FRIELENDORF. Ein schöner Satz, der irgendwie niedlich, sehr liebevoll und fürsorglich klingt. Es ist so, als läge eine gute Freundin im Sterben und jetzt ruft die DKMS zur Stammzellenspende auf. Also, irgendwie so? Tatsächlich geht es um einen Wald, der zwar nicht krank, aber vom Bau einer Autobahn bedroht ist. So geht es vielen Wäldern und Feldern.

Sie werden als Flächen für Windkraftanlagen, Baugebiete, Straßen und sogar für Kommunikationszentren, Solarzellen-Fabriken und Windkraft-Manufakturen versiegelt. Die Gesetze regeln, welche Ausgleichsflächen geschaffen werden müssen und wo es überhaupt nicht geht. Soweit so gut – oder auch nicht…

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Irgendjemand hat die Parole ausgegeben, der Danni (Dannenröder Wald) könne „gerettet“ werden, wenn nur genügend Leute protestieren. Mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem diese Vorgehensweise bei irgendeinem laufenden Bauprojekt etwas bewirkt hätte. Der Hambacher Forst, der fallen sollte, obwohl der Braunkohleausstieg bereits geschlossen war, ist mitnichten mit dem Herren- oder Dannenröder Wald vergleichbar. Ein Autobahn-Ausstieg ist mir jedenfalls nicht bekannt.

Weniger Verkehr durch weniger Autobahnen?

Wer gegen die A49 protestiert, scheint geradezu magisch davon überzeugt zu sein, dass weniger Straßen auch weniger Verkehr bedeuten. Mir kommen dabei immer ganz blöde Bilder in den Kopf, die ich nicht loswerde. Allein schon zum Thema Verkehr: Die katholische Kirche versucht seit Jahrhunderten Geschlechtsverkehr unter anderem durch Verbot von Verhütungsmitteln zu verhindern. Statistisch gesehen leiden Katholiken (gegenüber Protestanten) weder an Sexlosigkeit, noch an Kinderarmut.

Weniger Stuhlgang durch Klopapiermangel?

Ich sehe aktuell gerade die (wieder) leeren Klopapier-Regale aufgrund der Corona-Pandemie. Es gibt Menschen, die zurzeit einfach kein Toilettenpapier mehr abbekommen, weil andere es schon gekauft haben. Auch hier ist mir niemand bekannt, der es infolgedessen geschafft hätte, über einen längeren Zeitraum die Notdurft zu verhindern oder die Gesamtmenge seiner Hinterlassenschaften hätte verringern können. Das klappt einfach nicht! Das Problem beginnt streng genommen bereits mit der Nahrungsaufnahme. Nicht gebaute Straßen verhindern keinen Verkehr, solange sich die Ursachen für den Verkehr nicht ändern! Das zu beeinflussen wird in beiden genannten Fällen nicht ganz leicht sein….

Ich kenne sogar Autobahngegner, die bei Amazon, Zalando und Co. bestellen. Vermutlich nicht einmal weniger als Autobahnbefürworter. Vielleicht schon deshalb, weil viele von ihnen gar nicht mehr zum Einkaufen kommen. Und vermutlich gibt es auch unter ihnen solche, die ganz schnell den Versandhändler wechseln, wenn der nicht schnell genug liefert. Wir sind da alle gleich – glaube ich –!

Leben an der B3

Es gibt übrigens eine Menge Menschen entlang der B3 und anderer Straßen, die auf die A 49 zum Teil schon seit 60 Jahren warten. Die haben keine Lust auf noch ein Planfeststellungsverfahren, um irgendwelche Ortsumgehungen zu planen, für die im Übrigen auch Bäume gerodet werden müssen. Nur eben in einem anderen Wald. Bei dem gerade gebetsmühlenartig geäußerten Gedanken, den gesamten Güterverkehr auf die Schiene zu bringen, fände ich auch die Bilder lustig, dass jedes Dorf für die vielen letzten Kilometer einen Gleisanschluss haben muss und auch dafür Flächen geopfert werden müssten. Wir können das Leben drehen und wenden, wie wir wollen, es gibt keine einfache Lösung, auch dafür nicht. Die Wahrheit liegt nicht im Zweifel, sondern im Fortschritt, gewiss nicht im Rückschritt…

Der Aufruf „Danni retten!“ lockt indes ganz viele ortsfremde Protestierer in den Wald. Die kommen aus Hamburg, aus München, also aus Städten, in denen Busse und Bahnen im Fünf-Minuten-Takt fahren und CarSharing zum Alltag gehört. Menschen in der nord- und mittelhessischen Provinz brauchen zum Einkaufen das Auto und selbst optimistisch betrachtet, wird das noch eine ganze Weile so bleiben. Schon deshalb, weil sogar die besonders „bewussten“ Konsumenten ganz sicher mit dem Auto in die Stadt fahren, wenn es den Öko-Toilettenreiniger und den veganen Lieblings-Schokoriegel nicht im EDEKA oder REWE vor Ort gibt. Und das, weil sie sich den Spaß – im Gegensatz zu Tafel-Kunden – leisten können. Das Leben ist komplizierter, als man es gerne hätte.

Auf ins Schanzenviertel und nach Berlin Mitte, um Disziplin zu predigen!

Und wenn wir jetzt alle gemeinsam nach Hamburg ins Schanzenviertel oder nach Berlin Mitte fahren würden, wo viele Demonstranten vermutlich herkommen, um dort gegen das Feiern auf der Straße – bis in die Nacht – ohne Masken zu demonstrieren, weil wir hier unter den Einschränkungen für alle leiden müssen und am besten noch ein paar Autos mit Kreuzen Markieren, um sie reinigend abzufackeln, wenn das Virus sich weiter ausbreitet, fänden die Leute dort mit Sicherheit, dass das kein guter Grund wäre.

Ihr

Rainer Sander

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