Gestern Stunde der Anlieger im Stadtparlament Schwalmstadt

SCHWALMSTADT. Wird heute irgendwo im Außenbereich gebaut, folgen Proteste für mehr Umweltschutz und gegen Flächenversiegelung sowie Ackerflächenverlust. Wird im Innenbereich nachverdichtet, protestieren Anwohner gegen neue Nachbarn und für ihren Besitzstand. Sowohl in Treysa als auch in Ziegenhain werden Anlagen für Wohnhäuser entstehen. Mal „außen“ und mal „innen“.

Protestiert wurde diesmal nur in einem dieser beiden Fälle in Schwalmstadt. Bürgermeister Tobias Kreuter bekam ein Schreiben mit 150 Unterschriften und 2 Briefe von einem Anwohner, die er beantwortet habe. In Treysa am Schwalmberg entstünde ein überdimensionierter Wohnblock. Tatsächlich plant ein Investor in der Rommershäuser Hohle 12 Wohnungen mit jeweils 60 bis 70 Quadratmetern. Von der Zerstörung des Naturraums am Schwalmberg sei die Rede gewesen und von Partikularinteressen eines Einzelnen.

ANZEIGE

Wohnraum für Paare, Singles und Senioren

Tobias Kreuter dazu: „Natürlich haben wir einen Investor“ Hier gehe es aber um Wohnraum für Paare und Singles. Wir wollen nicht, dass Städte in die Breite wachsen und unnötig Flächen verbraucht werden. Das Projekt sei noch von seinem Vorgänger: Aber ich stehe dazu!“

Zu Beginn des Tagesordnungspunktes zum Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan in der Rommershäuser Hohle verließ Heiko Lorenz (FW) den Saal, weil er sich familiär betroffen fühlte. (Nachtrag um 12:02 Uhr: Herr Lorenz musste die Sitzung verlassen, wie auch bereits in den Ausschusssitzungen) Begleitet wurde die Diskussion von stets geduldeten Zwischenrufen betroffener Anwohner aus dem Publikumsbereich im Ziegenhainer Rathaus.

Thorsten Wechsel (CDU) gegen Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung und vor allem für sich

  • Nicht den Saal verließ Anwohner Thorsten Wechsel (CDU) „Ich spreche heute nur für mich“, sprachs aus seinem Munde und damit erklärtermaßen nicht für die Union. Für was ein Parlamentssitz doch gut sein kann! Wechsel sieht in Zukunft Häuser beschattet und Müllprobleme durch das überdimensionierte Bauprojekt. Das Verfahren sei intransparent. 16 Einheiten wurden ursprünglich geplant, dann 12 oder nur 6? Der Steuerberater wehrt sich gegen Planungen im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung. Immerhin: „Nichts ist so konstant wie der Wechsel!“ Am Schwalmberg stünden überwiegend Einfamilienhäuser. Jetzt kommt inklusive Carport ein Gebäude mit 4 Geschossen dazu. Die Baubeschreibung spreche von einer Versorgung mit Erdgas. Der Investor werde nach Standard KfW 40 bauen, was mit Gas nicht gehe. Die gesamte Fläche über dem Bürgersteig könne bebaut werden. Es gäbe keine Umweltprüfung, die Grundstücke seien aber naturbelassen und beherbergten seltene Arten. Er wisse nichts von einer Genehmigung zum Fällen der Bäume und wer Auftraggeber der Umwelteinschätzung sei. Fast der ganze Hang solle abgetragen werden, was zur Instabilität führen kann. Weiter oben parken Mitarbeiter von Hephata, unten die Besucher einer Arztpraxis. Für mehr Autos sei gar kein Platz. Im Parlament säßen zwei Bürger-Parteien für Schwalmstadt und für Bürgerwillen. Seine Hoffnung, dass diese gegen den Satzungsbeschluss votieren, erfüllte sich zumindest teilweise. Zum Schluss seiner und 40-minütigen Rede (20 Minuten sind in der Stadtverordnetenversammlung erlaubt) betonte er abermals: „Ja, ich bin Anwohner und Anlieger …“

