
Udo Rodenberg ist erschrocken © Foto: Rainer Sander
Souveräne Führung wäre schön – Zeit für Propheten
BAUNATAL. Januar, Februar, März, April, Mai, dann Juni und Juli und dann noch 5 Monate bis 2026. Am 15. März sind Kommunalwahlen. Baunatal wartet auf einen Haushalt. Und auf Wahlen? Es gibt immer zwei Seiten und Ansichten. Eine schöne und eine reale; eine voller Fantasie und eine voller Wirklichkeit; eine mit Wünschen oder Hoffnungen und eine voller Wahrheiten mit Folgen.
So steht es in Baunatal um Haushalt, Finanzen und die Zukunft einer Stadt, die vor offensichtlich schwer lösbaren Aufgaben steht. Die einen wollen nach vorne schauen, die andern bejammern die Vergangenheit. Da hätte man alles anders machen können. Ob und wann es einmal so kommen könnte, hat aber auch nie jemand vorhersagen können. Genauso wenig, wie jetzt jemand das Datum kennt, ab dem es wieder besser oder noch schlechter wird. Eins scheint sicher: Wenn’s soweit ist, werden unglaublich viele Menschen – ganz so wie jetzt – genau das heute schon gewusst haben wollen. Diesmal bitte: raustreten und melden! Jetzt ist der ideale Zeitpunkt für Propheten!
Warum bei Grün anhalten?
In diesem Früher war’s einfach. Das Mittelzentrum Baunatal hatte das Geld, um sich eine oberzentrumsähnliche Infrastruktur zu leisten. Das wollten übrigens alle so! Sehr viele Menschen sind genau deshalb in die VW-Stadt gezogen und haben es genossen. Parteien, die das anders gemacht hätten, wurden genauso wenig gewählt, wie solche die noch mehr ausgeben wollten. Oder sie haben gar nicht erst Mitglieder in Baunatal gefunden und konnten deshalb nie antreten. Zu wenige hätten es anders gemacht. Warum auch? Wer stoppt vor einer grünen Ampel, bloß weil sie sowieso irgendwann rot wird?
Alles Produkte der Stadtgesellschaft. Ehrenamtliche Stadtverordnete fallen nicht vom Himmel, sondern kommen aus der Mitte der Gesellschaft und stellen sich zur Wahl. Jeder kann mitmachen! Die weitaus meisten wollen das nicht. Am Ende spielen alle auf demselben Platz. Der Unterschied zum Fußball: Dieses Spiel kann man nicht gewinnen, sondern nur spielen und es entscheidet stets allein die Frage, wie man es spielt. Am Ende sind immer alle Gewinner oder alle Verlierer. Oder die einen verlieren Bequemlichkeit, die anderen gewinnen Macht, die einen gewinnen an den Veränderungen, die anderen verlieren ihre Fassung. Alles hat seinen Preis, das Gute wie das Schlechte, das Teure wie das Billige. Der Horizont bleibt.
Mit Rücklagen den Schmerzpunkt verschieben bis 2027?
Der Haushaltsentwurf für die Jahre 2025 und 2026 – eingebracht vom parteilosen Bürgermeister Henry Richter – ist am 31. März in der Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen von SPD und CDU abgelehnt worden. Der zentrale Kritikpunkt: Der Entwurf sah vor, die kompletten Rücklagen der Stadt in nur zwei Jahren zu verbrauchen, was ein Defizit von über 20 Millionen Euro für das Folgejahr 2027 zur Folge hätte. Der offensichtliche Vorteil: Auch im Jahr der Kommunalwahl 2026 ändert sich in Baunatal nichts. Keine Einschnitte. Danach kommt der „Merz-Effekt“ mit Schuldenpaket und sehr sicher heftige Grundsteuer- und andere Erhöhungen sowie Einschnitte.
Seitdem herrscht Stillstand. Obwohl die Stadtverordnetenversammlung am 31. März die Verwaltung beauftragte, einen neuen, konsolidierten Haushaltsentwurf vorzulegen, blieb eine überarbeitete Vorlage bis heute aus. Erst am 21. Mai (gestern) – fast zwei Monate später – versandte Bürgermeister Richter ein Schreiben an die Fraktionen mit der Aufforderung, eigene Sparvorschläge bis zum 26. Mai zu übermitteln.
