
Marcel Pritsch-Rehm, Manuel Krieg, Silke Engler, Saskia Skaley, Dr. Astrid Szogs (Foto: Rainer Sander)
Baunatal, Borken und Reinhardshagen haben Handlungskonzept
BAUNATAL | BORKEN | REINHARDSHAGEN. Man hört viel über E-Mobilität. Ihr soll die Zukunft gehören, aber keiner kauft elektrisch angetriebene Autos. Angela Merkel hatte 1 Million E-Autos bis 2020 angepeilt.
Das allein ist vielen schon verdächtig und dann hört man solche Nachrichten aus Schweden, dass die CO2-Bilanz eines Tesla katastrophal sein soll. Teuer sind die elektrischen Autos, man kommt kaum von Borken nach Reinhardshagen und zurück und Laden kann man auch nirgends? Wir müssen mal wieder etwas machen, das sich „die da oben“ ausgedacht haben? Perfekte Voraussetzungen für Kommunen und E-Enthusiasten…
Mit 100.000 Euro in der gemeinsamen Kasse und einer 80prozentigen Förderung aus Berlin im Rücken, sind die drei Kommunen Baunatal (Federführung), Borken (Hessen) und Reinhardshagen vereint ans Werk gegangen, um die Zukunft der Mobilität in nordhessischen Städten und Gemeinden zu untersuchen. Herausgekommen ist ein „Integriertes Handlungskonzept“ als Blaupause für den Rest Nordhessens, das Fragen stellt und beantwortet: Wie entwickelt sich E-Mobilität? Wie ist der aktuelle Stand der Technik? Was können und sollten Kommunen tun und was sind die Trends? Wer mag, darf jetzt abkupfern was das Zeug hält und seine Stromleitung hergibt!
Menschen begeistern – VW-Wandel ernst nehmen
Auch wenn nicht alles greifbar ist und viele „Schätzfragen“ im „Denkspiel“ um die Zukunft versteckt sind, es waren nicht etwa Kaffeesatzleser am Werk. Das Fraunhofer IWES Institut Kassel, Netzbetreiber Energienetz Mitte, monalysis und andere waren unter der Federführung des Regionalmanagements über ein Jahr damit beschäftigt, das Konzept zu entwickeln. Das Ergebnis: E-Mobilität kommt und sie ist zu bewältigen!
Baunatals erste Stadträtin und amtierende Bürgermeisterin Silke Engler sieht eine spannende Herausforderung schon darin, wie man Menschen begeistern kann. In ihrer Stadt arbeitet das zweitgrößte VW-Werk Deutschlands und das ist zugleich Leitwerk für E-Mobilität bis in den asiatischen Raum. Und sie hat praktische Erfahrungen bei diversen Ausfahrten gesammelt: „Man muss alle paar Kilometer anhalten und die Fahrer tauschen, weil jeder mal will!“
Ende der Legendenbildung

Ein Auto der Raiffeisenbank Borken am Schnellader vor dem Ratio-Land an der A49 (Archivfoto: Rainer Sander)
Das war nicht Gegensatz der Untersuchung, aber es gibt tatsächlich auch niemanden, der von einem Elektroantrieb zurück zu einem Benziner wechseln würde. Es ist also was dran, dass der Antrieb „süchtig“ macht. Die Ergebnisse sind auf über 100 Seiten zusammengefasst und trotzdem in wenigen Sätzen greifbar:
Die Reichweiten steigen, die Preise fallen. Es hat zwar keiner so gesagt, aber es ist wie bei den Flachbildschirmen, die vor gut 10 Jahren 10.000 Euro kosteten und heute im Discounter für kleines Geld verkauft werden. Die Netze in Nordhessen reichen grundsätzlich für den Bedarf aus und es müssen gar nicht an jeder Ecke Ladesäulen stehen. Die Kommunen sind für die Infrastruktur zuständig, nicht aber für die großen Investitionen. Borkens Bürgermeister Marcel-Pritsch-Rehm hat an der Stockelache schon einen perfekten kommunalen Standort ausgemacht. Baunatal schreibt in die städtebaulichen Verträge mit Supermärkten die Ladeinfrastruktur fest.
