Rainer Sander ©Foto: nh24 | Wittke-Fotos
SCHWALMSTADT. Wer seit vorgestern die Nachrichtenkommentare, Tweets und Posts verfolgt, merkt, wie viele Eintracht-Fans es sogar in Nordhessen gibt. Ziemlich viele! Von wegen Huskies, MT Melsungen, KSV Hessen Kassel. Ok, in Nordhessen Fußballfan zu sein und selbst Eintracht Stadtallendorf vor der ersten nordhessischen Mannschaft zu sehen, da muss man hart im Nehmen sein!
Ob man deswegen gleich SGE-Fan werden muss? Sei’s drum, dank Eintracht Frankfurt und Niko Kovac werden endlich wieder wichtige Themen diskutiert. Keine Flüchtlinge, keine Raketen und Bomben und keine Hartz IV Debatte kann so wichtig sein, wie ein Trainerwechsel zu Bayern München! Ich habe bei einigen Facebook-Freunden echte Sorgen um deren Gesundheit gehabt. Bisher sind Herzinfarkte allerdings nicht bekannt.
Wäre Kovac zum KSV Hessen oder zu Eintracht Stadtallendorf gewechselt, um seinen Landsmann Dragan Sicaja abzulösen, hätten alle kurz mit dem Kopf geschüttelt, Blödmann gesagt und artig auf den nächsten Trainer gewartet. Aber zum FC Bayern? Da steht die Fußballwelt Kopf. „Verräter!“ wird bei Facebook gepostet, „verpiss Dich!“ gerufen oder von Pinocchio geschrieben. Kovacs Aussagen zur Vertragstreue werden rausgekramt und zitiert. Verträge seien nichts mehr wert, habe er mal bitter klagend verlauten lassen und nun beendet der Kroate seinen Vertrag selbst vorzeitig. Erschütternd…!
Das Problem ist, dass beide Seiten erklären, dass es eine Ausstiegsklausel im Vertrag gibt und es sind offensichtlich weder der Trainer, noch der Verein mit Waffengewalt dazu gezwungen worden, einen Vertrag mit Ausstiegsklausel zu unterschreiben. Und wenn das so ist, wollten beide Seiten, dass der Kontrakt bei einer solchen Situation vorzeitig beendet werden kann! Das scheint das einzig eindeutige zu sein, in dieser Angelegenheit. Kann dann eine Seite von Verräter sprechen?
Wohl kaum. Der Zeitpunkt war schlecht? Zeitpunkte sind immer schlecht! Hätten Kovac und sein neuer Arbeitgeber bis zum Saisonende mit der Bekanntgabe gewartet, hätten alle gerufen: „Das haben sie gewusst und den Fans bis heute verheimlicht! Pfui, die Fans haben ein Recht darauf informiert zu sein! Dafür wird sofort über einen neuen Trainer diskutiert. Auch der falsche Zeitpunkt, denn der muss vermutlich ebenfalls irgendwo kündigen…
Einen Tag nach dem letzten Spieltag ist alles Schnee von gestern. „Lebbe geht weiter“, hat ein anderer Frankfurter Trainer – auch vom Balkan – mal verkündet. Und es geht weiter, ganz egal, wie groß die Aufregung ist. Mit etwas Ruhe und Gelassenheit angesichts einer Situation, die sich ohnehin nicht mehr ändern kann, wäre extrem vernünftig. Aber das funktioniert selten! In der Politik, die gerade ein wenig von der Trainerfrage verdrängt wird, übrigens auch nicht…
Ihr
Rainer Sander