SPD entsetzt – GRÜNE hatten bereits Steuererhöhungen angemahnt
SPD-Fraktionschef Udo Rodenberg reagierte entsetzt: „Immer noch kein eigener Vorschlag zur Haushaltskonsolidierung von Bürgermeister Richter! Stattdessen dieses unglaubliche Schreiben.“ Zuvor hatte er im Haupt- und Finanzausschuss gewarnt: „Verantwortungsvolles Handeln der Rathausspitze sieht anders aus“ und kritisiert, der Bürgermeister verschleppe die Einbringung eines diskussionsfähigen Entwurfs bewusst, um sich unbequemen Einschnitten nicht stellen zu müssen. Allein die den Bürgermeister unterstützenden GRÜNEN hatten sich vor zwei Monaten in der STAVO aus der Deckung gewagt und sofortige Anhebung von Grund- und Gewerbesteuer vorgeschlagen.
Von den übrigen Fraktionen der GRÜNEN und der FDP gab es zuletzt keine öffentlichen Stellungnahmen. Alle Fraktionen sind jedoch nun (auf)gefordert, kurzfristig Vorschläge einzureichen – in einem Prozess, der ursprünglich vom Bürgermeister zu führen gewesen wäre.
Rechtliche Klarheit, politische Unklarheit
Die Hessische Gemeindeordnung macht unmissverständlich deutlich: Die Verantwortung für die Erstellung eines genehmigungsfähigen Haushaltsplans liegt beim Bürgermeister als Chef des Magistrats. Die Stadtverordnetenversammlung kann Änderungen beschließen – nicht aber den Haushaltsentwurf selbst aufstellen. Wird kein Haushalt beschlossen, greift automatisch die sogenannte vorläufige Haushaltsführung (§ 99 HGO). Dann dürfen nur noch Ausgaben getätigt werden, die gesetzlich vorgeschrieben oder zur Weiterführung bestehender Maßnahmen notwendig sind. Neue freiwillige Leistungen – etwa Vereinsförderung, Kulturveranstaltungen oder neue Investitionen – sind grundsätzlich unzulässig, sofern sie nicht unabweisbar sind.
Hinzu kommt: Alle Ausgaben, die in dieser Phase getätigt werden, stehen unter dem Vorbehalt späterer Genehmigung. Für rechtswidrige Ausgaben haften die handelnden Personen – auch persönlich. Das betrifft nicht nur Bürgermeister und Verwaltung, sondern potenziell auch ehrenamtliche Mandatsträger, wenn sie rechtswidrige Zahlungen dulden oder initiieren. Es geht ohne Haushalt, aber das ist ein Ritt auf der Rasierklinge.
Schmerzpunkt vorgezogen
Für den 23. Juni ist die nächste Stadtverordnetenversammlung angesetzt. Dann soll der Haushalt erneut eingebracht und verabschiedet werden? Ob das gelingt, hängt maßgeblich davon ab, ob der Bürgermeister in der Zwischenzeit einen tragfähigen Entwurf vorlegt – und ob dieser dann politischen Rückhalt findet.
Eines ist jedoch bereits jetzt klar: Der Vertrauensschaden ist erheblich. Die Stadt wird schnell unter Planungsunsicherheit, Projektstau und einem beschädigten Verhältnis zwischen Verwaltung und Politik leiden. Sollte auch der zweite Anlauf scheitern, wird der Schmerzpunkt – mit spürbaren Folgen für alle Baunatalerinnen und Baunataler – maximal vorgezogen. Wir sind im Leben nicht nur verantwortlich für das, was wir getan haben, sondern auch für das, was wir nicht getan haben. (rs)
2 Kommentare
Was ist 2025 anders als 2019?
