Im Gespräch: Hubert Aiwanger zu Besuch in der Schwalm
SCHWALMSTADT | FRIELENDORF. Der Wolf treibt Hubert Aiwanger nach Niedersachsen. Das heißt, die Lösung eines Problems. Auf dem Weg von München nach Hannover liegt Nordhessen fast in der Mitte. Ein Grund für Hubert Aiwanger, um in Ziegenhain eine Übernachtungspause einzulegen und sich in der Heimat seines Stellvertreters im FW-Bundesvorstand, Engin Eroglu, umzusehen.

Auf der Tagesordnung stand der Besuch des neuen Schlachthofes der Familie Helwig in Schwalmstadt-Ziegenhain und der Bauernhof von Hartmut Ziegler in Frielendorf-Obergrenzebach.

Großer Preisdruck sorgt für weniger Schweinezucht

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Rund 1300 Schweine werden zurzeit täglich in einem der wenigen, in Nordhessen verbliebenen – und jüngst neu erbauten – Schlachthöfe zerteilt, erzählt Ralf Helwig bei einem Rundgang durch die moderne Anlage. Betreten werden kann sie nur im Schutzanzug und nach gründlicher Desinfizierung. Ralf Helwig stellt fest, dass viele Landwirte aufgeben, weil es sich nicht mehr lohnt, Schweine zu halten. Wer im Auf und Ab der Preisentwicklung einmal die Schweinezucht aufgegeben hat, fange auch nicht noch einmal neu damit an. Hubert Aiwanger, selbst Landwirt, weiß, dass die heimische Landwirtschaft nur überleben kann, wenn der Preisdruck von den Landwirten genommen wird.

Hubert Aiwanger in Ziegenhain und Schwalmstadt

Auch Frau Ziegler in Obergrenzebach ist skeptisch gegenüber Investitionen, als dort über die Schweinezucht gesprochen wird. Der Frielendorfer Betrieb hat seine Milchviehhaltung längst aufgegeben. Im ganzen Ort, so Hartmut Ziegler, gibt es keine Kühe mehr. Schweine gibt es noch, und zwar genauso viel, wie Fleisch im Ort verzehrt wird. 1990, berichtet er, gab es in Hessen noch 100.000 Zuchtsauen, 30 Jahre später, 2020, waren es nur noch 22.000.

Vom Industriekaufmann zum Landwirt

Im Wesentlichen werden bei Zieglers Zuckerrüben, Silomais, Weizen, Gerste und Raps in vierfacher Fruchtfolge angebaut.

Hartmut Ziegler hat zunächst Industriekaufmann gelernt und später beim Einstieg in den Betrieb seiner Ehefrau Landwirtschaft in Witzenhausen studiert. Er versteht es zu rechnen, erklärt den Ertragsdruck und das Bio leider 50 Prozent mehr Fläche braucht, mahnt aber: „Wir produzieren das Mittel zum Leben!“ Der Druck steigt, zum ersten Mal habe er Ostern auch an den Feiertagen arbeiten müssen. Die waren sonst der Familie vorbehalten.

Gegen ideologiegeprägte Politik

Nach dem Besuch hatte Hubert Aiwanger noch ein paar Minuten Zeit, um mit Rainer Sander von nh24 zu sprechen:

nh24: Wenn ich Aiwanger höre, assoziiere ich Bayern, eigene Meinung, schnörkellose Auftritte ohne blumige Versprechen, dafür stets kontrolliert. Damit haben Sie es in die Koalition mit einem meist emotionalen fränkischen Ministerpräsidenten geschafft. Ist dieses „Politische Jing und Jang“ der Prototyp für die neue Art von erfolgreicher Regierungsbildung?

Hubert Aiwanger: Zumindest funktioniert diese bürgerliche Koalition in Bayern trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten, weil beide Parteien, FREIE WÄHLER und CSU, vom selben politischen Ufer kommen. Die grüne Ideologie in der Ampel und auch in schwarz-grünen Koalitionen tut dem Land nicht gut. Dank starker FREIER WÄHLER in Bayern haben wir eine Regierungsbeteiligung der Grünen verhindert. Dieses Modell, bürgerliche vernünftige Regierung mit FREIEN WÄHLERN wäre auch für Hessen und ganz Deutschland ein Zukunftsmodell, das ich anstrebe.

Niederbayern und Nordhessen sind sich ähnlich

nh24: Schön, einen echten Bayern in Hessen zu erleben. Nordhessen ist so etwas wie das hessische Niederbayern. Haben Sie heute Parallelen festgestellt?

Hubert Aiwanger: Ja, Nordhessen ist wie meine Heimat ländlich und landwirtschaftlich geprägt. Die Menschen hier sind sympathisch und freundlich. Leider sterben die Bauernhöfe wie die Fliegen und die Dörfer verlieren damit das ursprüngliche Leben. Wir müssen alles tun, damit Landwirtschaft, Mittelstand und ländlicher Raum wieder eine Zukunft haben, hier Häuser gebaut und Familien gegründet werden und die jungen Menschen nicht alle im Moloch der Großstädte verschwinden.

nh24: Sie sind selbst Landwirt. Hat der Besuch bei einem nordhessischen Kollegen und in einem nordhessischen Schlachthof neue Erkenntnisse gebracht?

