Meteorologe und Moderator Gast bei Homberger Neujahrsempfang
HOMBERG/EFZE. Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Thurau konnte mit Dr. Bettina Hoffmann und Dr. Edgar Franke zum ersten Mal gleich zwei Staatssekretäre beim Neujahrsempfang begrüßen. Nach zwei Jahren Verzicht, der alle getroffen habe, wieder in der Homberger Stadthalle. In der Folge von Corona ging es um Gesundheit, in der Folge der Energiekrise gehe es um Existenzen, so Thurau.

„Schwerer wiegt das Schicksal der Geflüchteten“, befand der Stadtverordnetenvorsteher. „Ich wünsche mir für 2023 Frieden. Nicht nur in der Ukraine! Können wir das in Homberg beeinflussen?“ Fragte er und gab selbst die Antwort: „Jeder kann!“ Man könne sich beispielsweise gegen diejenigen stellen, die ausgrenzen oder Gewalt gegen Hilfskräfte anwenden. Gemeinsam für ein gesellschaftliches Miteinander in Homberg. Schließlich zitierte er Sokrates: „Konzentriere nicht Deine Kraft auf das Bekämpfen des Vergangenen, sondern auf das Erschaffen von Neuem.“

Thomas Ranft: Alle Wetter Live

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Thomas Ranft aus der ARD-Wetterredaktion knüpfte daran an: „Ich sage Ihnen, dass sie in Homberg die Welt retten können. Sein Thema: „Mehr als gute Vorsätze: mit frischer Energie gegen die Klimakrise.“

Ein kleiner Felsbrocken war in der Nacht zuvor nur 3600 Kilometern nah an der Erde vorbeigeflogen. Die Wettersatelliten umkreisen den Planeten in zehnfacher Höhe. Er war ungefährlich, im Gegensatz zu dem Asteroiden, der vor 66 Millionen Jahren durch das raste, in Mexiko aufschlug, für 30 Jahre Dunkelheit und das Sterben von 75 Prozent des Lebens auf der Erde sorgte. Das 5. Massensterben der Erdgeschichte. Jetzt, so Ranft, erleben wir das 6. Massensterben.

Wir neigen zu einem Abwägen zwischen Wirtschaft und Umwelt. Was uns fehlt, sei ein Lehrgang „Wie gehe ich ordentlich mit dem Planeten um!“ Wir gehen mit dem Planeten um, wie Jugendliche, die in einen Supermarkt einbrechen, erst Süßes, dann Salziges aufessen, aber keiner bezahlt, bestellt nach und räumt auf. Irgendwann ist alles, alle …

Es gibt zu wenig Sand auf der Erde, um zu bauen, was wir vorhaben

So werden die Ressourcen auf der Erde knapp. Sogar der Sand. Milliarden von jungen Menschen wollen eine Wohnung, aber wir haben nicht genug Sand, um alles das zu bauen, was wir noch bauen wollen. Ranft: „Das geht schief!“

Aktuell erleben wir die bisher schnellste Erderwärmung der Erdgeschichte. Der bisherige Rekord liegt bei 5 Grad in 200.000 Jahren. Wir schaffen jetzt 2,8 Grad in weniger als 200 Jahren: „Wir verbrennen Zeug. Das war nicht immer so!“ Erst seit relativ kurzer Zeit. Es kommen Argumente wie, „Wir verschandeln die Landschaft mit Windrädern!“ Was ist mit den riesigen Kohlegruben, in die eine Millionenstadt passen würde?

