Hans-Gerhard Avenarius sammelt alte Dokumente
FRIELENDORF. Vor 100 Jahren ist der erste Weltkrieg zu Ende gegangen, der zweite hat vor 80 Jahren begonnen. Die traurigen Erinnerungstage häufen sich gerade in diesen Monaten und Jahren. Zwei Mal hat die Welt in Schutt und Asche gelegen, zwei Mal haben Schmerz, Entbehrung, Trauer und Verlust fast jede deutsche oder europäische Familie erreicht.

Und im zweiten Weltkrieg haben Zerstörung und sichtbarer Tod auch die deutschen Städte überrollt. Aber gerade jetzt reden wir wieder viel über Abgrenzung, Nationalismus und viele Menschen wollen am liebsten glauben, dass es ganz einfache, simple Lösungen gibt für die Probleme dieser Welt. Wie? Ganz einfach eben: jeder denkt am besten zuerst an sich selbst…

Dokumente erzählen ergreifende Geschichten aus der Geschichte

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Hans Gerhard Avenarius mit einer alten Urkunde © Foto: Rainer Sander

Gelegentlich ist es lehrreich, sich mit der Vergangenheit ein wenig intensiver zu beschäftigen und manchmal ist es gut, sich das Leben unserer Eltern und ihrer Eltern etwas genauer anzuschauen. Auch das, worüber sie nicht gesprochen haben, weil der Schmerz zu groß, die Geschehnisse sowieso nicht zu begreifen waren und man zu dieser Zeit weniger geklagt und weniger über Gefühle gesprochen hat als heute.

Hans Gerhard Avenarius sammelt alte Dokumente. Als Apotheker natürlich einerseits medizinische Dokumente und alte Bücher, andererseits und hauptsächlich, aber auch kirchliche Urkunden, zum Beispiel über Geburt oder Eheschließung, über Sterbefälle und genauso Weltliches. Dazu gehören viele Briefe und Postkarten. Je mehr sich der Pharmazeut und Kaufmann in die Inhalte seiner erworbenen Exponate von Flohmärkten, Auktionen und aus dem Internet vertieft, desto mehr Geschichten und Schicksale offenbaren diese.

Weiterforschen – bis sich Schicksale erschließen

Manches Mal möchte man sich gar nicht zu sehr auf die Ereignisse einlassen, die in den Briefen erzählt werden. Dann wiederum lassen sie einen einfach nicht los und Hans Gerhard Avenarius muss weiterforschen. Das Internet, sagt er, macht es oft einfach, etwas mehr zu erfahren. Wie mit der Geschichte über einen deutschen Flieger Harald Machleit aus dem zweiten Weltkrieg. Ein Soldat aus der Mannschaft, der den Abschuss der Maschine als einziger überlebt hat, schreibt der Familie, wie schlimm der Verlust und wie groß die Achtung vor seinem Vorgesetzten ist. Im niederländischen s’Hertogenbosch hat das tragische Ereignis stattgefunden.

Im Internet hat Avenarius auch den englischen Piloten gefunden, der 1944 das Deutsche Flugzeug abgeschossen hat. Die Deutschen waren sicher machtlos in den letzten Kriegsmonaten, so darf man ruhig spekulieren. Tatsächlich hat der Frielendorfer Apotheker auch ein Bild von der Beerdigung aus Holland gefunden sowie den Schriftverkehr vervollständigt. Und plötzlich erschließt sich eine vollständige Geschichte zu dem ursprünglich gefundenen Brief, um beendetes Leben, eine trauernde Familie, einen Todesschützen, der damit Leben muss, Menschenleben ausgelöscht zu haben und eine Zeit, in der sich Völker unversöhnlich gegenübergestanden haben. Dabei waren es Menschen, die sich nie etwas getan hätten, wären sie sich im Frieden und ohne Abgrenzung begegnet.

Eine Ausstellung in Frielendorf geplant

Ein Mosaik setzt sich zusammen. Gleichzeitig hat jemand Meldungen gesammelt über hingerichtete NS-Gegner. Das kann nur jemand getan haben, der selbst im Widerstand war, vermutet Avenarius, der die Zeit etwas transparenter machen möchte, damit der Wert des Friedens deutlicher zu Erkennen ist. Ein Fotoalbum dokumentiert eine Zeit und das Leben vor 80 oder 100 Jahren. Dafür sucht Herr Avenarius anhand des Wappens die ursprüngliche Besitzerfamilie. Das Wappen sagt, er ist signifikant. Das müsste irgendjemand erkennen.

So sammelt er weiter. Und bald, soviel verrät er schon, wird es eine Ausstellung von Dokumenten und Exponaten geben, die öffentlich zugänglich sein soll. Mehr wird noch nicht verraten, aber er hat viel Material zusammen, das eine Zeit dokumentiert, aus der wir heute etwas lernen können. Einerseits fasziniert ihn diese Epoche, mit allem, was passiert ist, andererseits möchte er dazu beitragen, die Welt etwas friedlicher zu machen. Weil die Vergangenheit es nicht gewesen ist und das über Jahrhunderte hinweg. Wir dürfen gespannt sein. (Rainer Sander)

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