalt“ bemalt und beschriftet, die jetzt noch eine Weile im Baunataler Rathaus zu sehen sein werden.

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Stadtverordnetenvorsteher Rainer Heine begrüßte unter den „Demonstranten“ auch Gäste aus Vire, der Baunataler Partnerstadt in der Normandie (Frankreich), die anlässlich des 40. Jubiläums der Städtepartnerschaft angereist sind. Heine erinnerte: Am 24. Mai 1949, also genau vor 75 Jahren, trat das Grundgesetz in Kraft mit dem 1. Artikel: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. „Würde ist das, was über jeden Preis erhaben ist.“ Mit diesen Worten zitierte er Immanuel Kant. Demokratie sei auch nicht selbstverständlich und kein Selbstläufer. Wer nicht wählen geht oder falsch wählt, könne sich auch hinterher nicht beschweren.

Daniel Jung, Erster Stadtrat und Bürgermeisterkandidat für die Wahl in 4 Wochen, begrüßte freundlich die beiden anderen Kandidaten Gerhild Tuchan und Henry Richter: „Schön, dass wir eine Wahl haben!“ Er weiß, Demokratie macht auch Arbeit. Aber Freiheit gibt es nur in der Demokratie. Diese ist verletzlich.

60 Nationalitäten in 60 Jahren zusammengebracht

Im Märchen wirkt der Scheinriese größer, je weiter er wegsteht. Millionen von Menschen haben bereits Haltung gezeigt, nachdem Deportationspläne öffentlich wurden, die Jung als Schande für unser Land empfindet. Wir sind die Mehrheit, lassen dafür nicht einen Millimeter Platz und verteidigen Werte. Aber Politik kann das Problem nicht allein lösen und die anstehende Transformation ist eine große Herausforderung.

In der weltoffenen Stadt Baunatal leben Menschen aus 60 Nationen seit 60 Jahren zusammen. Sie tun das friedlich und Baunatal ist damit ein vorzeigbares Modell für Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenwürde.

Silke Engler: Demokratie macht Freude

Silke Engler nahm ein wunderbares Bild wahr mit 300 Menschen auf dem Baunataler Marktplatz und sieht darin ein starkes Zeichen, beispielsweise gegen Rechtsextreme, die schlagen, was immer häufiger vorkommt. Sie nannte Beispiele aus Wolfhagen und Gieselwerder. Ein bekannter Neo-Nazi hat dort ein Haus gekauft und wollte auch ein Nachbarhaus kaufen. Der Kreis kam zuvor und hat ein Haus der Demokratie errichtet.

Baunatal war schon immer weltoffen, erinnert sie die Erste Kreisbeigeordnete und frühere Bürgermeisterin. Wie sonst hätte sich das zweitgrößte Volkswagenwerk entwickeln sollen? So friedlich nebeneinander mache Demokratie Freude. „Wir dürfen heute hier stehen und sagen, was wir wollen. Es kommt keiner und holt uns dafür ab!“

Völkische Reinheit mit Christentum nicht vereinbar

Pfarrerin Corinna Luttropp-Engelhardt fand ihr Leitwort in Hebräer 4, 12, „Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“, und es erkläre, dass sich völkische Reinheit mit dem Christentum nicht vereinbaren lässt. „Kirche steht ein für Gesprächskultur, die Unterschieden Raum gibt“.

Bettina Pauli und Frank Grasmeier sprachen für das Baunataler Bildungsforum. Anette Böhle (KSV Baunatal) sprach für die Baunataler Vereine. Sie repräsentierten mehr als die Hälfte der Baunataler mit ihren Mitgliedern. Passend fand sie eine Textzeile der Ärzte: „Demokratie ist kein Fußballspiel, in dem Du nur ein Zuschauer bist und Freiheit keine App aus dem World Wide Web.“

Gegen Kräfte, die System von innen zerstören wollen

Annie Rossin, stellvertretende Bürgermeisterin von Vire, betonte, dass die deutsch-französische Freundschaft die meisten europäischen Initiativen entwickelt habe. Gemeinsam könne man Europa zum Führer in der Klimapolitik machen, aber auch Digitalisierung voranbringen und die militärische Zusammenarbeit voranbringen. Dabei gelte es gegen Kräfte zu arbeiten, die das System von innen zerstören wollen: „Suchen wir das, was uns eint und nicht, was uns trennt! Deutsch-Französische Freundschaft ist Erbe und Versprechen zugleich.

Stadtverordnetenvorsteher Reiner Heine schloss mit der Textzeile aus einem Ärzte-Lied: „Falls Du Dich jetzt fragst, wie man die Welt verbessern kann –  wie wäre es mit wählen gehen … ?“ (Rainer Sander)

ANZEIGE