FREIE WÄHLER vermissen Aktionsplan und wollen KonfiCup
SCHWALMSTADT. Biblisch bedeutet die Zahl 8 Neuanfang und Wiedergeburt. Die liegende ∞ steht für Unendlichkeit. Acht Jahre nach Verleihung des „Titels“ Konfirmationsstadt ist für viele Schwalmstädter unklar, was das nun bedeutet. Gestern vor zwei Monaten hat die Agentur FUTOUR in einer 40.000 EUR teuren und 170 Seiten langen Konzept-Studie erklärt, wie’s gehen kann..

Wenn – abgeleitet aus dem Haushalt – der Personalstand, die Brutto-Gehaltssumme und das Durchschnittsgehalt statistische Kriterien für die Erfolgserwartung an eine städtische Abteilung sind, darf man von der WTS (steht für Wirtschafts- und Tourismusförderung sowie Stadtmarketing) jetzt Überdurchschnittliches erwarten. So dachten die FREIE WÄHLER (FW) in der Stadtverordnetenversammlung und fragten Bürgermeister Tobias Kreuter dazu. Der habe das Stadtmarketing mehrfach zur „Chefsache“ erklärt und damit persönlich Verantwortung für die Vermarktung der Konfirmationsstadt übernommen. Gegenüber nh24 (und anderen Medien) erklärt Herr Kreuter gerne, dass er allein für Erfolge und Misserfolge der Abteilung verantwortlich ist und nicht möchte, dass die Namen der dort Beschäftigten in der Berichterstattung eine angemessene oder unangemessene Rolle spielen.

Aktionsplan nach innen und außen

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„Wir erwarten jetzt von Ihnen einen konkreten Aktionsplan, der nach innen und nach außen wirkt“, beginnen die FW ihre Anfrage. Es müsse endlich klar werden, was die Stadt aus ihrem Alleinstellungsmerkmal macht und welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ziele sie damit verfolgt.

  1. Welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ziele verfolgt die Stadt mit dem Alleinstellungsmerkmal der Konfirmationsstadt?
  2. Wann beginnt die Umsetzung erster Maßnahmen als Ergebnis des Konzepts Konfirmationsstadt und welche sind dies?
  3. Zur Weiterentwicklung des Standortes der „Evangelischen Hochschule Hessen (EHH)“: Aufgrund der ab dem Wintersemester 2026 zu erwartenden Studierendenzahlen könnte am Stadtrand ein neuer Campus mit neuen Hörsälen und mit Wohnungen für ca. 300 junge Menschen entstehen. Gibt es hierzu eine Kommunikation mit Hephata und wie kann und wird die Stadt in ihrem eigenen Interesse – und als zukünftige Hochschulstadt – Hephata bei diesem Transformationsprozess unterstützen?
  4. Schließlich fehle auch 7 Jahre nach Einfahrt des ersten Intercity-Express im Stadtmarketing das Wort ICE.

Bürgermeister Kreuter bemüht sich um die Vergangenheit und meidet die Zukunft

Die Antwort von Bürgermeister Tobias Kreuter beinhaltet eine ausführliche Aufzählung bereits umgesetzter Maßnahmen – viele davon Jahre, viele alt und nicht im Zusammenhang mit dem Konzept – und einen Ausblick, der auf das Jahr 2039 (!) zielt: 500 Jahre Konfirmation. Zusammengefasst komme die Studie zu dem Ergebnis, dass das Thema „Konfirmationsstadt“ gegenwärtig kein nennenswertes wirtschaftliches Potenzial für den Tourismus entfalte. Acht Jahre nach Verleihung des Titels stellt sich die Frage, ob es sich bei der „Konfirmationsstadt“ eher um ein symbolisches Etikett handelt als um ein strategisch entwickeltes Tourismusprofil mit erkennbaren Effekten.

Der Begriff, so das Resümee, sei eher „identitätsstiftend“. Das ist ehrlich und klingt ernüchtert. Eine klare Zieldefinition für die nächsten Jahre fehlt. Der Hinweis auf 2039 als Jubiläum und Zieljahr ist ein entwaffnendes Eingeständnis: Herrscht bis dahin eher Stillstand mit Ankündigungen? Eine angefragte Perspektive der Umsetzung erster Maßnahmen auf Basis des vorliegenden, 170-seitigen Konzeptpapiers bleibt diffus. Es wird betont, das Konzept sei „ein erster Schritt“, man verfolge es „mit langem Atem“ – aber konkrete nächste Schritte, Budgets oder Zeitpläne fehlen.