Hubert Aiwanger: Die Erkenntnis war, dass die Landwirtschaft überall mit Bürokratie und von Leuten in der Politik, die von der Sache nichts verstehen, zugrunde gerichtet wird. Es ist beängstigend, wenn der Trend am Ende die Nahrungsmittel-Abhängigkeit vom Ausland ist und Tiere und Lebensmittel immer weiter transportiert werden müssen, am Ende noch mit dem Öko-Stempel drauf, aber per Flugzeug um die Welt geflogen. Im Lebensmittelhandel beherrschen heute vier Konzerne 80 % der Menge. Diese marktbeherrschenden Strukturen sind fatal, besonders wenn sie den letzten Cent aus den Erzeugern zu ihren Gunsten rausholen wollen. Es müssen wieder auskömmliche Preise für die Erzeuger von den Ferkelerzeugern, Schweinehaltern über die Milchbauern bis hin zu den Getreidebauern bezahlt werden, sonst bricht die heimische Rohstoffversorgung unserer Nahrungsmittelversorgung weg. Leider tut die Bundesregierung hiergegen nichts, sondern es macht eher den Eindruck, dass die Landwirte als Gesellschaftsschicht verschwinden soll, weil sie einigen nicht mehr ins Weltbild passen.

Möglichst viel regionale Wertschöpfung mit erneuerbaren Energien

nh24: Sie setzen sich gerade für vehement für Windkraft, Geothermie, Wasserkraft, Biomasse und Wasserstoffnutzung ein. Wie sähe eine „Aiwangersche Energiewende“ aus?

Hubert Aiwanger: Möglichst viel Erneuerbare Energien vor Ort mit möglichst viel Wertschöpfung bei den Landwirten, Bürgern und Kommunen. Die Strommärkte müssen deutlich flexibler werden, um Angebot und Nachfrage besser zusammen zu bekommen. Wir müssen zusätzlich massiv in Speichertechniken gehen bis hin zum grünen Wasserstoff. Wasserstoff wird ein zentraler Energieträger der Zukunft, der soweit möglich mit Überschussstrom hierzulande erzeugt wird, aber auch in großem Stil importiert über die jetzigen Erdgaspipelines. Die können überwiegend auch für Wasserstoff genutzt werden und wären in wenigen Jahren lieferfähig, wenn der Bund endlich diesen Weg beschreitet. Ich habe in Bayern bereits ein Förderprogramm für Wasserstoff-Tankstellen für LKW und Nutzfahrzeuge aufgelegt, bereits dieses Jahr werden die Ersten in Betrieb gehen. Zusätzlich starten wir in den nächsten Wochen ein Förderprogramm über 150 Millionen Euro für rund 50 dezentrale Elektrolyseure. Ich bin auch dafür, weiterhin Brennholz zur Energiegewinnung einzusetzen. Dadurch werden fossile Energieträger ersetzt und die Wälder bleiben gepflegt. Holz verfaulen lassen und dafür Wärmepumpe mit Kohlestrom einzusetzen ist ein ideologischer Irrsinn und funktioniert in vielen älteren Häusern nicht.

Auf Krisen besser vorbereiten, um Dauerkrisenmodus zu verhindern

nh24: Die Ampel sagt „Wumms“ und „Doppelwumms“ und nimmt vielen Menschen am Ende die Mehrzahl dieser „Geschenke“ wieder weg. Sie kritisieren das sehr häufig. Was würden Sie bei zukünftigen Krisen besser machen? 

Hubert Aiwanger: Wir müssen unser Land insgesamt wieder stabiler aufstellen, um nicht ständig im Krisenmodus zu sein. Die Schließung von immer mehr kleinen Krankenhäusern und der Nachwuchsmangel bei den Hausärzten wird die nächste Gesundheitskrise produzieren. Ohne heimische Landwirtschaft steuern wir auf eine Ernährungskrise zu. Die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes wurde durch die Aussetzung der Wehrpflicht ruiniert. Die politisch gewollt hohen Energiepreise treiben die Industrie aus dem Land. Die innere Sicherheit wird auch durch eine unkontrollierte Zuwanderung und ein Wegschauen bei Fehlentwicklungen gefährdet. Das führt am Ende zu einer politischen Polarisierung und einer Vertrauenskrise in die Demokratie. Deshalb muss wieder mehr gesunder Menschenverstand in die Politik.

nh24: Herr Aiwanger, vielen Dank für das Gespräch!

Ziehen FREIE WÄHLER in den hessischen Landtag ein?

Sowohl Hubert Aiwanger als auch Engin Eroglu waren sich einig, dass die FREIEN WÄHLER nach Bayern und Rheinland-Pfalz auch in Hessen am 8. Oktober in den Landtag einzuziehen. Das Ziel sei zu verhindern, dass immer mehr Landwirtschaftsministerien Grünen werden. Dazu trage, so Eroglu, auch der Stimmenanteil der AfD bei, der bürgerliche Mehrheiten verhindere. Es wird in der Natur der Sache liegen, dass andere Parteien dazu andere Meinungen haben. Der hessische Wähler hat am 8. Oktober das Wort. (rs)

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