NIEDENSTEIN/BERLIN. Dr. Bettina Hoffmann war schon 20 Jahre lang in der Kommunalpolitik aktiv, als sie 2017 als Abgeordnete in den Bundestag einzog und als einzige Grüne Nordhessen in Berlin vertrat. Vier Jahre später sitzt sie als Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz mit auf der Regierungsbank.

Frau Hoffmann, nicht nur die Ampel-Koalition regiert seit drei Monaten, sondern auch Sie als Parlamentarische Staatssekretärin sind seit 100 Tagen im Amt. Wie fühlt sich das an?

Bettina Hoffmann: Immer noch hervorragend. Die 100 Tage sind wie verflogen. Wir haben in dieser kurzen Zeit schon sehr viel bewegt und gleichzeitig bindet die aktuelle Krisenlage – der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die andauernde Coronakrise – viele Kräfte.

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Politik im Ausnahmezustand und trotzdem viel bewegt – können Sie konkret einige Punkte nennen?

Bettina Hoffmann: Ich war schon in die Koalitions-Verhandlungen eingebunden, nun wird der Vertrag Schritt für Schritt umgesetzt. Der Mindestlohn wird auf zwölf Euro erhöht und wir haben konkrete Entlastungen für Familien, Wohngeldempfänger und Auszubildende beschlossen. Zudem haben wir endlich erreicht, dass Paragraf 219a im Strafgesetzbuch abgeschafft wird, der die Information zu einem Schwangerschaftsabbruch auf Internetseiten von Ärzten strafbar macht. Nicht zuletzt werden wir noch vor Ostern ein Klimaschutz-Sofortprogramm, ein Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz und eine Reform des Erneuerbare-Energie-Gesetzes auf den Weg bringen – es gibt viel zu tun und wir stehen vor großen Herausforderungen.

Noch immer ist die Coronakrise nicht überwunden, jetzt kam auch darüber hinaus mit dem Krieg in der Ukraine eine weitere Krise hinzu. Gibt es da nicht wichtigere Themen als den Klimaschutz? 

Bettina Hoffmann: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt einmal mehr, wie wichtig gerade jetzt die Umstellung auf erneuerbare Energien ist. Die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten macht uns politisch angreifbar. Mit Sonnen- und Windenergie oder Wärmepumpen machen wir Deutschland unabhängig von russischem Erdgas. Wir Grüne sind angetreten, für eine bessere Umwelt, besseres Klima und eine bessere Gesundheit zu sorgen. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass keine Krise allein für sich gesehen werden kann.

Welchen Einfluss haben Sie bei alledem als Parlamentarische Staatssekretärin?

Bettina Hoffmann: Meine Aufgabe ist es, zwischen Regierung und dem Parlament zu koordinieren. Ich berate mit der Ministerin und den Fachleuten im Haus, wie wir unsere Vorhaben umsetzen können. Aber auch aus dem Austausch mit den Bundestagsfraktionen bekomme ich immer wieder wichtige Impulse für die Arbeit im Ministerium.

Hat sich viel für Sie verändert durch das neue Amt?

Bettina Hoffmann: Ja, auf alle Fälle. Das neue Amt bedeutet mehr Verantwortung, neue Zuständigkeiten und einen noch volleren Terminkalender. Als umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion in der Opposition habe ich daran mitgewirkt, Konzepte und Ideen für eine echte Kreislaufwirtschaft, bessere Luftqualität oder den Schutz unseres Wassers zu entwickeln. Teil der Regierung zu sein, heißt, mitzugestalten. Nun können wir die Konzepte, die wir in der Opposition entwickelt haben, auch endlich umsetzen.

Wofür sind Sie genau zuständig?

Bettina Hoffmann: Als Parlamentarische Staatssekretärin nehme ich für die Umweltministerin regelmäßig am Umweltausschuss des Bundestags teil. Ich vertrete sie auch auf  internationalen Kongressen, falls sie selbst verhindert ist. Zudem beantworte ich die Fragen der Abgeordneten ans Ministerium. Alles, was sich um Naturschutz, Wasser oder Kreislaufwirtschaft dreht, landet auch auf meinem Schreibtisch.

Gibt es ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Bettina Hoffmann: Mein Herz schlägt für den Wald. Wälder sind eine wichtige Sauerstoffquelle und Lebensraum für viele Arten. Wir müssen alles dafür tun, alte Buchenwälder zu schützen, mehr Wildnis zu schaffen und naturnahe Wälder zu ermöglichen. Grundsätzlich ist es mir ein Anliegen, dass wir endlich begreifen, wie alles zusammenhängt. Eine gesunde Umwelt ist wichtig für ein gesundes Leben. Doch dafür müssen wir unseren ökologischen Fußabdruck verkleinern, unsere Ressourcen mehr schonen und unser Klima verbessern.

Das ist manchmal leichter gesagt, als getan.

Ja, das stimmt.  Klimakrise, Artensterben, Umweltverschmutzung erfordern eine ganz neue Politik. Wir müssen unsere Wirtschaft und unsere Infrastruktur fit für die Zukunft machen. Die verheerenden Flutkatastrophen im vergangenen Jahr haben uns bereits gezeigt, wie hoch der Preis für das Nichtstun ist. Klar ist aber auch, ein politischer Neuanfang wird nur gelingen, wenn wir die Bürger mitnehmen. Wir müssen besser informieren und Politik transparenter gestalten. Alles andere schürt Unsicherheit und Frustration. 

Bleibt da überhaupt noch Zeit, im Wahlkreis präsent zu sein?

Bettina Hoffmann: Es ist definitiv schwieriger geworden, aber ich versuche, so viele Termine wie möglich vor Ort wahrzunehmen und ansprechbar zu sein. Daher bin ich auch mit meinem Wahlkreisbüro von Kassel nach Wabern gezogen. Für die Anliegen in meinem Wahlkreis habe ich immer ein offenes Ohr.“ 

Mit dem Blick aus Berlin: Was schätzen Sie besonders an ihrer Heimat Nordhessen?

Bettina Hoffmann: Da gibt es vieles, aber als gelernte Biologin schlägt mein Herz vorwiegend für die Natur. Und die zu erhalten, liegt mir besonders am Herzen. Unsere Buchenwälder sind schon etwas ganz Besonderes, nicht ohne Grund leben wir am Rande eines Nationalparks und umgeben von Naturparks. Ich liebe es, hier gemeinsam mit meinem Mann auf lange Spaziergänge zu gehen – das gibt mir Kraft für meine Arbeit in Berlin. (pm)

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