Konzept: ja! Umsetzung: nein? Wer macht was und wann?

Dabei liefert das mit erheblichem Aufwand erstellte Konzept von FUTOUR konkrete Handlungslinien:

  • Entwicklung eines Gaming-Angebots oder einer AR-Stadtführung
  • Kooperation mit kirchlichen Reiseanbietern (die großen lehnen ab – kleine könnten eine Chance sein)
  • Veranstaltungen im 5-Jahres-Turnus wie „485 Jahre Wasserfestung“
  • Bewerbung als immaterielles UNESCO-Kulturerbe
  • Aufwertung des Elisabethpfads als Pilgerweg
  • Aufbau eines „Hauses der Konfirmation“ (mit realistischen Zweifeln an Rentabilität)

Ziele haben immer drei Elemente: Ort, Zeit und Form: Doch keines dieser Projekte kennt derzeit ein konkretes Startdatum. Die Frage nach Koordination, Finanzierung, Steuerung bleibt diffus und unkonkret beantwortet. Das Antwortschreiben verliert sich in Allgemeinplätzen über Zusammenarbeit und Sichtbarkeit – konkrete Arbeitsaufträge, Zuständigkeiten oder Evaluationen fehlen.der Evaluationen fehlen.

Konfi-Cup nach Schwalmstadt?

Faktisch greift die Studie den Ist-Zustand auf und beschreibt dessen aktuellen Wirkungsgrad. Der ist bescheiden. Das gilt aber für fast alles auf dieser Welt. Irgendjemand muss jetzt die Geschichte von der Konfirmation erzählen. Schwalmstadt hat mit dem Titel „Konfirmationsstadt“ ein Alleinstellungsmerkmal – und ein Potenzial, wenn es denn bekannt wird. Ein Alleinstellungsmerkmal ohne Plan bleibt ein Etikett. Weil Marketing nur Schlagkraft erzielt mit Handlungen, Aktionsplänen, Budgets und Projekten. Haben die FREIE WÄHLER außerdem einen Antrag eingebracht, den Konfi-Cup nach Schwalmstadt zu holen. Ihr Antrag dazu in der Stadtverordnetenversammlung:

Der Magistrat wird beauftragt, mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie den zuständigen Stellen in Kontakt zu treten, um eine Bewerbung der Stadt Schwalmstadt – unter Einbindung der lokalen Kirchengemeinde – für die Durchführung der Endrunde des Konfi-Cup (auf Deutschland Ebene) zum nächstmöglichen Termin zu initiieren und vorzubereiten.

Einstimmig für Bundesfinale

Schwalmstadt trage mit Stolz den Titel Konfirmationsstadt. Die Endrunde des Konfi-Cup der EKD – ein bundesweites Fußballturnier für Konfirmandengruppen – biete eine hervorragende Plattform, die Alleinstellung mit Leben zu füllen, die Bedeutung der Stadt für die evangelische Konfirmation zu unterstreichen und die Sichtbarkeit kirchlicher Jugendarbeit und des religiösen Lebens vor Ort zu stärken.

  • Christian Herche (FW) erklärt den Ablauf: Die Qualifikation erfolgt auf Kreisebene. 16 Teams bleiben am Ende übrig. Das passe in die einzige Konfirmationsstadt Deutschlands. Bisher findet das Turnier in der katholischen Hochburg Köln statt: „Football is coming home“ meinte der schmunzelnd.
  • Patrick Gebauer (SPD) stellte fest: „Diesmal passt alles.“ Man sollte allerdings dafür Sorge tragen, dass man sich nicht schämen müsse für das Stadion.
  • Thomas Kölle (BfS) Will wissen, was kostet und erfährt, dass man auf Sponsoring und Kostenneutralität setze.

Es gibt wohl keine Atheisten im Schwalmstädter Parlament, denn der Antrag wurde einstimmig angenommen. Jetzt ist nicht nur das Domkapitel in Köln gewarnt …

HINTERGRUND: Konzept Konfirmationsstadt:

Die von der Agentur FUTOUR vorgelegte Analyse enthält nicht nur eine Bestandsaufnahme, sondern auch klare Empfehlungen, wie Schwalmstadt das Thema Konfirmation endlich erlebbar machen könnte.