Ich zitiere aus der HNA vom 08.02.2019:
Zitat:
Um über alle Ausgaben zu reden, sei ja gerade erst ein Haushaltskonsolidierungsausschuss eingerichtet worden, erläutert Reiner Heine für die SPD-Mehrheitsfraktion. Erst sollte in dem Gremium unter Beteiligung aller Fraktionen über mögliche Sparvorschläge diskutiert werden, ehe man über die Neubesetzung der Stelle eines Ersten Stadtrates spreche, sagt Heine und betont, dass auch die Besetzung des Stellvertreterpostens im Rathaus in die Debatte gehöre. „Wir wollen über alle Punkte sprechen. Und dazu gehören auch Personaldinge.“
Zitat-Ende
2019 gab es eine SPD-Bürgermeisterin, heute einen unabhängigen Bürgermeister.
2019 gab es einen gemeinsamen Haushaltskonsolidierungsausschuss, heute lehnt ihn die SPD ab.
2019 wurde erst gemeinsam über den Haushalt diskutiert, heute will die SPD ihren Ersten Stadtrat trotz des hohen Defizites schon vorher wieder wählen.
2019 wurden über 21 Mio. € aus der Rücklage zur Deckung des Defizites entnommen, heute lehnt dies die SPD ab.
Früher nannte man derartige Personen „Wendehälse“.
Für wie dumm hält eigentlich die Baunataler SPD die mündigen Bürger in Baunatal, dass diese nicht die nur machtpolitisch motivierte Vorgehensweise der SPD zum Schaden von Baunatal erkennen?
Die SPD wird dafür hoffentlich die Quittung bei der nächsten Kommunalwahl im März 2026 bekommen.
Die obigen Ausführungen in der Zwischenüberschrift „Rechtliche Klarheit, politische Unklarheit“ zum Haushalt und deren rechtliche Bewertung nach der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) sind folgendermaßen geregelt:
Es gehört nach § 66 Abs. 1 Ziffer 6 HGO zu den vornehmsten „Aufgaben des Magistrats“ den „Haushaltsplan aufzustellen“. Das ist damit somit gerade nicht die alleinige Aufgabe des Bürgermeisters.
Der Stadtverordnetenversammlung wird nur zur Beschlussfassung vorgelegt, was zuvor vom Magistrat mehrheitlich beschlossen wurde. Die Mehrheitsfraktionen der SPD und CDU verfügen im Magistrat und in der Stadtverordnetenversammlung über dominante Stimmenmehrheiten. Deshalb kritisieren die Fraktionen SPD und CDU der Stadtverordnetenversammlung zum vorgelegten Haushalt im Grunde genau das, was zuvor von ihren eigenen Parteikollegen im Magistrat zur „Aufstellung des Haushaltsplanes“ (§ 66 HGO) beschlossen wurde.
Die Verantwortung für einen genehmigungsfähigen Haushalt liegt nicht beim Bürgermeister als Vorsitzendem des Magistrats, sondern beim Magistrat als Selbstverwaltungsorgan im Rahmen der Aufstellung des Haushaltsplanes nach der HGO. Der Bürgermeister ist auch nicht der Chef des Magistrats, sondern Vorsitzender des Magistrats.
Wenn bisher noch kein Haushaltsplan durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossen worden ist, stellt sich die Frage nach den Verantwortlichkeiten bzw. Fehlern im Konstruktionsbereich des mehrheitlich mit Mitgliedern von SPD und CDU besetzten Magistrats. Beide Fraktionen werden sowohl im Magistrat als auch in der Stadtverordnetenversammlung wegen notwendiger Einsparvorschläge und Steuererhöhungen nicht umhinkommen sprichwörtlich „Farbe bekennen“ zu müssen. Deren bisherige Strategie, alles allein auf den Bürgermeister abzuschieben, ist weder zielführend noch lösungsorientiert! Deren bisherige Strategie ist sehr durchsichtig. Haben diese Parteien wegen der anstehenden Kommunalwahlen in 2026 evtl. Angst vor den Wählern bzw. Angst davor für unpopuläre Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen verantwortlich zu sein? Mit welchen Wahlkampfschlagern wollen SPD und CDU ansonsten alternativ in die Kommunalwahl 2026 ziehen?
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