Wenn Indien Tempo mit der Energiewende macht …

Die gute Nachricht ist, „Es gibt für 90 Prozent unserer Probleme bereits Lösungen. Es mangelt nicht am Wissen, sondern am Tun!“ Hätte man dem T-Rex damals gesagt, vielleicht hast Du eine Chance, wenn Du kein Fleisch mehr isst, er hätte Blätter gelutscht. Heute würden wir gerne einen Stuhlkreis mit allen Ländern der Erde bilden. Faktisch liegt in den Ländern, in denen die Folgen spürbar sind, die Bereitschaft, aus Verbrennung auszusteigen, bei 90 Prozent. In Deutschland bei 75 Prozent. Ranft gibt eine Rechenaufgabe zum Nachdenken: „In Indien lässt sich eine Kilowattstunde für 1 Cent produzieren. Wenn die loslegen, können wir uns warm anziehen. Wir sind nicht, wer wir sind, weil wir Autos gebaut haben, sondern weil wir Technologieführer waren. Jetzt verlieren wir gerade die Technologie“. Sein guter Rat: „Lächeln über den produzierten Strom der eigenen PV-Anlage.“ Lächeln steckt an und andere wollen dann auch lächeln … so funktioniert es mit der Energiewende!

Bürgermeister Dr. Nico Ritz denkt zwischen den Jahren immer über Dinge nach, die sonst nicht im Vordergrund stehen. Dieses Jahr stand die Frage im Raum, „Was wird Wort des Jahres 2023?“ „Zeitenwende“ war gerade zum Wort des Jahres 2022 gekürt worden. Eigentlich beschreibt der Begriff den Beginn der christlichen Zeitrechnung. Frühere Jahres Worte waren Coronazeit, Wellenbrecher, Wutbürger oder postfaktisch.

Zukunftsorientiert, Grundkonsens oder vernünftig?

2023 wäre es schön, ein positiv besetztes Wort zu finden. „Zukunftsorientiert“ wäre doch mal was Schönes. In Homberg könnte es für das Krankenhausareal stehen. Natürlich sei es schade, dass keine Klinik mehr in Homberg steht und nun Bauruine saniert wird. Aber das ist rückwärtsgewandt. Vielmehr eröffnet sich eine Chance für eine neue Art des Bauens.

Oder „Grundkonsens“ als Jahreswort? Politischer Grundkonsens ist gefragt. Es leben mehr Menschen in totalitären Staaten als in Demokratien. Das Klima verlangt einen Grundkonsens. In Homberg kam in der Haushaltsdiskussion die Frage auf, „können wir mit Schrottimmobilien die Welt retten?“ Vermutlich nicht, ahnt Dr. Ritz. „Aber lassen Sie uns doch anfangen, wenn uns schon der Sand ausgeht. Machen wir aus den Ortskernen wieder das, was sie immer waren.

„Vernünftig“? Das heißt nicht spießig. Von Vernunft getrieben Dinge entscheiden? „Wir haben lange über das Homberger Freibad diskutiert. Am Ende wird es knapp unter 10 Millionen kosten. Das haben wir nicht entschieden, weil wir es immer hatten, sondern es brauchen. Die Entscheidung zur gemeinsamen Feuerwehr für die Kernstadt und Holzhausen sei vielleicht emotionaler Rückschritt, aber absolut vernünftig. Auf jeden Fall werde 2023 gewiss wieder ein herausforderndes Jahr In Homberg. Das geschehe in einem kommunalpolitischen Klima, geprägt von Konsens. Er ist gespannt auf 2023 und motiviert.

Fünfmal Ehrenplakette

Eine Tradition, die zum Neujahrsempfang in Homberg gehört, sind Ehrungen. Fünf verdiente Persönlichkeiten bekamen die Ehrenplakette, die zweithöchste Auszeichnung nach der Ehrenbürgerschaft verliehen: Gretel Döll, Liesbeth Kaufmann, Inge Koch, Edith Köhler und Lydia Köhler waren gestern die geehrten. Für den musikalischen Rahmen sorgten Karin Stihl-Stracke (Gesang) und Markus Klöpfel (Flügel) mit Musical- und Film-Melodien. Anschließend gab es ein kaltes Buffet, das von ehrenamtlich tätigen Frauen zusammengestellt wurde. (rs)

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