1. Konfirmation + Erlebnis = Gaming, AR und Edutainment

Der stärkste Impuls des Konzepts: Die Konfirmationsstadt muss für Besucher emotional und sinnlich erfahrbar werden. FUTOUR schlägt unter anderem vor:

  • Digitale Stadtführungen über Actionbound oder YONA
  • AR-Elemente wie eine Zeitreise ins Jahr 1539 mit dem Landgrafen Philipp oder der Kirchenzuchtordnung
  • Gaming-Angebote wie ein Konfirmations-Escape-Game in der Wasserfestung

Umsetzung: Die Anbieter sind bekannt, grobe Kostenrahmen (10.000–60.000 € je nach Modell) liegen vor – doch es fehlt ein städtischer Projektauftrag.

2. Veranstaltungen: Aus dem Jubiläum ein Event machen

FUTOUR empfiehlt:

  • ein regelmäßiges, historisch fundiertes Großevent alle fünf Jahre (nach dem Vorbild der „485 Jahre Wasserfestung“)
  • aktive Einbindung in die „500 Jahre Reformation in Hessen“ 2026
  • Kooperation mit Homberg (Efze) – dort gibt es mit Dr. Helm bereits einen Projektmanager

Doch: In Schwalmstadt fehlt eine entsprechende Projektleitung – dabei könnte z. B. 2026 mit einem „Tag der Konfirmation“ in der Wasserfestung groß gefeiert werden.

3. Storytelling & Markenbildung: Konfirmation als Narrativ

Die Konfirmationsstadt hat zwei Fundamente:

  • Ziegenhain als Ursprung der Konfirmation (1539)
  • Treysa als Gründungsort der EKD (1945)

Diese doppelte evangelische Identität könnte als kulturelles Narrativ genutzt werden – etwa durch:

  • Ein Haus der Konfirmation
  • Eine Sonderbriefmarke
  • Die Bewerbung als immaterielles UNESCO-Kulturerbe
  • ein multimediales Scrollytelling-Projekt à la „Thermenland Bayern“

Doch: Auch hier braucht es jemanden, der aus Ideen Projekte macht – im Zusammenspiel von Verwaltung, WTS und Verein zur Förderung der Konfirmationsstadt.

4. Kooperationen mit kleinen Reiseanbietern

Große kirchliche Reiseveranstalter haben laut Konzept abgewunken. Die Empfehlung:

  • Gezielt kleinere Anbieter, z. B. „Evangelisch Reisen“ oder „CVJM-Freizeiten“, ansprechen
  • Spezielle Pakete entwickeln, z. B. „Ziegenhain & Homberg“ oder „Konfirmation erleben“
  • Gastgeber und Gästeführer schulen

Doch auch hier: Es braucht Koordination, Ansprechpartner, Material – und einen Tourismusmanager, der sich dieser Marktlücke professionell widmet.

5. Pilgerwege und Übernachtung: Elisabethpfad aufwerten, Wohnmobilstellplatz schaffen

Der Elisabethpfad führt direkt an Schwalmstadt vorbei – eine Chance, die laut Konzept nicht genutzt wird. Empfohlen werden:

  • Zertifizierung als Premium-Pilgerweg
  • Inszenierung mit AR-Technik entlang der Strecke
  • Einrichtung von „Pilgerherbergen“ und „Pilgertellern“ in der Gastronomie
  • Wohnmobilstellplatz als Infrastrukturmaßnahme

Aktuell gibt es dazu keine umsetzungsreife Planung.

6. Kommunikationskonzept jetzt beauftragen!

FUTOUR empfiehlt dringend:

  • Ein professionelles, duales Kommunikationskonzept für Schwalmstadt (Konfirmationsstadt) und Homberg (Reformationsstadt)
  • Umsetzung durch die erfahrene Journalistin und Netzwerkerin Silvia Stock
  • Enge Anbindung an Rotkäppchenland und GrimmHeimat

Kosten und Ablaufplan liegen laut Konzept bereits vor – eine Entscheidung durch den Magistrat wäre kurzfristig möglich.

Fazit: Jetzt handeln – oder der Titel „Konfirmationsstadt“ bleibt eine halbe Idee

Das vorliegende Konzept bietet konkrete Maßnahmen, Partner, Benchmarks und sogar Kostenrahmen. Was fehlt, ist ein verbindlicher Umsetzungsplan. Politik und Verwaltung sind gefordert:

  • Prioritäten definieren
  • Projektleitung benennen
  • Umsetzungspakete schnüren
  • Zeit- und Budgetplan festlegen

Ein Projekt „Konfirmationsstadt 2026“ als Meilenstein wäre ein starkes Signal. Alles andere wäre vertane Chance – für eine Stadt, die eigentlich zwei Orte evangelischer Identität vereint. (rainer sander)

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