Das Ende der Tanke?
Die Frage nach der Ladeinfrastruktur ist sowieso nicht schwer zu beantworten. Die meisten Menschen werden nämlich die meisten Kilowattstunden zu Hause laden, weil das nebenbei geht und am billigsten ist. Im Gegensatz zu Benzin und Diesel kann jeder die eigene Tankstelle vom Elektriker installieren lassen. Der Arbeitsplatz wäre der zweitwichtigste Ladeort. Dort wo es Aufenthaltsqualität gibt, können Kommunen zudem die langsameren Wechselstrom-Ladesäulen aufbauen, die rund 10.000 Euro kosten. An die Autobahnen, auf denen weite Strecken zurückgelegt werden, gehören allerdings die schnellen Gleichstromlader, die auch 50.000 Euro kosten können. Keine kommunale Aufgabe! Vielleicht vermissen wir irgendwann die Mini-Supermärkte an der Tanke, weil die keiner mehr braucht? Vielleicht! Aber Schokoriegel sind beim Discounter ohnehin billiger.
Mobilität ändert sich insgesamt
Manuel Krieg vom Regionalmanagement Nordhessen ist sich zwar sicher, dass der Zeitplan der Bundesregierung nicht mehr einzuhalten ist, aber auch darin, dass die Entwicklung trotzdem nicht aufzuhalten ist. Mobilität wird sich insgesamt verändern. Der ÖPNV gewinnt an Gewicht.
In einem anderen Projekt bietet das Regionalmanagement Unternehmen eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ihrer Fuhrparke an. Hübner, die bdks, SMA, Finoba und andere sind schon dabei. Und eines ist gewiss: Wenn die Unternehmen mit E-Mobilität Geld sparen können, dann werden sie genau das umsetzen. Und mit den Firmenwagen könnte der Durchbruch starten.
Die Entwicklung ist gar nicht aufzuhalten
Aber was ist nun mit dem Automarkt? Kein Thema für das Handlungskonzept, aber in China müssen Autobauer, die dort verkaufen wollen, bereits 25 Prozent Elektroautos anbieten, weil die Städte dort im Smog versinken. Irgendwann sollen im Reich der Mitte nur noch E-Autos fahren und nur dort lässt sich das „von denen da oben“ anordnen und auch durchsetzen. China ist aber der größte Automarkt der Zukunft. Noch Fragen? Es könnte so kommen, wie beim harten Schnitt vom Handy zum Smartphone. Ein Jahr hat es gedauert, bis zum Sieg des Touchscreens und mit ihm starben Firmen, die fest daran geglaubt haben, dass keiner ein Telefon ohne Tasten kaufen würde… (rs)
3 Kommentare
Elrktro Träumer gibt es überall
Schwalmstadt braucht noch ein paar Jahrzehnte um aus seinem verdienten Schlaf auf zu wachen!
Der Bericht und auch die Aktivitäten der oben genannten Gemeinden ist top. In der Schwalm hingegen schläft man noch. In Ziegenhain gibt es Ladestationen für E-Autos damit man zügig laden kann. In Treysa hingegen nicht eine einzige. Ich meine nicht die Rotkäppchen-Ladesäulen die In Treysa am Marktplatz stehen! (Laden aktuelle E-Autos extrem langsam). Auch die Stadt Schwalmstadt sollte zügigst über eine bessere Ladeinfrastruktur nachdenken. Vielleicht geschieht das ja, aber die Öffentlichkeit hört nichts davon. Es werden langsam mehr und mehr E-Autos in der Schwalm!!! Schwalmstadt wach bitte auf.
Kommentare wurden geschlossen.