Dr. Constantin Schmitt: Durchmischung ist für die Schwalm normal

  • Offiziell für die CDU sprach jemand, dafür ging Dr. Constantin Schmitt (FDP) direkt auf Herrn Wechsel ein: „Mich hat viel gewundert … mich hat vor allem gewundert, dass Sie nicht genauso rausgebeten wurden wie Herr Lorenz.“ Weiter fragte er: „Wo hätte das denn sonst stattfinden sollen?“ Es dürften nicht nur Etablierte auf einer Ecke wohnen und woanders eine Gettoisierung stattfinden. Eine Durchmischung ist für die Schwalm normal.
  • Georg Stehl (BfS) kann Unmut verstehen. Aber alle Regularien seien eingehalten worden. Der Innenbereich habe Vorrang. Die BfS, erinnerte er Herrn Wechsel, stehe für alle 18.000 Bürger Schwalmstadt. Er sehe auch keinen Großinvestor, sondern einen Bürger aus Schwalmstadt: „Wenn alle Anforderungen eingehalten werden, können wir nicht dagegen stimmen!“

Pfau und Balamagi: alle Vorgaben eingehalten

  • Auch Frank Pfau (FDP) ging auf Thorsten Wechsel ein. Es wurden in den in Ausschüssen Fragen gestellt. Zur Differenz von 2 zu 4 Geschossen erklärte er ganz sachlich: „Man muss das Gefälle sehen. Es ist fast die gleiche Höhe. Er selbst wohnt in der Nähe und kann hier keine Hauptzufahrt für den Schwalmberg erkennen. Nur wenige Autos fahren bisher dort hoch. Die Kompetenz des Bauingenieurs stehe durch nichts infrage. Die Kompetenz als Steuerberater würde bei Herrn Wechsel auch niemand infrage stellen. „Wir brauchen Wohnraum, vor allem kleine Wohnungen!“
  • Helmut Balamagi (SPD) befand, „Herrn Wechsel ist es nur gelungen, Emotionen zu wecken!“ Stadtverordnetenvorsteher Reinhard Otto kritisierte er, weil dieser gegen störende Zwischenrufe der Anwohner aus dem Zuschauerraum nicht eingeschritten ist. Barrierefreiheit und alle umweltrechtlichen Vorgaben.
  • Christian Herche (FW) erklärte die „Haltung“ der FREIE WÄHLER: „Wir werden nicht zustimmen, allerdings nicht aufgrund der Argumentation von Herrn Wechsel!“ Ein solcher Druck sei nicht akzeptabel.

Bisher haben sie die FREIE WÄHLER stets durch klare Argumentationsketten aufgefallen. Warum sie gestern gegen das Bauprojekt stimmen, wollte tatsächlich niemand erklären. O.k., die Gedanken sind frei …

Das Abstimmungsergebnis fiel dennoch eindeutig aus: 26 Stadtverordnete aus 6 Parteien stimmten für den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan, 6 FREIE WÄHLER stimmten dagegen. Enthalten wollte sich niemand. Damit kann gebaut werden.

Altes Autohaus wird zum Leuchtturmprojekt

Ganz anders verhält es sich bei der Bauleitplanung „Am Ring – Süd“ im Stadtteil Ziegenhain. Dort ging es noch nicht um den Satzungsbeschluss, sondern zunächst um den Offenlagebeschluss für die aktuelle Planung. Bürgermeister Tobias Kreuter erklärte, dass es sich um eine bisher komplett versiegelte Fläche dreht. Ein Investor möchte Betreutes Wohnen und/oder Mehrfamilienhäuser bauen. Es geht um die Fläche eines bisherigen Autohauses.

  • Frank Pfau (FDP) freut sich, dass ein Investor dank Referenzen Qualität beweist und eine versiegelte Fläche zurückbaut.
  • Engin Eroglu (FW) freut sich als unmittelbarer Nachbar ausdrücklich über das Projekt. Gut war es, zu den ursprünglichen Planungen erst einmal Nein zu sagen. Jetzt entstehe ein echtes Leuchtturmprojekt. Leider würden nur Geschosse gebaut, er hätte 4 gebaut. Im Gegensatz zum Schwalmberg werde hier eine Gewerbefläche in Wohnraum umgewandelt.

Die Abstimmung erfolgte (fast) einstimmig bei Enthaltung von Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (LINKE). (Rainer Sander)

ANZEIGE